Preisexplosion – Was tun?

I Lage

Die Preise für Baumaterialien sind explodiert.

Die Holzpreise sind seit Jahresbeginn um mehr als 40 % gestiegen, die Preise für Dämmstoffe um mehr als 25 %, Betonstahl mit über 10 %.

Aus verschiedenen Gründen sind Lieferengpässe eingetreten sowohl für Holz, als auch für Kies, Sand und für Dämmstoffe, sodass die Preise weiter in die Höhe schießen werden.

Zu dem massiven Anstieg der Materialkosten kommt eine zu erwartende erhebliche Lohnkostensteigerung.

Bereits der zurückliegende Tarifabschluss 2018 mit einer Laufzeit von 26 Monaten war mit 5,8 % üppig.

Die aktuelle Gewerkschaftsforderung liegt bei 5,3 %, Angleichung Ost an West und Entschädigung für Fahrten zu den Baustellen.

Beides zusammen, die Materialkostenexplosion und die Lohnkostenentwicklung führen zwangsläufig zu einer defizitären Geschäftsentwicklung, wenn nicht rechtzeitig mit Abwehrstrategien vorgebeugt wird.

Dies betrifft den Abschluss neuer Verträge, nachträgliche Preiserhöhungen für bereits abgeschlossene Verträge und das Nachtragsmanagement.

II Neuverträge

Die beschriebene Lage zwingt dazu, vor Angebotsabgabe nicht nur aufgrund tagesaktueller Preise zu kalkulieren, sondern vorausschauend.

In die übliche Zuschlagskalkulation werden bekanntlich zunächst die Einzelkosten der Teilleistungen (EKdT) eingestellt, also Materialkosten, Gerätekosten, Personalkosten, gegebenenfalls Nachunternehmerkosten, Baustellengemeinkosten (BGK).

Sodann werden hierauf die Zuschläge für die Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) sowie Wagnis und Gewinn (W/G) addiert.

Wesentliche Stellschrauben sind aufgrund der Lagebeurteilung die Materialkosten und im Hinblick auf bevorstehende Tarifabschlüsse die Lohnkosten.

Da der Nachunternehmer genauso betroffen ist, ist eine weitere Stellschraube natürlich der Posten Nachunternehmerkosten.

Die Lohnkosten lassen sich noch am ehesten prognostizieren.

Sie hängen vom Ergebnis der Tarifverhandlungen ab, also einem nationalen Ereignis.

Die Materialkostenentwicklung lässt sich hingegen nur schwer prognostizieren, zumal internationale Faktoren eine Rolle spielen, insbesondere die pandemiebedingten Produktionsausfälle der Vergangenheit einerseits und des Nachfragebooms, derzeit insbesondere aus China und USA andererseits.

Wir wissen demzufolge nicht, ob die Preissteigerung anhält und wie sie konkret aussehen wird.

Soweit rechtlich zulässig sollten Angebote derzeit immer mit Stoffpreisgleitklausel verbunden werden. Eine solche Gleitklausel kommt immer nur dann in Betracht, wenn Sie selbst auf die Vertragsgestaltung Einfluss nehmen können.

Bei Vergabeverfahren ist dies regelmäßig nicht der Fall. Enthalten diese daher keine Preisgleitklausel und auch keinen Preisvorbehalt, so ist das Risiko groß, dass Ihnen angesichts der derzeitigen Entwicklung ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet wird.

Dies ist zwar vergaberechtlich fragwürdig, hilft Ihnen jedoch nicht, wenn der Zuschlag erst einmal erteilt ist.

Der Zuschlag auf ein heute gut kalkuliertes Angebot, das sich morgen als desaströses Verlustgeschäft darstellt, ist nicht erstrebenswert, weshalb gegebenenfalls auf die Teilnahme an solchen Vergabeverfahren verzichtet werden muss.  

III Altverträge

Können Sie vor Abschluss von Neuverträgen das Preiserhöhungsrisiko durch Stoffpreisgleitklausel, Lohngleitklausel oder gegebenenfalls den Verzicht auf die Teilnahme am Vergabeverfahren noch steuern, so ist dies bei bereits abgeschlossenen Verträgen naturgemäß sehr viel schwieriger.

