Das neue Werkvertragsrecht

  

Einleitung

 

Am 01.01.2018 tritt das neue Bauvertragsrecht in Kraft.

 

Meine Info-Post 2/2017 vom 30.03.2017 hatte einen Überblick über alle Änderungen zum Inhalt.

 

Ziel dieser Info-Post ist es, ausschließlich die Architekten/Ingenieure über die auf sie zukommenden Änderungen zu informieren.

 

Viel Spaß bei der Lektüre.

 

Zur Sache

 

Der Gesetzgeber hat eine komplett neue Struktur und Systematik des Werkvertragsrechts geschaffen.

 

Er hat zum einen ein neues Bauvertragsrecht geschaffen, zum anderen erstmalig den Architekten- und Ingenieurvertrag geregelt.

 

Damit erhält die Planungs- und Objektüberwachungsleistung erstmals eine eigene Kodifikation innerhalb des Werkvertragsrechts.

 

1. Zielfindungsphase/ Planungs- und Ausführungsphase


Was den Planungsauftrag ausmacht und ihn letztlich auch interessant macht, ist, dass eine Entwicklung stattfindet.

 

Der Planer entwickelt sukzessive aus den Wünschen des Auftraggebers und seinen finanziellen Möglichkeiten einerseits und den Einschränkungen, die das Bauamt macht andererseits eine vom allgemeinen immer mehr ins Detail gehende Planung.

 

Dies hat zur Folge, dass der Vertragsinhalt und damit der werkvertragliche Erfolg erst nach und nach Gestalt annimmt, also bei Vertragsschluss noch gar nicht definiert ist.

 

Hieraus erwachsen zwangsläufig Konflikte, wenn sich im Laufe dieses Planungsvorgangs ergibt, dass Vorstellungen und Wünsche des Bauherrn nicht erfüllt werden können.

 

Der Gesetzgeber trägt nunmehr genau diesem Umstand Rechnung.


Er unterscheidet daher zwischen einer, der eigentlichen Planung vorausgehenden Zielfindungsphase einerseits und der Planungs- und Ausführungsphase andererseits. Diese beginnt, sobald das Ziel feststeht.

 

Ausgangspunkt ist, dass der Auftraggeber zunächst nur vage Vorstellungen von dem Bauvorhaben hat.

 

Aufgabe des Architekten ist es sodann, eine Planungsgrundlage zur Ermittlung des eigentlichen Planungszieles zu erstellen.

 

In dieser Phase schuldet der Architekt keine Planung, sondern allenfalls Skizzen und grundlegende Angaben wie Geschosszahl, Dachart, Zweck des Gebäudes etc..

 

Dazu erstellt er hinsichtlich der Kosten eine grobe Prognose, genannt Kosteneinschätzung.

 

Wie diese Kosteneinschätzung aussehen soll, ergibt sich aus dem Gesetz nicht, jedoch dürfte der Architekt mit der Vorlage einer Kostenschätzung nach DIN 276 den gesetzgeberischen Anforderungen in jedem Fall gerecht werden.

 

Liegt diese Planungsgrundlage, bestehend aus Skizzen und grundlegenden Angaben, und die Kosteneinschätzung vor, so kann der Auftraggeber sich entscheiden, ob er von der Zielfindungsphase in die eigentliche Planungs- und Ausführungsphase übergeht.

 

Da der Auftraggeber erst jetzt in die Lage versetzt ist, zu beurteilen, ob und mit welchem Inhalt die Planung erfolgen soll, hat der Gesetzgeber sowohl dem Auftraggeber, als auch dem Planer ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt.

 

Gemäß § 650 r BGB ist der Auftraggeber innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zugang der Planungsgrundlagen berechtigt, das Vertragsverhältnis zu kündigen.

 

Ist der Auftraggeber ein Verbraucher so (regelmäßig der Häuslebauer) muss der Architekt ihn in Textform über dieses Kündigungsrecht und seine Rechtsfolgen informieren.

 

Unterlässt der Architekt dies, so erlischt das Kündigungsrecht nicht, solange der Hinweis nicht nachgeholt wird.

