Neues Bauvertragsrecht

Die bauvertragliche Praxis hat daher mit der Einbeziehung der VOB/B quasi ein eigenständiges Bauvertragsrecht geschaffen, das den praktischen Bedürfnissen Rechnung trägt.

Dieser Zustand wird sich im Jahre 2016 ändern.

Das Bundesministerium der Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Bauvertragsrechts vorgelegt, der voraussichtlich in diesem Jahr das Gesetzgebungsverfahren durchlaufen wird.

Damit werden spezielle Regelungen für den Bauvertrag, den Verbraucherbauvertrag sowie den Architekten- und Ingenieurvertrag in das Werkvertragsrecht des BGB eingefügt.

Dabei wird das Werkvertragsrecht des BGB zukünftig komplett neu gegliedert, nämlich in die allgemeinen Vorschriften, die für alle folgenden Regelungen Geltung haben, sodann den Bauvertrag, wie er sowohl im B2B-Bereich, als auch im B2C-Bereich Geltung haben wird.

Sodann folgt ein komplettes eigenes Kapitel mit dem Verbraucherbauvertrag, schließlich der Architekten- und Ingenieurvertrag und ebenfalls in einem eigenen Kapitel der Bauträgervertrag.

Die wichtigsten Änderungen sind:

I.Bauvertragsrecht

1.    Änderungsbefugnis
Ähnlich wie §§ 1 Abs. 3 und 1 Abs. 4 VOB/B soll nunmehr auch im BGB-Vertrag der Auftraggeber eine Änderungsbefugnis haben.

Begrenzt wird dieses Änderungsrecht durch die Zumutbarkeit, wobei im Streitfall im Wege einer einstweiligen Verfügung entschieden werden soll.

Preisänderungen, die sich infolge der Änderungsanordnung des Auftraggebers zwangsläufig einstellen, sollen auf der Grundlage der Urkalkulation des Auftragnehmers berechnet werden.

Bedeutung dürfte diese Regelung allenfalls hinsichtlich der Berechnung der geänderten Vergütung haben, da diese der VOB/B angenähert wird.

Es gilt also auch im BGB-Vertrag der alte Grundsatz guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis.

Die Regelung, wonach über die Wirksamkeit einer Anordnung im Wege der einstweiligen Verfügung entschieden werden muss, ist dagegen praxisfremd.

Sie geht davon aus, dass der Auftragnehmer vom Auftraggeber dazu gezwungen werden müsste, Änderungen durchzuführen.

Kein Unternehmer wird Änderungen verweigern, die es ihm ermöglichen Nachträge zu generieren.

Er wird im Gegenteil solche Änderungen sogar empfehlen.

Sollten die Änderungen darauf hinauslaufen, dass sich der Vergütungsanspruch des Unternehmers verringert, so liefe dies auf eine Teilkündigung hinaus.

Der Auftraggeber müsste dann wie bisher auch für den gekündigten Teil der vereinbarte Vergütung zahlen, freilich unter Abzug ersparter Aufwendungen.

2.    Sicherheit
Im Ergebnis richtig ist, die Beschränkung der Bauhandwerkersicherung gem. § 648 a BGB auf 20 % der Auftragssumme, wenn Abschlagszahlungen vereinbart sind.

Wenn bisher mehrere Auftragnehmer gleichzeitig auf die Idee kamen Sicherheit nach § 648 a in voller Höhe vom Auftraggeber zu verlangen, so war dessen Avalrahmen sehr schnell gesprengt, sodass zwangsläufig Stillstand auf der Baustelle eintrat.

Die nunmehr vorgesehene Regelung, nämlich Begrenzung auf 20 % ist daher sinnvoll und wurde im Übrigen in der Praxis zumindest dann bereits gelebt, wenn beide Vertragsparteien am Vertrag festhalten wollten.

3.    Abnahme
Einen erneuten Vorstoß nimmt der Entwurf zur Vermeidung unberechtigter Abnahmeverweigerungen.

Eingeführt wird daher die fiktive Abnahme, also der Eintritt der Abnahmewirkungen nach Fertigstellungsmitteilung und Fristsetzung durch den Unternehmer.