Das Kind liegt bereits im Brunnen.

Egal, ob Einheitspreisvertrag oder Pauschalpreisvertrag, Sie sind an den einmal vereinbarten Preis gebunden.

In dieser schwierigen Situation ist manch einer geneigt, der Macht der Fakten den Vorrang einzuräumen.

Mit anderen Worten, der Bau wird nach vorangegangener Ankündigung eingestellt, sollte der Auftraggeber eine Preiserhöhung nicht nachträglich akzeptieren.

Dieses Vorgehen mag manchmal tatsächlich zum Erfolg führen, ist jedoch mit äußerster Vorsicht zu genießen.

Der Auftraggeber, der sich hiervon nicht abschrecken lässt, wird den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen und die Mehrkosten, die ihm durch ein Drittunternehmen entstehen, gegen Sie geltend machen.

Dies bedeutet, dass der Verlust, der durch die Einstellung der Arbeiten vermieden werden sollte, durch die Hintertür als Mehrvergütungsanspruch des Auftragnehmers wieder hereinspaziert.

Vielfach wird dagegen eingewandt, der Auftraggeber sei gar nicht zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, denn ein nachträgliches Preiserhöhungsverlangen und im Falle der Ablehnung, die Baueinstellung, seien gerechtfertigt.

Diese Rechtfertigung ergäbe sich daraus, weil für den Auftragnehmer ein Fall der höheren Gewalt vorliege und damit die Geschäftsgrundlage entfallen sei.

Begründet wird diese höhere Gewalt regelmäßig mit der Pandemie.

Richtig ist daran zunächst, dass die Pandemie höhere Gewalt ist.

Das Problem liegt allerdings darin, dass die Preiserhöhungen nicht zwangsläufig Folge der Pandemie sind.

Für Lohnerhöhungen liegt dies auf der Hand.

Sie sind nicht Folge der Pandemie, sondern Folge von Tarifverhandlungen.

Für Materialpreiserhöhungen spielen viele Faktoren eine Rolle, die derzeit zusammentreffen.

Die Pandemie spielt dabei eine wesentliche Rolle, nicht jedoch die einzige.

Selbst wenn sich jedoch der Nachweis erbringen ließe, dass sich eine konkrete Materialpreiserhöhung ausschließlich auf die Pandemie und gegebenenfalls daraufbezüglicher staatlicher Maßnahmen zurückführen lässt, bleibt die Frage, ob dies Sie berechtigt, deshalb einseitig eine nachträgliche Preiserhöhung verlangen zu können.

Dies ist heute fragwürdiger als im März 2020.

Es handelt sich bei der Pandemie heute nämlich nicht mehr, wie damals, um ein plötzliches, unvorhersehbares Ereignis, sondern um eines, das spätestens seit März 2020 jedermann bekannt ist.

Demzufolge bestand hinsichtlich der Mehrzahl der aktuellen Verträge bereits die Möglichkeit, durch Gleitklauseln entgegenzusteuern oder auf einen Vertragsabschluss gänzlich zu verzichten.

Doch selbst dann, wenn es Ihnen gelänge, auch diese Hürde zu überspringen, so müssten Sie dem Richter noch immer erklären, weshalb Sie den Bau eingestellt haben, weil der Auftraggeber mit der Preiserhöhung nicht einverstanden war.

Die VOB/B sieht unter § 18 Abs. 5 gerade vor, dass Streitfälle den Auftragnehmer nicht berechtigen, die Arbeiten einzustellen.

Hinter diesem Gedanken verbirgt sich über die VOB/B hinaus der allgemeine baurechtliche Gedanke der gegenseitigen Kooperationspflichten.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die einseitige Durchsetzung einer nachträglichen Preiserhöhung, flankiert mit der Androhung und Durchführung eines Baustopps, vielfach funktionieren kann.

Bei der Mehrzahl der Auftraggeber wird sie nicht funktionieren und sich als Eigentor erweisen.

Was bleibt, sind damit letztlich nachträgliche Vertragsverhandlungen.

