Der gestörte Bauablauf

Einleitung 
Der gestörte Bauablauf ist in den vergangenen Jahren zu einem immer größeren Streitpotential geworden.
 
Ursächlich hierfür ist, dass die Bauzeiten und die kalkulierten Pufferzeiten immer geringer geworden sind. Zugleich haben sich die Gewinnmargen deutlich reduziert.
 
Die Geschwindigkeit in der Bauausführung hat demgegenüber erheblich zugenommen, sodass technisch notwendige Begebenheiten oft nicht mehr ausreichend berücksichtigt werden können
 
Ein weiterer wesentlicher Grund besteht darin, dass häufig baubegleitend geplant wird.
 
Gerade bei großen Bauvorhaben führen Nutzerwünsche sowie technisch notwendige Umplanungen zu Änderungen des Leistungsinhalts, zu Zusatzleistungen oder auch Mehrmengen.
 
Nicht selten kommt es zu Verzögerungen, beispielsweise durch Verschiebung der Ausführungszeiträume, teilweise auch im Rahmen eines Vergabeverfahrens.
 
All dies steht einer, der Kenntnis der späteren Störung vorangegangenen Kalkulation des Auftragnehmers gegenüber, die mit Eintritt der Störung ins Wanken gerät und den errechneten Gewinn abzuschmelzen droht, vielleicht auch Verlusten führt.
 
Wer im Falle von Störungen des Bauablaufs Nachträge gegen den Auftraggeber durchsetzen will, muss bereits während des Bauablaufs, nicht erst im Streit um die Schlussrechnung, einiges beachten.
 
Damit beschäftigt sich diese Ausgabe der Infopost unserer Kanzlei.
 
I. Grundsätzliches
 
Bauablaufstörungen können verschiedene Ursachen haben. Schließlich kann die Ursache sowohl in der Sphäre des Auftragnehmers, des Auftraggebers, als auch Dritten liegen.
 
So fallen Störungen in der Sphäre des Auftraggebers regelmäßig bei Leistungsmehrungen, Leistungsänderungen, Zusatzleistungen oder Behinderungen an.
 
Störungen, die der Auftragnehmer zu vertreten hat, resultieren im Wesentlichen aus Verzug und Mängeln vor Abnahme.
 
Mögliche Nachträge Ihrerseits als Auftragnehmer sind daher denkbar bei:
 
-Leistungsmehrungen gem. 2 III VOB/B
-Leistungsänderungen gem. 2 V VOB/B
-Zusatzleistungen gem. 2 VI VOB/B
-Behinderungen gem. 6 VI VOB/B und 642 BGB.
 
So unterschiedlich die genannten Rechtsquellen sind, so unterschiedlich sind auch die Rechtsfolgen.
Die VOB/B wird ganz wesentlich dadurch geprägt, dass es dem Auftraggeber überlassen bleibt, Änderungen und im Vertrag nicht vorgesehene Leistungen anzuordnen.
 
Diesem einseitigen Anordnungsrecht steht ein entsprechender Vergütungsanspruch des Auftragnehmers gegenüber (2III, 2V, 2VI VOB/B).
 
Es handelt sich dabei um Vergütungsansprüche, die auf der Basis der kalkulatorischen Grundlagen zu ermitteln sind, wohingegen Ansprüche aus Behinderung gem. § 6 VOB/B Schadensersatzansprüche sind, die zum einen ein Verschulden des Auftraggebers voraussetzen, zum anderen ausnahmslos konkret ermittelt werden müssen.
 
Hinzu kommt, dass bereits vor Geltendmachung des jeweiligen Anspruchs bestimmte Voraussetzungen zu beachten sind, die darüber entscheiden, ob der Anspruch später in der Schlussrechnung mit Erfolg geltend gemacht werden kann oder nicht.
 
II. Vergütungsansprüche
 
Es liegt auf der Hand, dass sowohl Mengenänderungen, als auch Änderungen des Bauentwurfs oder sonstige Anordnungen und schließlich die Anordnung im Vertrag nicht vorgesehener Leistungen (Zusatzleistungen),dazu führen können, meist zwangsläufig müssen, dass sich die Bauzeit verlängert.
 
Aus diesem Grund stehen die Ihnen zustehenden vertraglichen Ansprüche gem. § 2 VOB, als Mengenmehrung, Änderung oder Zusatzleistung nicht nur in Zusammenhang mit einer neuen Preisermittlung, sondern haben unmittelbare Folgen für die Bauzeit und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen.
 
