1. Hintergrund
Nicht selten erfährt der rechtliche Vater (= Scheinvater) erst Jahre später, dass ein anderer Mann der biologische Vater des Kindes ist. Bis dahin hat der Scheinvater Monat für Monat Unterhalt für das Kind gezahlt. Der Unterhalt ist in der Regel verbraucht, so dass er vom Kind nicht zurückgeholt werden kann.
In der Höhe, in der der Scheinvater Unterhalt an das Kind gezahlt hat, geht der Anspruch des Kindes auf Unterhalt gegen den biologischen Vater kraft Gesetzes auf den Scheinvater über. Diese übergegangen Unterhaltsansprüche bezeichnet man als sog. Scheinvaterregress. Der Scheinvater kann den biologischen Vater aber nur in Anspruch nehmen, wenn er diesen kennt.
2. Zur Rechtsausübungssperre
Bislang war es bei Weigerung der Mutter für den Scheinvater schwierig bis unmöglich vor einer abgeschlossenen Vaterschaftsfeststellung bzgl. des biologischen Vaters Auskunft zu erhalten. Der BGH führt zu dieser Problematik u.a. folgendes aus:
„Die Rechtsausübungssperre des § 1600d Abs. 4 BGB, wonach die Rechts-wirkungen der Vaterschaft grundsätzlich erst vom Zeitpunkt ihrer Feststellung an geltend gemacht werden können, kann im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes in besonders gelagerten Einzelfällen auf die Weise durchbrochen werden, dass die Vaterschaft inzident festgestellt wird (im Anschluss an die Senatsurteile BGH, 16. April 2008, XII ZR 144/06, BGHZ 176, 327 = FamRZ 2008, 1424 und BGH, 22. Oktober 2008, XII ZR 46/07, FamRZ 2009, 32)“
3. Zum Auskunftsanspruch:
Hier stellt sich folgende Frage:
Hat ein sog. Scheinvater nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung gegen die Mutter des Kindes einen Anspruch auf Auskunft, wer der biologische Vater des Kindes ist?
Der BGH hat diese Frage in Übereinstimmung mit den Vorinstanzen (Amtsgericht und Oberlandesgericht) zutreffend bejaht.
Dies ausgehend von der Logik, dass der Scheinvater seinen zu Unrecht gezahlten Unterhalt vom biologischen Vater nur dann zurückfordern kann, wenn er diesen kennt. Der BGH führt dazu in seinen Leitsätzen u.a. folgendes aus:
„Aus Treu und Glauben ergibt sich grundsätzlich ein Auskunftsanspruch, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der eine Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der andere Teil in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (im Anschluss an die Senatsurteile BGHZ 186, 13 = FamRZ 2011, 21 und vom 7. Mai 2003 - XII ZR 229/00 - FamRZ 2003, 1836). Solches ist auch dann der Fall, wenn der Mann seine Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter anerkannt hatte.
Die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters ihres Kindes berührt zwar das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. In Fällen, in denen die Mutter den Mann zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst hatte, wiegt ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aber regelmäßig nicht stärker, als der Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregresses nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.“
Die BGH-Entscheidung ist insg. zu begrüßen.
Scheinväter können Ihre Ansprüche jetzt effektiver als bisher durchsetzen.
Müttern von Kindern, welche in der Empfängniszeit mit mehreren Männern Geschlechts-verkehr hatten, ist danach grundsätzlich spätestens nach einer erfolgreichen Vaterschafts-anfechtung, zur Auskunftserteilung an den Scheinvater über den tatsächlichen Vater bzw. die Männer, die dafür in Betracht kommen, zu raten.
RA Prescher, 07.02.2012