Ein Auftraggeber wird am ehesten geneigt sein, einer nachträglichen Preiserhöhung zuzustimmen, wenn diese zum einen in transparenter Form erfolgt und zum anderen für ihn mit der Vermeidung eines Nachteils oder der Erlangung eines Vorteils verbunden ist.

Eine transparente Darlegung einer Preiserhöhung setzt zwangsläufig eine vollständige oder teilweise Offenlegung der Kalkulation voraus.

Wenn sich beispielsweise durch die explosive Erhöhung der Kosten für Konstruktionsvollholz oder Brettschichtholz die Kosten des Gewerkes Zimmermann erheblich erhöht haben, so sollte die komplette Kalkulation des Dachstuhls, bestehend aus den Einzelkosten der Teilleistungen, also Material ehrlich und ohne Verschiebungen unter Nachweis des EKP für Holz zum Zeitpunkt der Angebotslegung dargestellt werden.

Demgegenüber gestellt wird der aktuelle EKP für Holz und auf dieser Grundlage eine aktualisierte Kalkulation.

Dies ist für jeden Auftraggeber verständlich und nachvollziehbar.

Gleichwohl wird er möglicherweise und zwar berechtigt einwenden, dass der alte Preis gilt: Pacta sunt servanda.

Sie müssen ihm also bei seiner Entscheidung für eine Preiserhöhung etwas nachhelfen.

Welches Interesse hat der Auftraggeber?

Er möchte sein Bauvorhaben zu einem bestimmten Zeitpunkt fertiggestellt wissen.

Erreicht er dieses Ziel, wenn Sie vorrangig andere Baustellen bedienen?

Sicherlich nicht.

Er wird daher geneigt sein, bei gegebenenfalls nachträglicher Vereinbarung eines verbindlichen Fertigstellungstermins, gegebenenfalls bewehrt durch Vertragsstrafe, möglicherweise auch einer Preisbindungsklausel bis zum vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermin, dem Preiserhöhungsverlangen nachzugeben.

Auf diese Weise kann eine Win-Win-Situation entstehen.

IV Nachträge

Soweit es um den Abschluss neuer Verträge geht, haben wir rechtliche Möglichkeiten durch Gleitklauseln der eingetretenen Situation Rechnung zu tragen.

Die Mittel dazu sind die Stoffpreisgleitklausel einerseits und die Lohngleitklausel andererseits.

Für bereits abgeschlossene Verträge, dort wo das Kind sprichwörtlich bereits im Brunnen liegt, ist es schwieriger.

Die einseitige Durchsetzung einer nachträglichen Preiserhöhung ist rechtlich korrekt auch mit dem Argument der höheren Gewalt nicht durchsetzbar.

Chancen liegen allenfalls in der Herstellung einer Win-Win-Situation nach transparenter Darlegung der Preiserhöhung.

Wiederum anders stellt sich die Situation bei Nachträgen dar.

Dort haben wir es weder mit einem komplett neuen Vertrag zu tun, noch ist die Situation vollständig der vergleichbar, dass ein unabänderlicher Altvertrag im Raum steht.

Es lohnt sich daher, die Nachträge genauer zu betrachten.

Wir unterscheiden in Sachnachträge einerseits und Zeitnachträge andererseits.

Bei den Sachnachträgen geht es um die (zufällige) Mengenmehrung, die nachträgliche Anordnung einer Änderung und die nachträgliche Anordnung von Zusatzleistungen.

Zeitnachträge sind entweder die Folge von Sachnachträgen oder von tatsächlichen Bauabläufen, die nicht mehr im Einklang mit dem vertraglich vereinbarten Bauablauf stehen.

Die aktuellen Preiserhöhungen geben Ihnen, je nachdem um was für einen Nachtrag es sich handelt, verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten.

  1. 1.     Sachnachträge

Bis zum 08.08.2019 galt für Sachnachträge in VOB-Verträgen ein bestimmter Grundsatz.

Dieser lautete: Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis.

Wer einmal gut kalkuliert hat, konnte diese gute Kalkulation in den Nachtrag fortsetzen, wer schlecht kalkuliert hat, dem verfolgte diese Kalkulation auch in die Nachträge hinein.