Eine Verlängerung der Bauzeit ist regelmäßig mit höheren Kosten verbunden, denn die Bauzeit ist eine der wichtigsten Grundlagen der Kalkulation, da sich Personal- und Baustellenkosten in erheblichem Umfang linear zur Bauzeit erhöhen. Hier sind die Baustellen-Gemeinkosten zu berücksichtigen. Dazu gehören beispielsweise Gerätekosten (Vorhaltekosten), Transportkosten, Baustelleneinrichtung (längere Vorhaltung der Container, Ausweise und Unterkunft), das vorgehaltene Personal etc.
 
Ebenso können sich die allgemeinen Geschäftskosten erhöhen.
 
Bei der Kalkulation eines Nachtragsangebotes ist daher neben der geänderten Menge, der Änderung des Bauentwurfs oder der zusätzlichen Leistung und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen immer auch die Folge für die Bauzeit zu berücksichtigen, die wesentliche Komponente der Kalkulation des ursprünglichen Einheits- oder auch Pauschalpreises war.
 
1. Mengenänderungen
 
Mengenänderungen regelt § 2 III VOB, allerdings ausnahmslos für den Einheitspreisvertrag.
 
Es geht dabei ausschließlich um die Mengen, nicht um Leistungsänderungen oder Zusatzleistungen.
 
Dies ist wichtig, denn. § 2 III VOB regelt ein Quorum, welches sowohl bei Änderungen, als auch bei Zusatzleistungen keine Rolle spielt, nämlich die 10% Grenze.
 
Nach § 2 III VOB finden Mehr- oder Minderkosten keine Berücksichtigung, soweit die Abweichung unter 10% liegt.
 
Dies hat zur Folge, dass Mengenüberschreitungen erst ab 110% und auch nur insoweit zu einem neuen Preis führen, während die Mengen bis 110% zum alten Preis auszuführen sind.
 
Bei der Ermittlung des neuen Preises ist die Altkalkulation offenzulegen, also die einzelnen Preisansätze zu benennen und auf dieser Basis der neue Preis zu berechnen.
 
Im Regelfall wird der Auftraggeber Mengenüberschreitungen zum Anlass nehmen, eine Neukalkulation des Einheitspreises zu verlangen, da er von einem günstigeren EK, infolge der Mengenüberschreitung zugunsten des Auftraggebers ausgeht.
 
Umso wichtiger ist es, dass Sie als Auftragnehmer die mit der Mengenmehrung verbundene Bauzeitverlängerung diesem Begehren des Auftraggebers entgegenhalten.
 
So haben beispielsweise Materialmengenerhöhungen regelmäßig längere Lieferfristen zur Folge.
 
Ebenfalls kann sich durch Mengenüberschreitungen der notwendige Personaleinsatz erhöhen.
 
Auch müssen Ihrerseits Baustellengemeinkosten und AGK vor dem Hintergrund der Mengenerhöhung möglicherweise neu kalkuliert werden.
 
Sofern eine Bauzeitverlängerung die Folge einer Mengenüberschreitung ist, muss der Auftraggeber durch Sie zwingend, rechtzeitig und schriftlich darauf hingewiesen werden, dass dies als Folge der Mengenerhöhung eintritt, wenn Sie darauf bezügliche Ansprüche durchsetzen und Verzugsansprüchen des Auftraggebers aus dem Wege gehen wollen.
 
Anders verhält es sich bei Mengenunterschreitungen. Diese führen, sobald eine 90% der Vertragsmenge unterschreitende Menge gegeben ist, dazu, dass Sie berechtigt sind, einen komplett neuen Einheitspreis verlangen zu können.
 
Grund hierfür ist, dass Sie die benannten AGK und Baustellengemeinkosten vor Vertragsabschluss auf 100% der ausgeschriebenen Menge umgelegt haben, weshalb die Mengenreduzierung sofort dazu führt, dass AGK und Baustellengemeinkosten eine Unterdeckung aufweisen.
 
Allerdings bekommen Sie einen auskömmlichen Einheitspreis nur dann, wenn Sie nachweisen können, dass sich kein Ausgleich auf einem anderen Weg, z. B. Erhöhung anderer Ordnungspositionen, ergibt.
 
Erhalten Sie als Ausgleich für die Mengenminderung in anderen Ordnungspositionen Mehrmengen oder Nachträge, so müssen Sie diese bei der Berechnung zu Ihrem Lasten berücksichtigen.
 
Man sollte sich daher bei der Berechnung von Mindermengen-Zuschlägen vorher genau überlegen, ob es sich wirklich lohnt, denn nicht selten werden Eigentore geschossen.
 
