Gerechterer Ausgleich für Geschiedene ab 01.09.2009?!

Unter anderem mit der Formulierung „Gerechter Ausgleich für Geschiedene“ wirbt die Bundesregierung für die Reform des Zugewinnausgleichsrechts. Die Gesetzesänderung ist zusammen mit einer Vielzahl anderer Gesetzesänderungen und neuer Gesetze zum 01.09.2009 in Kraft getreten.

1. Allgemeines zum Zugewinnausgleich

Beim sog. Zugewinnausgleich geht es um die Vermögensauseinandersetzung bei Scheidung einer Ehe.

Soweit die Ehegatten nichts Abweichendes vereinbart haben, gilt auch nach neuem Recht das Grundprinzip, dass bei einer Scheidung jedem Ehegatten von dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen die Hälfte zusteht.

Um den Zugewinnausgleich berechnen zu können, muss nach wie vor für jeden Ehegatten ermittelt werden, was am Anfang und was am Ende der Ehe an Vermögen nach Abzug von Verbindlichkeiten wirtschaftlich vorhanden war bzw. ist.

Der Zugewinn jedes Ehegatten ist der Betrag welcher nach Abzug des Anfangsvermögens vom Endvermögen verbleibt (§ 1373 BGB).

Damit am Ende beide Ehegatten die Hälfte des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens erhalten, wird der Zugewinnausgleich rechnerisch so ermittelt, dass der Ehegatte welcher den höheren Zugewinn erzielt hat von dem Mehrbetrag die Hälfte an den anderen Ehegatten abgeben muss (§ 1378 Abs. 1 BGB).

2. Das neue negative Anfangsvermögen

Bei der Ermittlung des Zugewinnausgleichs waren und sind eine Vielzahl von Besonderheiten zu beachten.

Eine dieser Besonderheiten war nach altem Recht, dass das Anfangsvermögen max. „Null“ betragen konnte.

Dies hat bislang bedeutet, dass soweit ein Ehegatte Schulden mit in die Ehe gebracht hat und darauf während der Ehe Tilgungen erfolgt sind, diese Tilgungen rechnerisch als Zugewinn nicht ausgeglichen wurden.

Diese seit mehr als 100 Jahren geltende Regelung ist aus Sicht des heutigen Gesetzgebers ungerecht. Die bisherige Regelung in § 1374 Abs. 1 BGB wurde entsprechend dahingehend geändert, dass es nunmehr auch ein negatives Anfangsvermögen geben kann.

Mit dieser Änderung wird die - auch nach neuem Recht geltende - sog. Kappungsgrenze, welche nun in § 1378 Abs. 2 Satz 1 BGB geregelt ist und nach welcher die Ausgleichsforderung auf das Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten nach Abzug von dessen Endverbindlichkeiten begrenzt ist, an Bedeutung gewinnen.

Es muss danach niemand fürchten Zugewinn zahlen zu müssen, obwohl er am Ende der Ehezeit nichts hat.

Praktisch relevant wird die Änderung also nur insoweit, als tatsächlich ein positives Endvermögen des ausgleichspflichtigen Ehegatten besteht.

Was die Berechnung der Ausgleichsforderung angeht ist die gesetzliche Neuregelung ohne Frage gerecht.

Ob die Frage nach der Gerechtigkeit nach Durchführung des Ausgleichs noch genauso zu beurteilen wäre, kann anhand der beiden nachfolgenden Beispiele jeder für sich selbst entscheiden:

a) Beispiel 1 (Beispiel des BMJ):

Das BMJ hat zu der Gesetzesänderung zum negativen Anfangsvermögen folgendes Fallbeispiel veröffentlicht:

„Thomas und Regina K. lassen sich nach 20jähriger Ehe scheiden. Thomas K. hatte bei Eheschließung gerade ein Unternehmen gegründet und 30.000 Euro Schulden. Im Verlauf der Ehe erzielte er einen Vermögenszuwachs von 50.000 Euro. Das Endvermögen von Thomas K. beträgt also 20.000 Euro. Seine Frau Regina K. hatte bei Eheschließung keine Schulden und hat ein Endvermögen von 50.000 Euro erzielt. Sie war während der Ehezeit berufstätig und kümmerte sich auch um die Kinder, damit sich ihr Mann seinem Geschäft widmen konnte. Nur so war Thomas K. imstande, seine Schulden zu bezahlen und einen Gewinn zu erzielen.“

Hier ergibt sich folgende Vergleichsberechnung:

Altes Recht Neues Recht
Ehemann
Endvermögen 1.000.000,00 € 1.000.000,00 €
Anfangsvermögen 1.000.000,00 € 1.000.000,00 €
Zugewinn 0,00 € 0,00 €
Ehefrau
Endvermögen 50.000,00 € 50.000,00 €
Anfangsvermögen 0,00 € - 100.000,00 €
Zugewinn 50.000,00 € 150.000,00 €
Ausgleichsforderung
des Ehemanns gegen die Ehefrau 25.000,00 € 50.000,00 €
Verbleibendes Vermögen nach dem Ausgleich
Ehemann 1.025.000,00 € 1.050.000,00 €
Ehefrau 25.000,00 € 0,00 €

Diese Berechnungen erläutert das BMJ wie folgt:

„Bislang musste Regina K. ihrem Mann einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 15.000 Euro zahlen, weil seine Schulden bei Eheschließung unberücksichtigt blieben. Nach neuer Rechtslage, die eine Berücksichtigung des negativen Anfangsvermögens vorsieht, haben Regina und Thomas K. jeweils einen Zugewinn von 50.000 Euro erzielt. Deshalb muss Regina K. keinen Zugewinnausgleich an ihren Mann zahlen.“

b) Beispiel 2 (eigenes Beispiel):

Die Ehefrau hat am Anfang der Ehe 100.000 Euro Schulden. Die Schulden der Ehefrau werden während der Ehe getilgt. Das Endvermögen der Ehefrau beträgt 50.000 Euro. Der Ehemann hat sowohl am Anfang als auch am Ende unverändert ein Vermögen von 1 Mio. Euro.

Es ergibt sich folgende Berechnung des Zugewinnausgleichs.

Altes Recht Neues Recht
Ehemann
Endvermögen 20.000,00 € 20.000,00 €
Anfangsvermögen 0,00 € - 30.000,00 €
Zugewinn 20.000,00 € 50.000,00 €
Ehefrau
Endvermögen 50.000,00 € 50.000,00 €
Anfangsvermögen 0,00 € 0,00 €
Zugewinn 50.000,00 € 50.000,00 €
Ausgleichsforderung
des Ehemanns gegen die Ehefrau 15.000,00 € 0,00 €
Verbleibendes Vermögen nach dem Ausgleich
Ehemann 35.000,00 € 20.000,00 €
Ehefrau 35.000,00 € 50.000,00 €

Die beiden Beispiele zeigen dass das negative Anfangsvermögen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage zu erheblichen Verschiebungen zu Lasten von Ehegatten führt, welche Schulden mit in die Ehe bringen.

In diesen Fällen sind somit jetzt bereits vor der Eheschließung zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse ehevertragliche Regelungen zum Zugewinnausgleich dringend notwendig.

3. Besserer Schutz vor Vermögensmanipulationen
    (Auskunftsansprüche, Beweislastumkehr und Eilrechtsschutz)

Steht eine Scheidung ins Haus und ist Vermögen vorhanden ist die Versuchung – meistens beim ausgleichspflichtigen Ehegatten – groß, ein absehbar unliebsames Ergebnis durch Vermögensmanipulationen zu seinen Gunsten zu beeinflussen.

Welche Vermögensmanipulationen für die Berechnung des Zugewinnausgleichs unbeachtlich sind, regelt wie auch bislang § 1375 Abs. 2 BGB.

Unbeachtlich sind danach insb.

  • unangemessene Schenkungen,
  • die Verschwendung von Vermögen und
  • Handlungen, welche in der Absicht vorgenommen werden, den anderen Ehegatten zu schädigen.

Die Probleme, welche hier in der Praxis nachvollziehbar bestehen sind zum Einen der gerichtsfeste Nachweis von Vermögensmanipulationen und zum anderen die im Einzelfall bestehende Notwendigkeit von gerichtlichen Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung bestehender Zugewinnausgleichsansprüche.

Die Antworten des Gesetzgebers auf diese Probleme sind im Wesentlichen

  • erweiterte und frühzeitigere Auskunftsansprüche,
  • eine Regelung zur Beweislastumkehr sowie
  • erweiterte Möglichkeiten für einen vorzeitigen Zugewinnausgleich.

Wie auch bislang bleibt es gem. § 1384 BGB grundsätzlich dabei, dass im Falle einer Scheidung für die Berechnung des Zugewinnausgleichs der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags maßgeblich ist (=Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Ehegatten durch das Gericht).

Da die Scheidung – abgesehen von Härtefällen – frühestens ein Jahr nach der Trennung möglich ist, haben die Ehegatten nach der Trennung lange genug Zeit Vermögensmanipulationen vorzunehmen.

Deshalb besteht neu ein Auskunftsanspruch bereits bei der Trennung (§ 1379 Abs. 2 BGB n.F.).

Mit diesem Auskunftsanspruch korrespondiert die Neuregelung zur Beweislast-umkehr in § 1375 Abs. 2 Satz 2 BGB n.F., wonach für den Fall, dass das maßgebliche Endvermögen geringer als bei der Trennung ist, nun der betroffene Ehegatte nachweisen muss, dass es sich nicht um eine gesetzlich verbotene Vermögensmanipulation handelt. Dies kann im Einzelfall schwierig werden.