 

Hat der Auftraggeber von seinem Sonderkündigungsrecht nicht Gebrauch gemacht, so bedarf es, zum Einstieg in die Planungsphase der Zustimmung des Auftraggebers zu den Planungsgrundlagen und der Kosteneinschätzung, welche der Architekt in der Zielfindungsphase erstellt hatte.

 

Zu diesem Zweck kann der Architekt dem Auftraggeber eine Frist zur Zustimmung setzen.

 

Verweigert der Auftraggeber die Zustimmung oder erteilt er sie nicht innerhalb der gesetzten Frist, so kann der Architekt den Vertrag kündigen.

 

Wird, von wem auch immer, das Sonderkündigungsrecht wirksam ausgeübt, so endet der Vertrag.

 

Der Architekt hat Anspruch auf die Vergütung seiner bis zur Kündigung erbrachten Leistungen.

 

Zur Höhe der Vergütung sagt der Gesetzgeber nichts.

 

Dies muss er auch nicht, denn der Vergütungsanspruch des Architekten errechnet sich nach der HOAI (solange und soweit die europäische Kommission nicht mit ihrem am 19.06.2015 gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren durchdringt, wonach die HOAI angeblich europäischem Recht widerspricht - Art. 49 EGV bzw. Art. 49 AEUV).

 

Die Trennung in Zielfindungsphase einerseits und Planungs- und Ausführungsphase andererseits, verbunden mit der Zäsur des Sonderkündigungsrechts, ist ein folgenschwerer Schnitt.

 

Bislang war es üblich, entweder den Architekten mit den Leistungsphasen 1 - 8 zu beauftragen oder zumindest eine stufenweise Beauftragung 1 - 4 einerseits und anschließend 5 - 8 andererseits vorzunehmen.

 

Hierdurch war der Auftraggeber bis zur Vorlage der Baugenehmigung bei stufenweiser Beauftragung, im Übrigen bis zur Leistungsphase 8 gebunden.

 

Solange der Architekt nicht die Voraussetzungen einer Kündigung aus wichtigem Grund für den Auftraggeber schuf, konnte sich dieser nur im Wege einer freien Kündigung vom Vertrag lösen.

 

Für den Architekten bedeutete dies Vergütung für die erbrachten Leistungen und vor allem Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen, letztere freilich abzüglich ersparter Aufwendungen.

 

Bekanntlich sind die ersparten Aufwendungen eines Planungsbüros äußerst gering, sodass dem Auftraggeber nur die Wahl blieb, entweder bis zum Schluss am Vertrag festzuhalten oder tief, und ohne Gegenleistung, in die eigene Tasche zu greifen.

 

Mit der gesetzlichen Neugestaltung verlagert sich de facto die Vorplanung einschließlich Kosteneinschätzung in die Zielfindungsphase mit insgesamt 9 % für Grundlagenermittlung und Vorplanung, ohne dass der Architekt damit rechnen kann, noch Vergütung für die, den eigentlichen Planungsauftrag umfassenden Leistungsphasen 3 und 4 zu bekommen, geschweige denn Vergütung für nicht erbrachte Leistungen bis zur Leistungsphase 8 oder gar 9.

 

Umso wichtiger wird es sein, frühzeitig die Entscheidung des Auftraggebers über die Fortsetzung des Vertrages herbeizuführen.

 

2. Teilabnahme

 

Eindeutig zugunsten des Architekten geht der neue § 650 s BGB.

 

Die Architekten-Musterverträge enthielten bereits in der Vergangenheit Regelungen, die Teilabnahmen nach bestimmten Leistungsphasen vorsahen, um die nahezu endlose Gewährleistungshaftung des Architekten, besonders dann, wenn er auch mit der Leistungsphase 9 beauftragt war, zu verringern.

 

Bejaht hat die Rechtsprechung die Wirksamkeit einer Teilabnahmeklausel nach Abschluss der Leistungsphase 8.

 

Dies hat der Gesetzgeber nunmehr übernommen und geregelt, dass der Architekt nach der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen kann.