An dieser Stelle kann nicht oft genug betont werden, dass eine ursprünglich fehlerhafte Kalkulation nicht durch Vergütungsansprüche nach § 2 VOB korrigiert werden kann, denn
 
          "Guter Preis bleibt guter Preis und schlechter Preis bleibt schlechter Preis!"
 
Was den Bauablauf anbetrifft, so haben Mengenminderungen in der Regel ohnedies keine Folgen, da sie regelmäßig nicht mit einer Bauzeitverlängerung verbunden sind.
 
Relevant bleibt für Sie daher § 2 III VOB im Rahmen von Mengenüberschreitungen für die Bauzeitverlängerung.
 
2. Leistungsänderungen gem. § 2 V VOB
 
Werden durch Änderungen des Bauentwurfs oder anderer Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr-oder Minderkosten zu vereinbaren.
 
Problematisch ist dabei regelmäßig, ob eine Leistungsänderung des Auftraggebers tatsächlich vorliegt. Während Sie als Auftragnehmer versuchen werden, Vergütungsansprüche auf der Grundlage einer Leistungsänderung durchzusetzen, wird der Auftraggeber dies regelmäßig in Abrede stellen, so dass allenfalls ein weit schwieriger durchzusetzender Schadensersatzanspruch gem. § 6 VI VOB in Betracht kommt.
 
Dementsprechend umfangreich ist die Rechtsprechung zur Abgrenzung zwischen einer Anordnung des Auftraggebers einerseits und einer Verschiebung der Bauzeit infolge Behinderung andererseits.
 
Da die Voraussetzungen gänzlich unterschiedlich sind, wird Ihnen eine spätere Klage im Streitfall, die alleine auf § 2 V VOB abstellt, regelmäßig als unsubstantiiert abgewiesen.
 
§ 2 V VOB kommt nur dann in Betracht, wenn eine im Vertrag vorgesehene Leistung nach Vertragsabschluss durch eine Anordnung oder Änderung des Bauentwurfs geändert wird, das heißt der ursprüngliche Leistungsinhalt durch eine Anordnung des Auftraggebers/Bauherrn geändert wird, beispielsweise das Material, die Geräte oder der Personaleinsatz. Darunter fallen:
 
-Planungsänderungen
-Ausführungsänderungen
-Einflussnahme des Auftraggebers auf das Wahlrecht des Auftragnehmers hinsichtlich
 unterschiedlicher Ausführungsmöglichkeiten
-Anordnungen des Auftraggebers das Bauvorhaben zu einem anderen Zeitpunkt, möglicherweise
 verschoben in die Winterzeit auszuführen
-die Beschleunigungsanordnung des Auftraggebers.
 
Es bedarf also immer einer Anordnung des Auftraggebers mit der Folge, dass bloße Erschwernisse, die sich während der Bauausführung zeigen und die ohne Einwirkung des Auftraggebers entstanden sind, keine Anordnung darstellen.
 
Dies gilt selbst dann, wenn sich bei Bauausführung herausstellt, dass höhere Anforderungen notwendig sind.
 
So trifft den Auftraggeber vor Abgabe seines Angebotes die Obliegenheit, sich nach den Einzelheiten der geplanten Bauausführung zu erkundigen.
 
Alles was Sie vor und bei Vertragsabschluss anhand der Vertragsunterlagen erkennen konnten, ist Vertragsinhalt und nicht Gegenstand späterer Anordnungen.
 
Wer also beispielsweise bei Angebotsabgabe übersieht, dass im Vertragstext auf ein Baugrundgutachten Bezug genommen wird, welches erhöhte Anforderungen an den Baugrund stellt, kann die ihm entstehenden Mehrkosten für Gründung, Bauwerksabdichtung etc. nicht gem. § 2 V VOB vom Auftraggeber/Bauherrn verlangen, er hat sich verkalkuliert.
 
Ein typischer Fall der Leistungsänderung gem. § 2 V VOB ist die Beschleunigungsanordnung.
 
Grundlage der Kalkulation ist eine bestimmte Bauzeit.
 
Wird diese durch eine Leistungsänderung abgeändert, insbesondere verkürzt, so ist damit insbesondere ein Mehrpersonaleinsatz verbunden, sodass der Preis neu kalkuliert werden muss. Allerdings stellt nicht jede Anordnung des Auftraggebers eine Beschleunigungsanordnung dar.
 
So, ist die Aufforderung des Auftraggebers die Baustelle mit ausreichend Personal zu besetzen, keine Beschleunigungsanordnung, sondern eine Inverzugsetzung des Auftragnehmers.
 
