Unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten weder die EU-Vergaberichtlinien, noch die §§ 97 ff GWB, weshalb ein Primärrechtschutz im Rahmen des sogenannten vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens nicht besteht. Da jedoch auch im Unterschwellenbereich die Grundfreiheiten des europäischen Rechts gelten, gelten auch dort die Mindestanforderungen an die Transparenz des Verfahrens und der Gleichbehandlung der Bieter. (EuGH Urteil vom 20.05.2010- T -258/06)
Schließlich ergibt sich dies aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. GG und dem Transparenzgebot (BVerfG Urteil vom 13.06.2006 - 1 BvR 1160/03)
Damit ist allerdings zugleich definiert, welche Anforderungen an die Qualität von Verstößen zu stellen sind.
Nicht jeder Verstoß, der oberhalb der Schwellenwerte einem Vergabenachprüfungsverfahren unterliegen könnte, ist geeignet die Zivilgerichte im Wege einstweiligen Rechtschutzes unterhalb der Schwellenwerte mit Erfolg zu beschäftigen.
Zu Recht wird daher das Vorliegen von Willkür sowie eines bewusst diskriminierenden Verhaltens des Auftraggebers oder das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Ungleichbehandlung eines Bieters vorausgesetzt. (OLG Hamm Urteil vom 12.02.2008 - 4 U 190/07)
In letzter Zeit scheint sich jedoch verstärkt die Auffassung des OLG Düsseldorf durch zu setzten, wonach grundsätzlich jeder Verstoß einen Unterlassungsanspruch des Betroffenen Bieters aus §§ 241 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB auslöse. (OLG Düsseldorf 13.01.2010- 27 U 1/09).
Auf dieser Linie liegt nunmehr auch eine Entscheidung des OLG Saarbrücken, wonach ein Bieter im vergaberechtlichen Unterschwellenbereich im Wege des Primärrechtschutzes die Unterlassung der Zuschlagserteilung gem. §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2, 280 Abs. 1 i. V. m. 1004 Abs. 1 BGB analog verlangen kann, sodass die gerichtliche Prüfung nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt ist. (OLG Saarbrücken Urteil vom 13.06.2012 - 1 U 357/11)
Sollte sich die vom OLG Düsseldorf vorgegebene Linie durchsetzen, was angesichts der Bedeutung des OLG Düsseldorf nicht unwahrscheinlich ist (Zuständigkeit VK-Bund) so wäre es allerdings nur konsequent, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung auch einem entsprechenden Akteneinsichtsrecht das Wort reden würde, denn ohne Akteneinsicht lässt sich ein Verstoß regelmäßig nicht begründen.
Hier geht die Rechtsprechung jedoch in die genau entgegengesetzte Richtung.
RA Raber, 09.07.2012