 

Damit beginnt mit Ende der Leistungsphase 8 die Mängelhaftung für die Planungs- und Überwachungsleistung und damit nahezu zeitgleich mit der Abnahme der zuletzt fertiggestellten Bauleistung.

 

Der Architekt sollte daher genau darauf achten, dass ihm der Bauherr mit Abschluss der Leistungsphase 8 ein Teilabnahmeprotokoll bezogen auf die Architektenleistung unterschreibt, wenn er mit der Leistungsphase 9 beauftragt ist.

 

3. Gesamtschuldnerische Haftung neben dem Werkunternehmer

 

Hat sich die Planungsleistung des Architekten in eine Bauleistung verwandelt, so gibt es kein Nachbesserungsrecht des Architekten mehr.

 

Dies ist misslich, den verweigert der Werkunternehmer die Mangelbeseitigung, so ist der Architekt von vornherein mit den sehr viel höheren Mangelbeseitigungskosten eines Drittunternehmens konfrontiert, weil in dieser Höhe der Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Architekten besteht.

 

Allen Versuchen der Architekten, im Wege allgemeiner Geschäftsbedingungen die Baumangelbeseitigung an sich zu ziehen, hat der BGH, zuletzt in einer Entscheidung vom 16.02.2017 eine Absage erteilt (BGH Urteil vom 16.02.2017 - VII ZR 242/13).

 

Nach dem neuen § 650 t BGB wird nunmehr der Grundsatz der Vorrangigkeit der Nacherfüllung durch den Unternehmer in das Gesamtschuldverhältnis zwischen Architekt und Unternehmer transportiert.

 

Danach kann der Bauherr den Architekten wegen Mängeln am Bauwerk erst dann auf Schadensersatz in Anspruch nehmen, wenn er dem ebenfalls verantwortlichen Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.

 

Allerdings gilt diese Regelung nicht für den nur planenden Architekten, sondern nur dann, wenn der Architekt/Ingenieur (auch) bauüberwachend tätig war.

 

Ob die Regelung in der Praxis viel bringen wird, bleibt abzuwarten, denn bei einem zur Nacherfüllung bereiten Unternehmer stellt sich die Frage einer gesamtschuldnerischen Mithaftung des Architekten auch bislang nicht.

 

Relevant sind jene Fälle, in denen der Werkunternehmer entweder nicht nacherfüllen will oder kann.

 

In diesen Fällen wird die vom Bauherrn dem Unternehmer gesetzte Frist regelmäßig ablaufen, sodass es bei der gesamtschuldnerischen Haftung wie bisher auch bleiben wird.

 

4. Auswirkungen der Gesetzesänderungen für die ausführenden Gewerke auf den Architekten/Ingenieur

 

Der Gesetzgeber hat das Bauvertragsrecht und Teile des Kaufrechts umfassend geändert.

 

Erstmals besteht für den Werkunternehmer die Möglichkeit, bei seinem Lieferanten schuldunabhängig Regress für den Aus- und Einbau mangelhafter Baustoffe zu verlangen.

 

Des Weiteren hat der Gesetzgeber die Regelungen zu Abschlagszahlungen, der fiktiven Abnahme und der Prüffähigkeit der Schlussrechnung der VOB/B angepasst, das Recht des Werkunternehmers Zustandsfeststellungen bei Kündigung und Abnahmeverweigerung zu verlangen und dem Bauherrn die Anordnungsrechte zugebilligt, die die VOB enthält.

 

Des Weiteren hat der Gesetzgeber erstmals einen Verbraucherbauvertrag geschaffen.

 

Aus diesen Änderungen ergeben sich für den Architekten/Ingenieur, der den Bauherrn über die Planungsphase, also in der Ausführungsphase betreut, Besonderheiten, die es zukünftig zu beachten gilt.

 

a) Abschläge

 

Der Architekt haftet, wenn er Zahlungen freigibt, auf die der Werkunternehmer keinen Anspruch hat.