Im Fall einer echten Beschleunigungsanordnung empfiehlt es sich nicht nur die Beschleunigungsvergütung selbst, sondern auch die Eckdaten der zusätzlich auszuführenden Leistung und neue Fertigstellungsfristen schriftlich zu fixieren. Wichtig ist, dass ein Dritter in der Lage ist, die Beschleunigungsanordnung inhaltlich nachzuprüfen. 
 
Hierzu gehört es auch, dass die Leistungen der Beschleunigungsanordnung in den durchgeführten Zeiträumen genau im Bautagebuch dokumentiert werden.
 
Ist die Beschleunigungsanordnung eher selten, so kommt es umso häufiger zu Verschiebungen des Ausführungszeitraums seitens des Auftraggebers/Bauherrn.
 
Dies kann wesentliche Folgen haben, beispielsweise dann, wenn die Ausführungszeit in eine andere Jahreszeit fällt. In jedem Fall liegt eine Anordnung dann vor, wenn der Auftraggeber, bedingt durch Planungsänderungen ausdrücklich einen späteren Baubeginn anordnet.
 
In den meisten Fällen geschieht die Verschiebung des Ausführungszeitraums eher stillschweigend, das heißt ohne ausdrückliche Anordnung, einfach deshalb, weil andere Gewerke aus welchen Gründen auch immer im Zeitplan zurück geblieben sind.
 
Es liegt nahe in einem solchen Fall von einer stillschweigenden Anordnung auszugehen, zumindest dann, wenn die Verzögerung in die Sphäre des Auftraggebers fällt.
 
Allerdings ist Vorsicht angebracht.
 
Kommt es im Rahmen eines Vergabeverfahrens zu einer Verzögerung bei der Zuschlagserteilung, so stößt der Auftragnehmer auf eine sehr restriktive Rechtsprechung des BGH.
 
Dies führt zu einem Vergütungsanspruch gem. § 2 V VOB nur dann, wenn die verzögerte Vergabe eine Änderung der Leistungspflichten oder eine Bauzeitverschiebung mit Mehrkosten zur Folge hat (BGH BauR 2009,1901ff).
 
Ganz generell lässt sich für die Auswirkungen der Leistungsänderung auf die Bauzeit sagen, dass nicht jede Mengenmehrung auch zwangsläufig zu einer Bauzeitverlängerung führt.
 
Grundsätzlich ist zwar ohne weiteres nachvollziehbar, dass eine Leistungsänderung, wonach anstatt 10000 cbm Erdaushub 100000 cbm abtransportiert werden sollen, Auswirkungen auf die Ausführungszeit hat. Nachvollziehbar ist weiterhin, dass sich bei einem Materialwechsel Verzögerungen durch Lieferfristen ergeben.
 
Wenn allerdings der Materialwechsel weit vor Beginn des Bauvorhabens angeordnet wird, kann er folgenlos bleiben.
 
Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, sollte daher Klartext gesprochen werden.
 
Sie sollten daher in jedem Fall unverzüglich eine schriftliche Mehrkostenanzeige machen.
Darin muss zum einen auf die Bauzeitverlängerung hingewiesen werden, zum anderen auf die Kosten, die daraus entstehen und dass ein Nachtrag erfolgen wird.
 
Häufig entstehen Streitigkeiten daraus, weil gerade keine rechtzeitige Mehrkostenanzeige erfolgt.
 
Die Mehrkostenanzeige gibt dem Auftraggeber/Bauherrn die Möglichkeit rechtzeitig darüber nachzudenken, ob er die Leistungsänderung tatsächlich will.
 
Wichtig ist dies darüber hinaus im Interesse aller am Bau innerhalb der in der Vertragskette Beteiligten.
 
3. Zusatzleistungen
 
Zusatzleistungen sind Leistungen, die im Vertrag nicht vorgesehen sind.
 
Der erste Blick geht daher ins Leistungsverzeichnis, der zweite bei Unklarheiten in die VOB/C.
 
Dort findet sich zu den allgemeinen technischen Vertragsbedingungen (ATV) die Aufgliederung der im Vertragspreis inbegriffenen Nebenleistungen einerseits und der gesondert zu vergütenden besonderen Leistungen andererseits.
 
Ordnet der Auftraggeber/Bauherr Zusatzleistungen an, so ist Ihrerseits die Mehrkostenanzeige eine echte Anspruchsvoraussetzung, also absolut zwingend. Die Mehrkostenanzeige muss schriftlich und rechtzeitig vor Bauausführung erfolgen. Adressat der Mehrkostenanzeige ist nicht der Architekt, der regelmäßig nicht über eine dementsprechende Sondervollmacht verfügt, sondern der Auftraggeber/Bauherr.
 