Über die Rechtsfolgen muss im Verbraucher- Werkvertrag allerdings informiert werden.

Reagiert der Auftraggeber nicht oder benennt er keine wesentlichen Mängel, so gilt die Werkleistung auch dann als abgenommen, wenn tatsächlich wesentliche Mängel vorliegen.

Verweigert der Besteller die Abnahme unter Angabe von Mängeln, so kann der Unternehmer eine Zustandsfeststellung fordern.

Offen bleibt, was dabei herauskommen soll und was geschieht, wenn der Auftraggeber die Mitwirkung bei der Zustandsfeststellung unterlässt.

4.    Verbraucherschutz
Wesentlicher Schwerpunkt des Referentenentwurfes ist die Stärkung des Verbraucherschutzes.

Eine der misslichsten Kritikpunkte in der Vergangenheit war die Qualität der Bau- und Leistungsbeschreibungen.

Zahlreiche Anbieter vermieden konkrete Angaben und beließen es bei schwammigen und lückenhaften Darstellungen.

An ihre Stelle traten Bilder glücklicher Familien im sonnendurchfluteten Eigenheim.

Diese Vorgehensweise ermöglichte es, diesen Anbietern zu günstigen Preisen anzubieten und während der Durchführung des Bauvorhabens infolge unklarer Leistungsbeschreibung Nachträge zu generieren, dass manchen Bauherren Hören und Sehen verging.

Stritten die Parteien anschließend über eine verspätete Fertigstellung, so waren hieran die Nachträge des Bauherrn schuld.

Stritten sie hinterher über Mängel, so gab es zumindest keine konkrete Beschaffenheitsvereinbarung, auf die sich ein Bauherr hätte berufen können.

Oft musste die Rechtsprechung korrigierend eingreifen, wenn beispielsweise Bauherren im Jahre 2015 in solchen Fällen auf das Minimum der allgemein anerkannten Regeln der Technik verwiesen werden sollten, beispielsweise der völlig überholten DIN 4109 (Schallschutz).

Der Referentenentwurf greift dieses Problem nunmehr endlich auf.

Zukünftig ist der Unternehmer verpflichtet, eine Baubeschreibung mit gesetzlich definiertem Mindestinhalt vorzulegen.

Der zukünftige § 650 i BGB verweist auf Artikel 249 EGBGB.

Dort findet man unter § 2 den Inhalt der Baubeschreibung, in der folgende Informationen mindestens enthalten sein müssen:

-    allgemeine Beschreibung des herzustellenden Gebäudes oder der vorzunehmenden Umbauten ggf. Haustyp und Bauweise
-    Art und Umfang der angebotenen Leistungen, ggf. der Planung und Bauleitung, der Arbeiten am Grundstück und der Baustelleneinrichtung sowie der Ausbaustufe
-    Gebäudedaten, Pläne mit Raum- und Flächenangaben sowie Ansichten, Grundrisse und Schnitte
-    Ggf. Angaben zum Energie- und Schallschutzstandard sowie zur Bauphysik
-    Angaben zur Beschreibung der Baukonstruktion aller wesentlichen Gewerke
-    Ggf. Beschreibung des Innenausbaus
-    Ggf. Beschreibung der haustechnischen Anlagen
-    Angaben zur Qualitätsmerkmalen, denen das Gebäude oder Umbau genügen muss
-    Ggf. Beschreibung der Sanitärobjekte, der Armarturen, der Elektroanlage, der Installationen, der Informationstechnologie und der Außenanlagen

Des Weiteren muss die Baubeschreibung zukünftig verbindliche Angaben zum Zeitpunkt der Vollendung des Werkes enthalten.

Steht der Beginn noch nicht fest, muss die Dauer angegeben werden.

Auf diese Weise wird dem Besteller zukünftig eine verlässliche Planung ermöglicht, sachverständige Dritte sind in die Lage versetzt den Bauvertragsinhalt zu prüfen.

Die Pflicht zur Baubeschreibung besteht freilich nur bei Abschluss eines klassischen Hausbauvertrages.