 

Gibt der Architekt beispielsweise Abschlagsrechnungen zur Zahlung frei und stellt sich hinterher heraus, dass er bei Prüfung der Bauleistung deren Mangelhaftigkeit ohne weiteres hätte feststellen können, so haftet er neben dem Werkunternehmer. (z. B. OLG Celle Urteil vom 23.05.2000 - 16 U 182/99).

 

Schwierigkeiten konnte insoweit die bisherige Rechtslage außerhalb des VOB-Vertrages bereiten, denn im BGB-Vertrag konnte der Werkunternehmer Abschlagszahlungen nur dann verlangen, wenn die mit der Abschlagsrechnung abgerechnete Werkleistung mit einem Wertzuwachs im Vermögen des Auftraggebers verbunden war.

 

Wie errechnet sich der Wertzuwachs im Vermögen des Auftraggebers?

 

Insoweit hat der Gesetzgeber Klarheit geschaffen, als er nunmehr die BGB-Regelung der der VOB/B angeglichen hat, sodass der Werkunternehmer ebenso wie im VOB-Vertrag Abschläge nach dem Vertragswert der vertragsgerecht erbrachten Leistungen abrechnen kann. Dies erleichtert für den Architekten die Prüfung berechtigter Abschläge.

 

Dabei darf der Architekt freilich nicht vergessen, dass dem Bauherrn gem. § 632 a Abs. 1 S. 1 und 2 BGB das Recht zusteht, die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags zu verweigern, wenn die erbrachten Leistung nicht vertragsgemäß ist.

 

Die Neuregelung darf also nicht dazu führen, Abschlagsrechnungen durchzuwinken.

 

b) Sicherheit

 

Es bleibt nicht aus, dass Werkunternehmer vom Auftraggeber Sicherheit gemäß § 648 a BGB (Bauhandwerkersicherheit) verlangen und sich der nicht anwaltlich vertretene Auftraggeber, insbesondere der Häuslebauer, an seinen Architekten wendet, um zu erfahren, wie er sich verhalten soll.

 

Ursprünglich stand dem Werkunternehmer Sicherheit nur im Wege einer Vormerkung für eine Handwerkersicherungshypothek zu.

 

Waren der Besteller und der Eigentümer des Grundstücks, auf dem die Bauleistung erbracht wird, nicht identisch, so gab es keine Sicherheit für den Werkunternehmer.

 

Der Gesetzgeber hat dies vor vielen Jahren bereits erkannt und § 648 a BGB eingeführt.

 

Danach kann der Werkunternehmer Sicherheit für die vertraglich vereinbarte Leistung regelmäßig im Rahmen einer Bankbürgschaft verlangen.

 

Ausgenommen von diesem Anspruch auf Sicherheit waren bislang juristische Personen des öffentlichen Rechts und der klassischen Häuslebauer, denn bei ihnen ergab sich für den Werkunternehmer die Möglichkeit, Sicherheit im Wege einer Handwerkersicherungshypothek zu erlangen.

 

Nunmehr hat der Gesetzgeber dieses Privileg des Häuslebauers ausgedehnt, nämlich vom Bauherrn eines Einfamilienhauses auf ein Mehrfamilienhaus.

 

Damit kann auch der Verbraucher, der als Besteller eines Mehrfamilienhauses auftritt, Sicherheit gemäß § 648 a BGB (zukünftig § 650 f BGB) verweigern.

 

Allerdings nur auf den ersten Blick.

 

Voraussetzung für das Privileg des Verbrauchers ist nämlich, dass die Errichtung eines Gebäudes durch den Besteller auf der Basis eines einheitlichen Vertrages erfolgt.

 

Nicht erfasst von der Privilegierung wird also die gewerkeweise Vergabe von Bauleistungen.

 

War der private Häuslebauer bislang vor einem Sicherheitsbegehren des Rohbauers, des Fliesenlegers oder des Trockenbauers gemäß § 648 a BGB geschützt, so fällt diese Privilegierung zukünftig weg, denn sie gilt praktisch nur noch für den Anbieter eine Komplettleistung, also Generalunternehmer/Generalübernehmer.