In Ihrem Nachtrag findet sich zum einen die Berechnung der besonderen Vergütung gem. § 2 VI S.1 VOB/B auf der Grundlage der Preisermittlung für die vertraglichen Leistungen, zum anderen mit Blick auf die mit der Zusatzleistung verbundenen Verzögerung die sich aus der Bauzeitverlängerung ergebenden Kosten.
 
Nur auf diese Weise kann dem Auftraggeber/Bauherrn klargemacht werden, welche Kosten durch die Anordnung zusätzlicher Leistungen auf ihn zukommen.
 
Dies entspricht den Kooperationspflichten beider Vertragsparteien einerseits und verhindert Streitigkeiten nach Schlussrechnungslegung andererseits.
 
In diesem Zusammenhang stellt sich unabhängig von Mengenänderungen (§ 2 III VOB), Leistungsänderungen (§ 2 V VOB) oder Zusatzleistungen (§ 2 VI VOB) die Frage, wie zu verfahren ist, wenn der Auftraggeber auf die Mehrkostenanzeige und den Nachtrag nicht oder ablehnend reagiert.
 
Die Antwort gibt wiederum § 1 III und IV VOB/B einerseits und § 18 V VOB/B andererseits. Es bleibt danach dabei, dass der Auftraggeber Leistungsänderungen vornehmen kann und Streitigkeiten über die sich daraus ergebenden Vergütungsansprüche den Auftragnehmer nicht berechtigen die Arbeiten einzustellen.
 
Für Sie bedeutet dies, dass Sie die geforderte Leistung erbringen müssen und sich die streitige Auseinandersetzung auf die Zeit nach Schlussrechnungslegung verschiebt. Freilich sollten Sie daran denken, Sicherheit gem. § 648 a BGB zu fordern.
 
Angesichts Ihrer Vorausleistungspflicht ist es umso wichtiger, dass Sie mit der rechtzeitigen und schriftlichen Mehrkostenanzeige und des prüfbaren Nachtrages die Voraussetzungen dafür schaffen, dass Sie Ihren Anspruch später auch tatsächlich durchsetzen können.
 
4. Störungen des Bauablaufs durch Behinderungen und Unterbrechungen gem. § 6 VOB/B
 
"Wer schreibt, der bleibt", eine Redewendung, die insbesondere Auftragnehmern in der Kommunikation mit dem Auftraggeber/Bauherrn zu empfehlen ist.
 
Umgekehrt, also aus Sicht des Auftraggebers kann es manchmal hinderlich sein, später nachteilige schriftliche Spuren zu legen.
 
Streiten die Parteien später darüber, ob es eine Leistungsänderung gegeben hat, so sind schriftliche Anordnungen des Auftraggebers Gold wert.
 
Fehlt es daran, kommt es auf Zeugen an, dem Unzuverlässigsten aller Beweismittel.
 
Lassen sich Bauzeitverlängerungen etwa infolge von Leistungsänderungen gem. § 2 V VOB nicht nachweisen, so kommt allenfalls ein Anspruch gem. § 6 VOB in Betracht.
 
Dies sind:
 
-Anspruch auf Bauzeitverlängerung gem. 6 II VOB
-Anspruch auf Schadensersatz gem. 6 VI VOB
-Anspruch auf Zwischenabrechnung gem. 6 V VOB
-Kündigungsrecht gem. § 6 VII VOB bei Unterbrechung von mehr als drei Monaten.
 
Da der Auftraggeber/Bauherr im Streitfall alles unternehmen wird, um Vergütungsansprüche Ihrerseits gem. § 2 VOB dadurch in Abrede zu stellen, dass er die Anordnung leugnet, sollten Sie von vornherein dafür Sorge tragen, dass Sie in jedem Fall Ihre Ansprüche gem. § 6 VOB, gewissermaßen hilfsweise mit Erfolg geltend machen können.
Zunächst fallen unter § 6 VOB alle hindernden Umstände, also sowohl aus der Sphäre des Auftraggebers, als auch Dritter und höhere Gewalt.
 
Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gem. § 6 VI VOB ist allerdings ein Verschulden des Auftraggebers, ein Anspruch auf entgangenen Gewinn steht Ihnen nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Auftraggebers zu.
 
Umso wichtiger ist es, dass Sie rechtzeitig schriftlich auf eine eintretende Bauzeitverlängerung hinweisen, denn dieser Hinweis ist eine echte Anspruchsvoraussetzung, sodass sich die Einholung eines Zugangsnachweises empfiehlt (Faxprotokoll reicht nicht).
 
