Gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Werkunternehmer bei Verstößen gegen die EnEV

Sachverhalt:
Das OLG Düsseldorf entschied am 23.10.2015 über einen Schadensersatzanspruch der Bauherren gegen den Fenster-/Türen-/Rollladenbauer, den Heizungs-/Sanitär-/Elektro-/Lüftungsbauer und den Trockenbauer wegen Undichtigkeiten ihres Neubaus.

Der geltend gemachte Anspruch bezog sich auf die im Zuge der Mangelbeseitigungsarbeiten entstandenen Kosten für die mehrfache Durchführung von BlowerDoor-Tests.

Hintergrund war, dass sich im Zuge der Bauerrichtung herausstellte, dass bei dem errichteten Gebäude die Gebäudehülle nicht dauerhaft luftundurchlässig abgedichtet wurde und damit die Vorgaben aus § 6 EnEV (2007) nicht eingehalten worden sind.

Das Gericht gab der Klage der Bauherren statt.

Es begründete seine Entscheidung damit, dass auch dann, wenn die Parteien keine ausdrückliche vertragliche Erwähnung vorgenommen haben, die Anforderungen der EnEV zur Sollbeschaffenheit einer Werkleistung gehören.

Dass alle drei höchst unterschiedlichen Gewerke als Gesamtschuldner einstehen müssen, begründet das Gericht mit einer Zweckgemeinschaft aller drei Gewerke, die im Rahmen einer einheitlichen Bauleistung einen einheitlichen Erfolg schulden.

Kommentierung:
Interessant ist die Entscheidung im Hinblick auf zwei Aspekte, nämlich, dass die EnEV die Sollbeschaffenheit der Werkleistung bestimmt und zum anderen, dass höchst unterschiedliche Gewerke eine Zweckgemeinschaft bilden und damit gesamtschuldnerisch für einen werkvertraglichen Erfolg haften.

Bei näherer Betrachtung ergibt sich, dass die Entscheidung des OLG Düsseldorf höchst fragwürdig ist.

1.
Maßgeblich für den geschuldeten werkvertraglichen Erfolg ist, was die Parteien vereinbart haben, im Übrigen die allgemein anerkannten Regeln der Technik.

Bei den Vorgaben der EnEV handelt es sich nicht um anerkannte Regeln der Technik, denn die EnEV als öffentlich rechtliche Vorschrift verfolgt ausschließlich den Zweck, die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung umzusetzen.

Sie gibt hingegen nicht in einer in der Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannten Weise vor, wie ein bauvertraglicher Erfolg zu erzielen ist.

Kritische Stimmen sind sogar der Auffassung, dass das Gegenteil der Fall ist.

Vielfach wird bereits die Grundlage für alle Einsparberechnungen nach der EnEV, nämlich der U-Wert für falsch gehalten.

Desweiteren negiert die EnEV den solaren Energiegewinn und benachteiligt dadurch massive Gebäudekonstruktionen.

Infolge der EnEV werden die Gebäudehüllen zu dicht, so dass die Gefahr der Schimmelbildung steigt.

Zweifel bestehen an der Richtigkeit der Einsparberechnungen.

Ein Architekt, der zum einen den allgemein anerkannten Regeln der Technik verpflichtet ist, zum anderen die Vorgaben der EnEV einhalten muss, gerät folglich vielfach in einen Widerspruch.

Umso kühner ist die Annahme des OLG Düsseldorf, die Energieeinsparverordnung gehöre zur Sollbeschaffenheit einer Werkleistung.

2.
Ebenso fragwürdig ist die Annahme einer Zweckgemeinschaft.

Die einzelnen beklagten Unternehmen hatten Leistungen aus ganz unterschiedlichen Gewerken zu erbringen.

Sie schuldeten gegenüber den Bauherren nicht dieselbe Leistung.

Der BGH lehnt daher eine Erfüllungsgemeinschaft mehrerer Werkunternehmer, die damit begründet wird, es sei von einer Vielzahl von Unternehmen eine durch den funktionalen Erfolg definierte einheitliche Bauleistung zu erbringen, ab (BGHZ 174, 110).

Fazit:

Ist die Luftdichtheit des Gebäudes nicht gewährleistet, so liegt zweifelsohne ein Mangel vor.

Dies allerdings nicht deshalb, weil ein Verstoß gegen die EnEV vorliegt, sondern Fehler in der Ausführung und damit ein Verstoß gegen die allgemein anerkannten Regeln der Technik.

In diesem Fall ist es Aufgabe des Gerichts und des von ihm eingesetzten Sachverständigen, zu prüfen, welcher Baubeteiligter hierfür die Ursache gesetzt hat.

Gelingt es dem Sachverständigen nicht, den Verursacher zu finden, so trägt die Folgen der Nichterweislichkeit nach Abnahme der Bauherr.

Es besteht keinerlei Veranlassung, mehrere, nicht auf der Primärebene in einem Leistungszusammenhang stehende Gewerke in Sippenhaft zu nehmen.

RA Raber, 29.03.2016 (OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.10.2015 – I-22 U 57/15)

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