Wer also einen Materialpreis als Bestandteil der EKdT kalkuliert hatte, der durch die aktuelle Entwicklung überrollt wurde, kam aus dieser Nummer nicht mehr heraus.

Der Versuch über den sogenannten Wegfall der Geschäftsgrundlage aus der schlechten Kalkulation wieder herauszukommen, war regelmäßig nicht vom Erfolg gekrönt.

Seit 08.08.2019 befindet sich die Rechtsprechung beim VOB-Vertrag in einem Änderungsprozess, beim BGB-Vertrag, hat der Gesetzgeber bereits am 01.01.2018 für Änderungsanordnungen und der Anordnung von Zusatzleistungen Fakten geschaffen.

  1. a)    Mengenmehrung

Stellt sich im Rahmen des Aufmaßes heraus, dass die ausgeführte Menge der unter einem Einheitspreis erfassten Leistung oder Teilleistung größer oder kleiner ist als der im Vertrag vorgesehene Umfang, so sieht § 2 Abs. 3 VOB/B einen neuen Einheitspreis, freilich unter Beachtung der 10 %-Grenze vor.

Wie dieser neue Preis auszusehen hatte, bestimmte sich bis 08.08.2019 nach der sogenannten Korbion‘schen Formel vom guten und vom schlechten Preis.

Am 08.08.2019 entschied der BGH folgendes:

Können sich die Parteien über die Höhe des Nachtrages nicht einigen, so muss der Auftragnehmer nicht zwingend auf der Grundlage seiner ursprünglichen Kalkulation die Höhe des Nachtrags ermitteln, sondern er kann auch die tatsächlich erforderlichen Mehrkosten darlegen, dies zuzüglich angemessener Zuschläge auf AGK sowie Wagnis und Gewinn. Die BGK sieht der BGH als Bestandteil der Einzelkosten der Teilleistungen an (BGH-Urteil vom 08.08.2019 - VII ZR 34/18).

Daraus ergibt sich, dass Sie zum Zeitpunkt der Erstellung des Aufmaßes für die, der Preisänderung unterfallenden Mehr- oder Minderkosten einen neuen Preis kalkulieren und zwar auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Aufmaßes maßgeblichen, tatsächlichen Kosten.

Sie können also die Mehr- und Minderkosten an der Materialpreiserhöhung teilnehmen lassen.

Für den BGB-Vertrag gilt dies nicht, denn dieser kannte und kennt bis heute keine dem § 2 Abs. 3 VOB/B entsprechende Regelung.

Dort bleibt es also auch für Mehr- und Mindermengen beim alten Preis.

  • b)    Änderungsanordnung

Werden durch Änderungen des Bauentwurfs oder andere Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren.

Für diesen neuen Preis galt in der Vergangenheit die Korbion‘sche Formel vom guten und vom schlechten Preis.

Ob Sie zukünftig auch noch gilt, weiß man nicht.

Die Entscheidung des BGH bezog sich auf § 2 Abs. 3 VOB/B nicht auf § 2 Abs. 5 VOB/B.

Allerdings spricht viel dafür, dass der BGH seine neue Rechtsprechung auch auf § 2 Abs. 5 VOB/B ausdehnen wird.

Für Sie empfiehlt es sich bei Änderungen bereits jetzt, nicht mehr auf die alte Materialpreiskalkulation zurückzugreifen, sondern auf die aktuelle.

Sie können sich dabei bereits jetzt auf zahlreiche obergerichtliche Entscheidungen berufen, die Ihnen Recht geben (KG Urteil vom 27.08.2019 - 21 U 160/18; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.12.2019 – 5 U 52/19; OLG Braunschweig, Urteil vom 22.04.2020 - 11 U 153/18).

Im BGB-Vertrag sieht der Gesetzgeber dies ausdrücklich vor.

Gemäß § 650 c Abs. 1 BGB richtet sich der Vergütungsanspruch in diesem Fall nach den tatsächlich erforderlichen Kosten mit angemessenen Zuschlägen für Allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn.

  • c)     Zusatzleistungen

Wird eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung.

Auch bei Zusatzleistungen im VOB-Vertrag wissen wir heute noch nicht, wie der BGH entscheiden wird.