Dabei empfiehlt sich folgender Aufbau und Inhalt:
 
a. Zunächst müssen Sie im Wege einer Behinderungsanzeige auf eine eintretende
   Bauzeitverlängerung hinweisen.
 
b. Des Weiteren müssen Sie darlegen, dass die tatsächlich eintretende Behinderung
   vom Auftraggeber zu vertreten ist.
 
c. Im Weiteren müssen Sie konkret darlegen, welche Auswirkungen die Behinderung
   auf den Bauablauf hat .Dazu ist es erforderlich, zunächst das Bau-Soll unter Einschluss
   der technischen Abhängigkeiten darzustellen und anschließend den durch die
   Baubehinderung eintretenden voraussichtlichen tatsächlichen Ablauf (Bau-Ist).
 
Um dem Streitfall vorzugreifen müssen Sie darauf achten, dass Sie die dargestellten Umstände ausführlich dokumentieren, beispielsweise durch Lichtbilder, Aktennotizen, Bautagebuch, Schriftwechsel etc.
 
Es gilt, wie so oft im Baugeschehen: "Wer schreibt, der bleibt".
 
Auch hier ist Adressat der Bauherr/Auftraggeber, wobei bauleitender/bauaufsichtsführender Architekt abschriftlich informiert wird.
 
a. Anspruch auf Bauzeitverlängerung

 

Kommt es zum Rechtstreit, so macht der Auftraggeber regelmäßig Verzugsschadensersatzansprüche und Vertragsstrafenansprüche geltend. Umgekehrt denken Auftragnehmer nur selten daran, genau dies dadurch zu verhindern, indem Sie rechtzeitig einen Bauzeitverlängerungsanspruch gem. § 6 II VOB geltend machen.
 
Dieser Anspruch setzt kein Verschulden voraus.
 
Ausreichend ist, dass sich die hindernden Umstände aus dem Risikobereich des Auftraggebers/Bauherrn oder höherer Gewalt sowie unabwendbarer Umstände ergeben.
 
In der Praxis spielen Witterungsverhältnisse eine große Rolle. Dabei ist allerdings Vorsicht angebracht.
 
Da Bauvorhaben regelmäßig im Freien stattfinden, hat der Auftragnehmer bereits bei Vertragsabschluss die Witterungsverhältnisse zu berücksichtigen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine nachträgliche Verschiebung in eine ungünstige Jahreszeit dazu führt, dass der Anteil der Schlechtwettertage zunimmt.
 
Typische Fälle, in denen ein Bauzeitverlängerungsanspruch besteht, sind solche, die sich in der Sphäre des Auftraggebers abspielen.
 
Klassiker sind die verspätete Übergabe von Ausführungsplänen, falls seitens des Auftraggebers geschuldet und relevant für den Bauablauf, nicht rechtzeitige Leistung eines Vorunternehmers, die Wahrnehmung der Eingriffsrechte des Auftraggebers gem. § 1 VOB und natürlich höhere Gewalt.
 
Diese ist übrigens nur dann gegeben, wenn ein Ereignis eintritt, das gravierend und unvorhersehbar ist.
 
Dies trifft, wie der legendäre Schürmann-Bau-Fall zeigt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur sehr selten zu.
 
Die Bauzeitverlängerungsfrist berechnet sich zum einen für die Dauer der Behinderung oder Unterbrechung, wobei noch ein Zuschlag für die Wiederaufnahme der Bauarbeiten hinzukommt. Hintergrund ist, dass niemand damit rechnen kann, dass Sie bei einer Unterbrechung die Baustelle von einem Tag auf den anderen sofort wieder einrichten können.
 
Schließlich kann jahreszeitlich bedingt, ein weiterer Zuschlag hinzukommen, wenn sich die Bauzeit nach Ende der Behinderung in eine ungünstigere Jahreszeit verschiebt.

 

b. Zwischenabrechnung
 
Wird die Bauausführung für voraussichtlich längere Zeit unterbrochen, so können Sie eine Zwischenabrechnung vornehmen. Von längerer Dauer spricht man bei mindestens zwei, jedenfalls drei Monaten. Abgerechnet werden die ausgeführten Leistungen bis zur Unterbrechung und darüber hinaus die Kostenvergütung für alle Kosten, die bereits entstanden und noch nicht in den Vertragspreisen der ausgeführten Leistung enthalten sind.
 
Einer Abnahme bedarf es für die Fälligkeit des zwischenabgerechneten Betrages nicht, wohl aber eines gemeinsamen Aufmaßes, jedenfalls beim Einheitspreis-und Detailpauschalvertrag.
 
c. Kündigungsrecht
 
Dauert die Unterbrechung länger als drei Monate an, so sind Sie berechtigt, den Vertrag zu kündigen. Anders, als im Fall des § 9 VOB/B steht Ihnen jedoch nur eine Vergütung für die erbrachten Leistungen zu, nicht jedoch ein Anspruch auf entgangenen Gewinn, also Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen.
 
