Führt die Abweichung von Herstellervorgaben zu einem Baumangel?

Kommt es zwischen Besteller und Unternehmer zum Streit darüber, ob die Bauleistung mangelhaft ist, so begründet der Besteller die Mangelhaftigkeit vielfach mit dem Hinweis, dass der Unternehmer die Herstellervorgaben nicht eingehalten habe. Damit stellt sich die Frage, ob Herstellervorgaben für die Mangelfreiheit der Bauleistungen relevant sind.

Mit dem Abschluss eines Bauvertrages vereinbaren die Vertragsparteien stillschweigend, dass das vom Unternehmer zu erbringende Werk den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu entsprechen hat. Entspricht das vom Unternehmer hergestellte Werk nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik, so ist es regelmäßig mangelhaft.

Was aber sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik? Unter den allgemein anerkannten Regeln der Technik versteht man technische Regeln oder Verfahrensweisen, die wissenschaftlich fundiert und in der Praxis allgemein bekannt sind und sich aufgrund der damit gemachten Erfahrungen bewährt haben.

Sind also Herstellervorgaben allgemein anerkannte Regeln der Technik? Die Antwort ist grundsätzlich nein. Herstellervorgaben sind nicht per se Bestandteil der allgemein anerkannten Regeln der Technik. Die Abweichung von den Herstellervorgaben stellt daher grundsätzlich keinen Mangel dar.

Auf diesen Grundsatz sollte sich der Unternehmer jedoch nicht verlassen, denn die Nichteinhaltung der Herstellervorgaben führt dann zu einem Mangel, wenn die Herstellervorgaben ausdrücklich Vertragsinhalt geworden sind. Die Nichteinhaltung von Herstellervorgaben führt auch dann zu einem Mangel, wenn diese Vorgaben der Sicherheit und Funktionsfähigkeit der Leistung dienen. Dann geben sie oft auch letztlich die allgemein anerkannten Regeln der Technik wieder.

Im Streitfall kommt es folglich darauf an, ob die Herstellervorgaben Vertragsinhalt wurden oder ob die Herstellervorgaben für die Sicherheit und Funktionsfähigkeit relevant sind und damit letztlich die allgemein anerkannten Regeln der Technik wiedergeben.

Zumindest Letzteres dürfte vielfach der Fall sein, weshalb die Zurückweisung der Mangelhaftigkeit der Leistung durch den Unternehmer bei Verletzung von Herstellervorgaben regelmäßig zu kurz greift (siehe hierzu OLG Hamburg Urteil vom 07.02.2023 4 U 77/21).

RA Raber, 24.05.2024

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