Es ist allerdings davon auszugehen, dass auch bei Zusatzleistungen zukünftig die Korbion‘sche Formel der Vergangenheit angehören wird.

Sie sollten daher aufgrund der aktuellen Preise Zusatzleistungen kalkulieren und können sich auf die vorgenannten obergerichtlichen Entscheidungen berufen.

Für den BGB-Vertrag gilt dies ohnehin seit 01.01.2018 gemäß § 650 c Abs. 1 BGB.

  • Zeitnachträge

Für Zeitnachträge kann es im Wesentlichen zwei Ursachen geben.

Die eine Ursache liegt in einem rechtmäßigen Verhalten des Auftraggebers, die andere in einem rechtswidrigen Verhalten.

Nimmt der Auftraggeber Änderungsanordnungen vor oder will er Zusatzleistungen, so handelt er rechtmäßig, denn sowohl BGB als auch VOB/B sehen die einseitige Leistungsänderung vor.

Durch diese Leistungsänderungen kann es dazu kommen, dass die Bauausführung auch in zeitlicher Hinsicht beeinflusst wird.

Ebenso ist denkbar, dass es ohne jegliche Änderung oder Zusatzleistung zu Verzögerungen kommt, weil der Auftraggeber Obliegenheiten nicht nachkommt und daher in Annahmeverzug gerät, im weitesten Sinne also rechtswidrig handelt.

Handelt er rechtmäßig, weil er Änderungen oder Zusatzleistungen anordnet und führt dies zu einem zeitlichen Mehraufwand, können Sie die hierdurch verursachten Kosten als Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 bzw. § 2 Abs. 6 VOB/B geltend machen (OLG Köln Urteil vom 03.02.2021 - 11 U 136/18, nicht rechtskräftig).

Sie rechnen also in Ihrem Nachtrag nicht nur die tatsächlichen Kosten für Material, sondern auch die tatsächlichen Mehrkosten für die verlängerte Bauzeit ein.

Uns interessieren im Folgenden die Zeitnachträge, die auf einem rechtswidrigen Verhalten des Auftraggebers beruhen, also daher rühren, weil er Obliegenheiten nicht nachkommt und deshalb in Annahmeverzug gerät.

  1. a)    Schadensersatz

Hat der Auftraggeber die von Ihnen gemäß § 6 Abs. 1 VOB/B angezeigte Behinderung zu vertreten, so haben Sie Anspruch auf Ersatz des nachweislich entstandenen Schadens (§ 6 Abs. 6 VOB/B).

Ist es also durch die vom Auftraggeber zu vertretende Verzögerung dazu gekommen, dass Sie in eine Preiserhöhung geschlittert sind, in die Sie ohne die Verzögerung nicht gekommen wären, so haben Sie Anspruch auf Erstattung der Materialmehrkosten.

Erforderlich ist hierzu eine bauablaufbezogene Darstellung, die den vertraglich vereinbarten Bauablauf dem tatsächlichen Bauablauf gegenübergestellt.

Innerhalb dieser Gegenüberstellung müssen Sie die Differenz zwischen den Materialpreisen mit und ohne Bauzeitverzögerung ermitteln.

Ein Mitverschulden bei nicht rechtzeitigem Einkauf kann dabei eine Rolle spielen.

Was den Weg des Schadensersatzes jedoch unattraktiv macht ist, dass damit für Sie keine schnelle Hilfe verbunden ist.

Sie rechnen die Mehrkosten als Schadensposition in der Schlussrechnung unter der Rubrik Nachträge ab.

Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung wird diese Position gestrichen werden, Sie müssen also möglicherweise einen Rechtsstreit führen. Dieser kostet Geld und dauert.

Ein taktisches Mittel zur Weiterleitung von Preiserhöhungen liegt im Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B daher nicht.

  • b)    Entschädigungsanspruch

Neben dem Schadensersatzanspruch gemäß § 6 Abs. 6 VOB/B sieht das BGB, natürlich gültig auch für VOB-Verträge, eine angemessene Entschädigung vor, wenn der Auftraggeber Obliegenheiten nicht nachkommt und hierdurch in Annahmeverzug gerät (§ 642 BGB).