Dieser weitergehende Anspruch besteht nur, wenn grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz beim Auftraggeber gegeben sind.
 
Der Weg über § 6 VII VOB, also Kündigung nach drei Monaten macht Sinn, wenn ein Festhalten am Vertrag ohnehin nicht wünschenswert ist.
 
 
 
d. Schadensersatzanspruch gem. § 6 VI VOB/B
 
Zwingende Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs gem. § 6 VI VOB ist:
 
-eine vom Auftraggeber zu vertretende Behinderung
-Ihre Behinderungsanzeige (Offenkundigkeit liegt selten vor)
-ein kausaler Zusammenhang zwischen Baubehinderung und Schaden, den
 Sie dem Grunde und der Höhe nach darlegen müssen.
 
Die Anforderungen sind hoch.
 
Es ist für den Auftraggeber erheblich leichter im Falle Ihres Verzuges einen Schadensersatzanspruch oder einen Vertragsstrafenanspruch darzulegen, als umgekehrt, die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches des Auftragnehmers gegen den Auftraggeber aus Anlass einer von diesem zu vertretenden Bauzeitverlängerung.
 
Dies schon deshalb, weil Sie sich bereits mit Eintritt einer, eine Bauzeitverlängerung nach sich ziehenden Maßnahme mit den Anspruchsvoraussetzungen auseinandersetzen müssen, gleich, ob es Ihnen um die spätere Geltendmachung eigener Ansprüche geht oder die Abwehr vermeintlicher Verzugsansprüche des Auftraggebers.
 
Erste Voraussetzung ist, dass der Auftraggeber die Verzögerung zu vertreten hat. Dabei muss sich der Auftraggeber das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen.
 
Erfüllungsgehilfen des Auftraggebers sind die von ihm eingeschalteten Architekten, Sonderfachleute und Projektsteuerer.
 
Der Ihnen vorgeschaltete Vorunternehmer ist regelmäßig kein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers, sodass der Verzug des Estrichlegers nicht einen Anspruch des Parkettlegers gem. § 6 VI VOB gegen den Auftraggeber zur Folge hat, es sei denn der Estrichleger ist aus Gründen in Verzug, die wiederum der Auftraggeber oder seine Erfüllungsgehilfen zu vertreten haben.
 
Zwingende Voraussetzung für den Anspruch gem. § 6 VI VOB ist die Behinderungsanzeige.
 
Dabei haben Sie nicht nur die Behinderung oder Unterbrechung anzuzeigen, sondern alle Umstände und Tatsachen zu benennen, aus denen sich für den Auftraggeber mit hinreichender Klarheit entnehmen lässt, aus welchen Gründen eine Behinderung vorliegen soll.
 
Fehlt die Behinderungsanzeige, gibt es keinen Schadensersatzanspruch.
 
Daran übrigens scheitern die meisten Schadensersatzansprüche gem. § 6 VI VOB.
 
Typische Fälle von Behinderung, die der Auftraggeber zu vertreten hat, sind:
 
-das vom Auftraggeber zu vertretende Fehlen öffentlich-rechtlicher Genehmigungen
-unzureichende, fehlende, unvollständige oder verspätete Übergabe von notwendigen
 Plänen
-Planänderungen des Auftraggebers
-ein öffentlich-rechtlicher Baustopp
-die Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Auftraggeber
-Verschiebung von Bauzeiten durch den Auftraggeber.
 
In all diesen Fällen gilt, dass die Auswirkungen der Verzögerung auf den Bauablauf konkret dargestellt werden müssen. In der Praxis hat immer ein Soll-Ist Vergleich zu erfolgen (OLG Düsseldorf NJW RR 1998,670ff).
 
Dies gilt auch für die Geltendmachung von Stillstandskosten, z. B. der Vorhaltung des Personals, Gerätes und sonstiger Vorhaltekosten.
 
Es ist immer konkret darzulegen, welche Differenz sich zu einem fiktiven ungestörten Bauablauf ergibt.
 
Ist auf diese Weise schlüssig der Eintritt eines Schadens dargestellt, so kann das Gericht durch Schätzung die konkrete Höhe bestimmen.
 
Steht Ihnen ein Schadensersatzanspruch zu, so ist dieser auf den Nettobetrag gerichtet, die Umsatzsteuer kann also nicht geltend gemacht werden.
 