Erfolgt der Bau unter Einschaltung eines Architekten, so gelten die Regelungen zur Baubeschreibung nicht, da dann der Bauherr selbst durch seinen Architekten die Planung vorgibt.

Was passiert allerdings, wenn sich der Bauunternehmer nicht an die Regelung hält und die Baubeschreibung unvollständig, unklar oder unverständlich ist?

In diesem Fall soll der Vertrag unter Berücksichtigung sämtlicher vertragsbegleitender Umstände, insbesondere des Komfort- und Qualitätsstandards nach der übrigen Leistungsbeschreibung ergänzend ausgelegt werden.

Kommen mehrere Auslegungsmöglichkeiten in Betracht, ist die für den Verbraucher günstigste Auslegung maßgeblich.

Bei zukünftigen Streitigkeiten über das Bausoll wird daher ein Sachverständiger darüber befinden müssen, welche (unklar beschriebenen) Fenster eingebaut werden müssten, wenn sich der übrige Leistungsumfang klar ergibt.

Man könnte versucht sein, dem Unternehmer vor diesem Hintergrund den Tipp zu geben, alles unklar zu lassen.

5.    Abschläge
Erfreulich ist eine weitere Änderung zur Stärkung des Verbraucherschutzes, nämlich die Einführung einer Obergrenze für die Summe der Abschlagszahlungen.

Diese beträgt zukünftig 90 %.

Dem Bauherrn bleibt daher bis zur Schlusszahlung nach Abnahme eine Reserve von 10 % und die ihm ohnehin zustehende Sicherheit nach dem jetzigen § 632 a BGB in Höhe von 5 %, die er entweder einbehalten hat oder über die ihm eine Bürgschaft vorliegt.

6.    Widerrufsmöglichkeiten

Schließlich werden Widerrufsmöglichkeiten und Sonderkündigungsrechte für Verbraucher eingeführt.

II.Architekten- und Ingenieurvertrag

Erstmals wird ein eigenständiges Werkvertragsrecht für Architekten- und Ingenieurverträge geschaffen, das zwei bedeutende Regelungen enthält.

1.
In der Vergangenheit ließ sich der Architekt aufgrund des von ihm verwendeten Mustervertrages regelmäßig von vornherein mit den Leistungsphasen 1-8 (selten Leistungsphase 9) beauftragen oder stufenweise zunächst mit den Leistungsphasen 1 bis 4 und nach Vorlage der Genehmigung mit den Leistungsphasen 5 bis 8.

Ergab sich für den Bauherrn im Rahmen der Vorplanung oder spätestens der Entwurfsplanung, dass er mit dem Architekten nicht zurecht kam oder für das vorgesehene Bauvorhaben keine Finanzierung zu bekommen war, so blieb ihm nur der Weg der Kündigung des Architektenvertrages mit der Folge, dass er die Leistungsphasen 1 bis 4 oder noch schlimmer die Leistungsphasen 1 bis 8 bezahlen musste unter Abzug eines nur geringen Betrages ersparter Aufwendungen.

Der Referentenentwurf sieht ein „Zwei-Phasen-Modell“ vor.

In der ersten sog. Zielfindungsphase soll der Planer lediglich Planungs- und Beratungsleitungen schulden, die dazu dienen, den endgültigen Planungsinhalt zu klären.

Nach dieser Zielfindungsphase steht dem Bauherrn ein zeitlich befristetes Sonderkündigungsrecht zu, sodass er sich vom Architekten trennen kann, wenn die Zielfindungsphase nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt hat.

Der Bauherr zahlt dann die Aufwendungen des Architekten in der Zielfindungsphase, keine darüber hinausgehenden Kosten.

Mit der Umsetzung des Entwurfes ins BGB dürften entsprechende Folgen für die HOAI verbunden sein.

2.
Der Referentenentwurf greift auch einen weiteren Punkt auf, der so manchen Architekten jegliche Freude an seinem Beruf nimmt.

Gemeint ist die Architektenhaftung.

Im Mängelprozess gegen Planer und ausführenden Unternehmen haften beide als Gesamtschuldner, jedoch richtet sich das Hauptinteresse des Auftraggebers regelmäßig auf den Architekten, da dieser haftpflichtversichert ist.