Zwar bedarf es hier zumindest anspruchsbegründend keiner bauablaufbezogenen Darstellung, jedoch umfasst der Entschädigungsanspruch in erster Linie ein nutzloses, also unproduktives Bereithalten von Produktionsmitteln während des Annahmeverzugszeitraums.

Einen vollständigen Ausgleich für nicht erwirtschaftete Deckungsbeiträge für AGK, Wagnis und Gewinn enthält der Entschädigungsanspruch nicht.

Außerdem kommt hinzu, dass der Entschädigungsanspruch ebenso wie der Schadensersatzanspruch mit der Schlussrechnung geltend gemacht wird, damit der Schlussrechnungskorrektur unterliegt und folglich eine langwierige und kostenintensive gerichtliche Verfolgung notwendig macht.

Es handelt sich daher auch beim Entschädigungsanspruch gemäß § 642 BGB nicht um ein taugliches taktisches Mittel für die Kompensation von Preisexplosionen bei den EKdT.

  •  

Taktisch geeignete Mittel sind solche, die vor Eintritt eines Schadens eine Verhandlungsposition schaffen, die für Sie vorteilhaft ist. Ihre Verhandlungsposition ist immer dann gut, wenn Sie ein rechtmäßiges Gestaltungsmittel haben, dessen Ausübung für den Auftraggeber nachteilige Folgen hat.

Liegt eine solche Konstellation vor, so wird alleine die Androhung der Ausübung dieses Gestaltungsrechts vorteilhaft für Sie sein.

Das klassische Gestaltungsrecht ist die Kündigung des Vertrages oder besser die Androhung der Kündigung.

Gemäß § 6 Abs. 7 VOB/B können Sie im VOB-Vertrag den Vertrag kündigen, wenn eine Unterbrechung länger als drei Monate gedauert hat.

Sollte es also in der jetzigen Situation in Folge der Preisexplosion zu einer Unterbrechung von mehr als drei Monaten gekommen sein, sollten Sie dringend prüfen, ob Sie von diesem Kündigungsrecht Gebrauch machen.

Es gibt Ihnen die Möglichkeit, neue Preise nach Kündigung zu verhandeln.

Allerdings gilt § 6 Abs. 7 VOB/B nur für Unterbrechungen und auch nur dann, wenn diese andauern.

Sollte ein Fall des § 6 Abs. 7 VOB/B nicht vorliegen, weil entweder die Voraussetzungen nicht gegeben sind oder ein BGB-Vertrag vorliegt, ergibt sich eine andere Möglichkeit von dem durch Materialpreiserhöhung defizitär gewordenen Vertrag Abschied zu nehmen.

Erbringt der Auftraggeber notwendige Mitwirkungshandlungen nicht, weil beispielsweise die Vorgewerke nicht pünktlich fertig werden und haben Sie Behinderung angezeigt, so gerät der Auftraggeber in Annahmeverzug.

Sie können dann dem Auftraggeber eine angemessene Frist zur Nachholung der Mitwirkungshandlung setzen, verbunden mit der Erklärung, dass der Vertrag als gekündigt gilt, wenn diese Mitwirkungshandlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen wird.

Der Vertrag gilt dann als aufgehoben, wenn die Nachholung der Mitwirkungshandlung nicht bis zum Ablauf der Frist erfolgt ist (§ 643 BGB).

Ein solches Vorgehen ermöglicht Ihnen eine Verhandlungsposition herzustellen, die weit effektiver ist, als streitigen Nachträgen aus der Schlussrechnung hinterherzulaufen.

Sie können nämlich mit der Androhung der Kündigung eine Verhandlungsgrundlage über neue Preise schaffen oder nach Ausspruch der Kündigung sich entweder aus dem Vertrag verabschieden oder nach Vertragskündigung einen neuen Vertragspreis vereinbaren.

Wie bei jeder Kündigung ist allerdings Vorsicht geboten, denn jeder Kündigung muss eine Einzelfallbetrachtung vorausgehen, sinnvollerweise nach vorangegangener anwaltlicher Beratung.

Erfurt, den 17.05.2021

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