 

Vorsicht daher vor fehlerhafter Beratung, wenn der Werkunternehmer Sicherheit begehrt.

 

c) Anordnungsrechte

 

Kernstück des neuen Bauvertragsrechts sind die Anordnungsrechte.

 

Kommt es während der Bauausführung zur Anordnung von Zusatzleistungen oder zur Änderung des Bauentwurfes, so kann dies viele Ursachen haben, z.B. Umplanungen aufgrund veränderter Wünsche des Bauherrn, die Umsetzung behördlicher Vorgaben oder auch die Korrektur der eigenen Planung.

 

Wichtig ist in diesem Zusammenhang für den Architekten als Sachwalter und den sich daraus ergebenden Pflichten gegenüber den Bauherren nicht, dass es Anordnungsrechte des Bauherrn gibt, sondern was der Gesetzgeber hinsichtlich der Folgen der Ausübung des Anordnungsrechts geregelt hat.

 

Es hätte nahe gelegen, die Anordnung den bewährten Regelungen der §§ 1 Abs. 3, Abs. 4 VOB/B und der Vergütungsregelung gemäß §§ 2 Abs. 5 ff. VOB/B folgen zu lassen.

 

Diesen Weg ist der Gesetzgeber nicht gegangen.

 

Der zukünftige § 650 b Abs. 1 BGB unterscheidet zwischen

 

- Anordnung der Änderung des Werkerfolges (geänderte Leistung)

- Anordnung von Leistungen, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig sind (zusätzlich erforderliche Leistung), soweit die Planung vom Auftraggeber stammt.

 

Damit ist zunächst einmal klargestellt, dass Änderungen und Zusatzleistungen, die nicht aus der Sphäre des Auftraggebers herrühren, sondern die der Auftragnehmer ohnehin erbringen muss, um den geschuldeten Werkerfolg zu erreichen, davon nicht erfasst werden.

 

Der Gesetzgeber beschäftigt sich zunächst mit der Frage, wann der Auftragnehmer der so definierten Anordnung des Auftraggebers Folge leisten muss.

 

Dies ist nämlich nur dann der Fall, wenn die Ausführung der Änderungs-/Zusatzleistungen für den Auftragnehmer zumutbar ist.

 

Bedeutsam ist diese Frage in der Praxis nicht, denn jeder Unternehmer verdient sein Geld gerade mit Leistungsänderungen und Zusätzen, also mit Nachträgen, sodass die Parteien nicht über die Zumutbarkeit einer Änderung oder einer Zusatzleistung streiten werden, sondern im Gegenteil der Auftragnehmer sein Angebot gerade so formuliert, dass es Lücken für Nachträge enthält.

 

Streiten werden sich die Parteien in der Praxis nicht über die Zumutbarkeit der Änderung oder der angeordneten Zusatzleistung, sondern über deren Preis.

 

Der Gesetzgeber hat eine komplizierte Regelung vorgenommen, die letztlich dazu führt, dass nicht dem Bauherrn geholfen ist, sondern dem Werkunternehmer.

 

Dies ist der Punkt, weshalb der Architekt als Sachwalter des Auftraggebers im eigenen Interesse vorsichtig mit der Beratung zur Ausübung des Anordnungsrechts umgehen sollte.

 

Der Werkunternehmer hat nämlich die Wahl.

 

Er kann entweder den Nachtrag auf der Grundlage seiner Urkalkulation abrechnen, soweit diese hinterlegt ist, also die guten Preise fortschreiben oder er kann die tatsächlich erforderlichen Kosten für den Nachtrag mit Zuschlägen für allgemeine Geschäftskosten, Wagnis und Gewinn ermitteln.

 

Damit steht der Werkunternehmer besser, als im VOB-Vertrag.

 

Dort gilt nämlich:

 

 

Guter Preis bleibt guter Preis, schlechter Preis bleibt schlechter Preis.

 

 

Nach der Neuregelung im Gesetz kann der Werkunternehmer bei einem gut kalkulierten Preis auf seine Urkalkulation zurückgreifen und den Preis im Nachtrag fortschreiben oder, falls er schlecht kalkuliert hat, eine komplett neue Kalkulation des Nachtragspreises vorlegen.