Zukünftig soll die Inanspruchnahme des Architekten im Rahmen der gesamtschuldnerischen Haftung neben dem ausführenden Unternehmer erst dann zulässig sein, wenn der Bauherr zunächst das bauausführende Unternehmen fruchtlos zur Mangelbeseitigung aufgefordert hat.

Wesentliche Änderungen wird dies freilich nicht zur Folge haben, da jeder prozessualen Inanspruchnahme regelmäßig eine außergerichtliche Mängelbeseitigungsaufforderung vorangeht.

III.Bauträgervertragsrecht

Überraschend dürftig bleiben die vorgesehenen Änderungen im Bereich des Bauträgervertragsrechts.

Der Entwurf regelt, was auch bisher schon bekannt war, dass der Bauträgervertrag sowohl werkvertragliche, als auch kaufrechtliche Pflichten enthält.

Des Weiteren wird geregelt, dass die Baubeschreibung nach Artikel 249 EGBGB bereits bei Aufnahme der Vertragsverhandlungen zu übergeben ist.

Dies führt im Ergebnis zwar dazu, dass der Käufer etwas mehr Zeit hat, die Baubeschreibung zu prüfen, bevor der Bauträgervertrag beurkundet wird, ändert jedoch nichts am grundlegenden Problem des Bauträgervertrages.

Dieses besteht darin, dass nicht der Käufer, sondern der Bauträger bis zur vollständigen Vertragserfüllung des Käufers Eigentümer des Grundes bleibt, mit allen sich daraus ergebenden bösen Folgen im Falle der Insolvenz des Bauträgers.

Hier hat es an vernünftigen Vorschlägen, insbesondere der Verbraucherschutzverbände nicht gemangelt, sodass zu hoffen ist, dass noch Nachbesserungen bis zur Gesetzesreife erfolgen.

IV.Baustofflieferanten

Der Referentenentwurf passt das Recht der kaufrechtlichen Mängelhaftung an die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes an.

Der Bauunternehmer, der mangelhaftes Baumaterial gekauft und eingebaut hat, haftet hierfür gegenüber dem Auftraggeber.

Künftig ist ihm der Regress beim Baustofflieferanten auch im Hinblick auf die anfallenden Aus- und Einbaukosten möglich.

Eine Haftungsschere wird hierdurch gleichwohl nicht verhindert, denn der Baustofflieferant hat seine Gewährleistung regelmäßig zulässigerweise auf ein Jahr beschränkt (B2B), der Bauunternehmer haftet gegenüber seinem Auftraggeber fünf Jahre.

Hinzu kommt noch, dass die Haftung des Lieferanten mit der Übergabe des Baumaterials an den Bauunternehmer beginnt, wohingegen dessen Haftung im Rahmen der Gewährleistung erst mit der Abnahme ihren Anfang findet

Die Verbesserung greift daher nur in jenen Fällen, in denen der Mangel innerhalb der Gewährleistungszeit gerügt wird, die im Vertragsverhältnis zwischen Baustofflieferant und Unternehmer gilt.

Auch in diesem Zeitraum jedoch wird der Unternehmer mit zulässigen Haftungsbeschränkungen leben müssen.

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FAZIT    

Mit der Umsetzung des Referentenentwurfs im Laufe dieses Jahres findet eines der wichtigsten Gesetzgebungsvorhaben der vergangenen Jahre statt.

Die Auswirkungen sind beträchtlich.

Sie betreffen praktisch alle Baubeteiligten mit weitreichenden Folgen für die Bauvertragsgestaltung, verbraucherschutzbedingter Hinweispflichten, den Baukosten und deren Kalkulation, Verzugsrisiken und vieles mehr.

Bereits jetzt ist die Reform des Werkvertragsrechts mit schwerwiegenden Eingriffen in das Kaufrecht verbunden, ebenso schwerwiegende Folgen sind für VOB/B, MaBV und HOAI zu erwarten.

Es bleibt also spannend.

RA Raber, 05.01.2016

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