Hier sind die Gerichte gefragt, anhand der gesetzgeberischen Intention die Anforderungen für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung näher zu bestimmen. Da ein Generalverdacht gegen alle in Trennung lebenden Ehegatten fehl am Platz ist, sollten hier nach Überzeugung des Unterfertigten jedenfalls keine überzogen hohen Anforderungen gestellt werden. Es ist zu erwarten, dass sich im Laufe der Zeit hier eine praktikable Kasuistik entwickeln wird.

Die Frage der Beweislastumkehr spielt auch eine Wesentliche Rolle für die Frage, wann ein vorzeitiger Zugewinnausgleich verlangt werden kann, da ein solcher u.a. auch bei Vermögensmanipulationen möglich ist. Während bislang Vermögensmanipulationen nachgewiesen sein mussten, reicht nach der gesetzlichen Neuregelung die Befürchtung u.a. von Manipulationen aus, wenn und soweit daraus eine erhebliche Gefährdung der Erfüllung der Ausgleichsforderung besteht.

Das BMJ gibt dazu folgendes anschauliche Beispiel:

„Sabine K. ist als erfolgreiche Unternehmerin unter anderem Alleineigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung. Diese Eigentumswohnung stellt als Kapitalanlage einen nicht unerheblichen Teil ihres Vermögens dar. Sie will sich von Rolf K., einem erfolglosen Vertreter, scheiden lassen und kündigt ihm unter Zeugen an: Du bekommst von mir nichts. Unmittelbar nach der Trennung inseriert sie die Wohnung zum Verkauf, obwohl dies wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Rolf K. befürchtet nun, dass der Verkauf nur dazu dienen soll, den Erlös beiseite zu schaffen, um ihm keinen Zugewinnausgleich zahlen zu müssen.“

Zur Erläuterung des Beispiels führt das BMJ kurz wie folgt aus:

„Solchen Fällen wird künftig ein Riegel vorgeschoben. Der Ehepartner, dem hier der Schaden droht, kann den Zugewinn leichter vorzeitig geltend machen. Dieses Recht kann er in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren vor Gericht sichern. Damit wird verhindert, dass der andere Ehepartner sein Vermögen ganz oder in Teilen beiseite schafft.“

Im Ergebnis laufen die neuen Schutzregelungen gegen Vermögensmanipulationen darauf hinaus, dass es bei Problemfällen künftig einfacher und frühzeitiger möglich ist, den Zugewinnausgleich durchzusetzen und/oder zu sichern.

Diese Regelungen sind somit – deren Anwendung mit Augenmaß vorausgesetzt – durchweg zu begrüßen.

Praktisch ist es ohnehin so, dass nach einer endgültigen Trennung je nach Ausgangssituation früher oder später die Ehegatten anfangen getrennt zu wirtschaften.

Ist dieser Punkt nach einer Trennung erreicht, empfiehlt es sich, um frühzeitig Klarheit für beide Seiten zu schaffen, nach neuem Recht noch mehr, als nach der bisherigen Rechtslage, eine einvernehmliche Regelung in Form einer sog. Trennungs- und/oder Scheidungsfolgenvereinbarung zu treffen.

4. Fazit

Während die Regelungen zur Verhinderung von Vermögensmanipulationen einen wesentlichen Fortschritt darstellen ist eine zwingende Notwendigkeit für die Neuregelung zum negativen Anfangsvermögen für den Unterfertigten nicht zu erkennen.

Letztere führt vielmehr, wie die obigen Berechnungsbeispiele zeigen zu Verschiebungen, welche – im Gegensatz zu der zuvor über mehr als 100 Jahre bestehenden Regelung, insb. bzgl. der wirtschaftlichen Folgen nach Durchführung des Ausgleichs – nicht abschließend durchdacht zu sein scheinen.

Im Ergebnis bleibt es dabei, dass die gesetzlichen Regelungen auch zum Zugewinnausgleich nicht einfacher geworden sind.

Vielmehr entsteht immer frühzeitigerer Beratungs- und ggf. Handlungsbedarf, sei es im Hinblick auf das negative Anfangsvermögen bereits vor der Eheschließung und/oder bei der Trennung zur Vermeidung von gewollten oder ungewollten Vermögensnachteilen.

Der Unterfertigte hat sich auf das Familienrecht spezialisiert und steht Ihnen nicht nur für Fragen des Zugewinnausgleichs, sondern auch zum Unterhaltsrecht, zu Regelungen welche Kinder betreffen, zum Versorgungsausgleich, zur Scheidung und vielen weiteren familienrechtlichen Fragen jederzeit gerne zur Verfügung.

RA Prescher, 11.09.2009

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