Denkbare Schadenspositionen sind:
 
-zusätzliche allgemeine Geschäftskosten, Löhne und Lohnpreissteigerungen
-Bauzeitverlängerungskosten, wie beispielsweise zeitabhängige Gemeinkosten, Vorhaltekosten für
 Geräte, Baustellenunterkünfte, Schalung, Maschinen, Preiserhöhungen beim Sub und
 sonstiger Mehraufwand.
-Stillstandskosten, wie Baustellensicherung, An-und Abtransport, Wiedereinrichtung der
 Baustelle
-Kosten für die Materialeinlagerung
-die Kosten Ihres Rechtsanwaltes
-Vertragsstrafenansprüche Ihres Subs
 
Die Abrechnung der Kosten für den gestörten Bauablauf erfolgt mit der Schlussrechnung.
 
e. Ansprüche gem. § 642 BGB
 
Setzt der Schadensersatzanspruch gem. § 6 VI VOB zwingend Verschulden voraus, so ergibt sich aus § 642 BGB ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanpruch.
 
Voraussetzung ist, dass die Verzögerung in der Sphäre des Auftraggebers liegt, dieser eine Mitwirkungshandlung verletzt hat, hierdurch in Annahmeverzug geraten ist und Sie die Behinderung rechtzeitig angezeigt haben.
 
Eine Rolle kann dieser Anspruch nur dann spielen, wenn es beispielsweise infolge Verzuges des Vorunternehmers, der wie ausgeführt kein Erfüllungsgehilfe des Auftraggebers ist, zu einer Bauverzögerung gekommen ist.
 
Es steht Ihnen allerdings kein Schadensersatzanspruch zu, sondern lediglich ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung, die weder Wagnis noch Gewinn beinhaltet.
 
Sie können bei der Abrechnung daher auch nicht auf die Werte der Baugeräteliste Bezug nehmen.
 
Es geht dementsprechend nicht um den Ausgleich erbrachter oder nicht erbrachter Leistungen, sondern nur darum, dass Zeitverluste entstanden sind und damit wirtschaftlich unnötig Personal und Betriebsmittel bereitgehalten worden sind (ThürOLG NZBau 2006,510ff).
 
IV Fazit
 
In der Baupraxis sehen sich Auftragnehmer regelmäßig Inverzugsetzungen des Auftraggebers/Bauherrn ausgesetzt. Um den sich daraus ergebenden Ansprüchen zu entgehen, wird häufig eine defensive Verhaltensweise, auch in der Korrespondenz zum Ausdruck gebracht. Dies, obschon vielfach Störungen des Bauablaufs ursächlich sind, die nicht oder nicht allein in der Sphäre des Auftragnehmers liegen.
 
So kann der Bauablauf beispielsweise durch Mengenmehrungen (§ 2 III VOB), Änderungen (§ 2 V VOB) oder Zusatzleistungen (§ 2VI VOB) jeweils angeordnet durch den Auftraggeber ursächlich sein.
 
In all diesen Fällen sollte der Auftragnehmer nicht lediglich einen Mehrvergütungsanspruch im Wege eines Nachtrages hinsichtlich eines neuen Einheitspreises ermitteln, sondern die sich voraussichtlich ergebenden Folgen für den Bauablauf darstellen und die sich daraus ergebenden Mehrkosten überdies geltend machen.
 
In keinem Fall darf die rechtzeitige, schriftliche Mehrkostenanzeige vergessen werden.
 
Auch wenn es in der Praxis, gerade bei großen Baustellen schwierig ist, einen Schadensersatzanspruch gem. § 6 VI VOB darzustellen, so sollte in jedem Fall die Ihnen zustehende Bauzeitverlängerung gem. § 6 II VOB zur Vermeidung von Verzugsfolgen geltend gemacht werden.
 
Besteht der Wunsch, sich ohnehin von einem Bauvorhaben loszusagen, gibt ein gestörter Bauablauf dem Auftragnehmer die Möglichkeit der Kündigung, zumindest der Zwischenabrechnung.
 
Bereits während eines gestörten Bauablaufs sollte darauf geachtet werden, dass die Voraussetzungen eines späteren Schadensersatzanspruches durch eine substantiierte Behinderungsanzeige vorbereitet werden.
 
Ob Sie den Anspruch dann tatsächlich geltend machen, als Verhandlungspfand verwenden oder zur Abwehr von Verzugsansprüchen des Auftraggebers verwenden, entscheiden Sie operativ.
 
Im schlimmsten Fall bleibt Ihnen bei fehlenden Verschulden des Auftraggebers noch immer der verschuldensunabhängige Entschädigungsanpruch gem. § 642 BGB.
 
RA Raber, 08.06.2015   

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