 

Außerdem kann er auf den Nachtrag einen Abschlag i. H. v. 80 % abrechnen.

 

Zwar kann sich der Auftraggeber gegen eine aus seiner Sicht unangemessene Preiskalkulation im Wege einer einstweiligen Anordnung vor den zukünftig zwingenden Baukammern/Bausenaten wehren, jedoch wird er dies regelmäßig nicht, weil damit jeder Bauablaufplan obsolet wird.

 

Dies bedeutet, dass die Anordnungsrechte zugunsten des Bauherrn letztlich die Grundlage dafür sind, dass der Werkunternehmer die für ihn optimalste Nachtragskalkulation wählen kann.

 

Darin stecken Haftungsrisiken, wenn dieser Nachtrag auf eine fehlerhafte Planung des Architekten zurückzuführen ist.

 

d) Mängelrügen vor Abnahme

 

Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung vom 19.01.2017 (VII ZR 301/13) nochmals ausdrücklich klargestellt, dass der Besteller die Mängelrechte nach § 634 BGB erst nach Abnahme geltend machen kann, Mängelrechte im BGB-Vertrag, insbesondere der Vorschussanspruch vor Abnahme nicht bestehen.

 

Anders kann dies sein, wenn das Vertragsverhältnis bereits in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist (VII ZR 235/15).

 

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ging man davon aus, dass der Gesetzgeber eine Regelung schafft, wonach die Mängelrechte, ähnlich dem VOB-Vertrag bereits vor Abnahme bestehen.

 

Eine solche gesetzliche Änderung erfolgte nicht.


Dies gilt ebenso für den Verbraucherbauvertrag.

 

Abgesehen von den ohnehin großen Haftungsrisiken, die sich aus einer Rechtsberatung durch den Architekten/Ingenieur ergeben, sollte daher auch zukünftig die Geltendmachung von Mängelrechten der anwaltlichen Beratung des Bauherrn vorbehalten bleiben.

 

e) Kündigung/Teilkündigung

 

Der Gesetzgeber hat zum einen die Kündigung aus wichtigem Grund nunmehr ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen, zum anderen die Möglichkeit der Teilkündigung des Auftraggebers bei abgrenzbaren Teilen der Bauleistung.

 

Es bedarf also nicht mehr, wie in der Vergangenheit, in sich abgeschlossener Leistungen.

 

Dies kann zur Folge haben, dass die Bereitschaft der Auftraggeber wächst, Verträge insgesamt oder hinsichtlich abgrenzbarer Teile zu kündigen.

 

Dabei sollte dem Auftraggeber klar sein, welche Folgen dies hat.

 

Liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung oder Teilkündigung nicht vor, so erfolgt Umdeutung der Kündigungserklärung in eine freie Kündigung/Teilkündigung des Bauvertrages.

 

Kündigt der Auftraggeber, ohne dass ihm ein wichtiger Grund zur Seite steht, so kann der Werkunternehmer nicht nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen abrechnen, sondern darüber hinaus die nicht erbrachten Leistungen, letztere freilich unter Abzug ersparter Aufwendungen.

 

Dabei besteht die weit verbreitete Vorstellung, dass die nicht erbrachten Leistungen mit einer Pauschale von 5 % abgerechnet werden, weil dies im Gesetz so steht.

 

Dies ist falsch.

 

Der Gesetzgeber hat im bisherigen § 649 BGB (zukünftig unverändert § 648 BGB) lediglich eine Vermutung aufgenommen, dass der auf die nicht erbrachten Leistungen entfallende Anteil 5 % beträgt.

 

Tatsächlich steht ihm weit mehr zu.

 

Als ersparte Aufwendungen gelten:

 

a) Gerätekosten

b) Materialkosten

c) Baustellengemeinkosten (BGK)

 

Als nicht ersparte Kosten gelten:

 

a) Lohnkosten

b) allgemeine Geschäftskosten (AGK)

c) Wagnis

d) Gewinn

 

Dies bedeutet, dass insbesondere die Lohnkosten, die für die Bauleistung einkalkuliert wurden, komplett nicht erspart sind und folglich vom Werkunternehmer bei einer freien Kündigung/Teilkündigung abgerechnet werden können.

