Notausgang verschlossen!

Die europäische Kommission hat am 19.06.2015 gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

 

Die Kommission vertritt den Standpunkt, dass die HOAI europäischem Recht widerspricht.

 

Es geht dabei um das Mindestsatzgebot, in dem die Kommission eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 49 EGV bzw. Art. 49 AEUV) sieht.

 

Das BMWi tritt dem entgegen und verteidigt die HOAI.

 

Die Mindestsätze sind ein geeignetes Mittel, um die Qualität von Planungsleistungen zu sichern, die Rechtfertigungsanforderungen der Dienstleistungsrichtlinie sind erfüllt, denn die Mindestsätze garantieren eine verbraucherfreundliche hohe Qualität von Planungsleistungen in Deutschland.

 

Da die Kommission bei ihrer Auffassung geblieben ist muss mit einer Klageerhebung zum EuGH gerechnet werden.

 

Die HOAI steht folglich weiterhin auf dem Prüfstand des Europarechts.

 

Diesen Umstand macht sich derzeit manch Beklagter in einem Honorarrechtsstreit zu Nutze.

 

So forderte beispielsweise die BRD selbst als Beklagte auf Zahlung von Architektenhonorar auf der Grundlage der Mindestsätze nach HOAI in Anspruch genommen die Aussetzung eines Rechtsstreits vor dem OLG Naumburg, bis der EuGH darüber entschieden hat, ob die HOAI überhaupt der Dienstleistungsrichtlinie entspricht.

 

Diesen Notausgang versperrte der beklagten Bundesrepublik das OLG.

 

Es lehnte den Aussetzungsantrag der Beklagten ab.

 

Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Begründung des Aussetzungsantrages durch die Bundesrepublik Deutschland im offensichtlichen Widerspruch zu ihren eigenen Ausführungen gegenüber der Kommission stehen und überdies selbst ein klagestattgebendes Urteil des EuGH lediglich feststellenden Charakter hätte und es somit an den Mitgliedstaaten läge diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, den gerügten Verstoß aus der Welt zu schaffen.

 

Hinzu komme schließlich, dass die Entscheidung des EuGH in die Zukunft gerichtet ist, nicht in die Vergangenheit, sodass derzeit anhängige Honorarrechtsstreitigkeiten vor deutschen Gerichten von einer  zukünftigen, klagestattgebenden Entscheidung des EuGH nicht berührt werden.

 

Die Entscheidung des OLG Naumburgs ist zu begrüßen.

 

Dies nicht schon deshalb, weil sich die Bundesrepublik Deutschland im entschiedenen Fall in Widerspruch zu ihrer eigenen Argumentation gegenüber der EU-Kommission begeben hat.

 

Wenn ein Aussetzungsgrund gemäß § 148 ZPO in einer möglicherweise bevorstehenden Entscheidung des EuGH läge, so käme es nicht darauf an, dass die Bundesrepublik in einem solchen Verfahren nicht die Auffassung der Kommission vertritt, sondern zurecht das Preisrecht der HOAI verteidigt.

 

Allerdings hätte eine Entscheidung des EuGH tatsächlich lediglich feststellenden Charakter und wäre überdies in die Zukunft gerichtet, so dass sie keine Auswirkung auf derzeit anhängige Honorarrechtsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten haben kann.

 

Die Entscheidung des OLG Naumburg hat damit Rechtsklarheit gebracht und den Notausgang des auf Zahlung von Architektenhonorar in Anspruch genommenen Auftraggeber verschlossen.

 

OLG Naumburg, Urteil vom 13.04.2017 1 U 48/11

RA Raber, 13.07.2017

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