 

Daher sollte der Architekt, soweit der Auftraggeber nicht anwaltlich beraten ist, tunlichst vorsichtig mit der Empfehlung einer Kündigung/Teilkündigung sein.

 

Und noch etwas.

 

Die Kündigung muss zukünftig, um wirksam zu sein, schriftlich erfolgen.

 

Dies muss sowohl bei der Kündigung des Auftraggebers, als auch bei der Auftragnehmerkündigung bedacht werden.

 

f) Zustandsfeststellung

 

Eine weitere Neuigkeit im Bauvertragsrecht ist die unter § 650 g BGB aufgenommene sogenannte Zustandsfeststellung.

 

Zeigt der Werkunternehmer Fertigstellung der Bauleistung an und verlangt deren Abnahme und wird diese durch den Besteller unter Angabe von Mängeln verweigert, kann der Werkunternehmer zukünftig die Feststellung des Zustandes des Werkes verlangen.

 

Gleiches gilt im Falle der Kündigung des Vertrages.

 

Mit dieser Regelung verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, ein wirksames Mittel zu schaffen, um dem Werkunternehmer bei der Durchsetzung seiner berechtigten Ansprüche zu helfen.

 

Es reicht zukünftig nicht mehr, Mängelrügen als Begründung für die Ablehnung der Abnahme vorzutragen.

 

Verlangt der Werkunternehmer Zustandsfeststellung, so ist der Auftraggeber verpflichtet, daran mitzuwirken.

 

Kommt er dieser Mitwirkungspflicht nicht nach, z. B. weil ihn sein Architekt falsch berät, so kann der Werkunternehmer selbst die Zustandsfeststellung bindend durchführen.

 

Offenkundige Mängel, die bei der Zustandsfeststellung nicht dokumentiert werden, lagen, so vermutet es das Gesetz, auch nicht vor und sind damit erst später entstanden.

 

Zugleich liegt in der Zustandsfeststellung der Gefahrübergang auf den Auftraggeber.

 

Damit ist die Zustandsfeststellung eine Vorwegnahme der Abnahme, weshalb der Architekt seinen Auftraggeber bezugnehmend auf das Zustandsfeststellungsverlangen des Werkunternehmers darüber belehren muss, welche Rechtsfolgen die unterlassene Mitwirkung hat.

 

Angesichts der Bedeutung der Zustandsfeststellung sollte im Vorfeld der Zustandsfeststellung bereits eine lückenlose Mängeldokumentation erfolgen und der Architekt sollte bei der Zustandsfeststellung an der Seite des Bauherrn teilnehmen.

 

g) fiktive Abnahme

 

Mit der Abnahme der Bauleistung geht bekanntlich die Gefahr auf den Besteller über, die Gewährleistung beginnt, die Beweislast für Mängel liegt fortan beim Besteller und die Schlussrechnung wird fällig.

 

Die VOB/B kennt die förmliche Abnahme, die konkludente Abnahme und die fiktive Abnahme, wonach die Abnahmewirkung innerhalb von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung des Auftragnehmers über die Fertigstellung der Leistung eintritt (§ 12 Abs. 5 S. 1 VOB/B).

 

Diese fiktive Abnahme gab es außerhalb des VOB-Vertrages bisher nicht.

 

Solange eine förmliche Abnahme nicht erfolgt war und der Besteller nicht, beispielsweise durch Einzug, die Bauleistung konkludent abgenommen hat, konnte man eine Fertigstellungsmitteilung des Werkunternehmers im BGB-Vertrag zumindest dann ignorieren, wenn die Bauleistung nicht abnahmefähig war.

 

Am 01.01.2018 würde die Empfehlung eines Architekten/Ingenieurs die Fertigstellungsmitteilung in Folge fehlender Abnahmefähigkeit zu ignorieren, nicht ohne Haftungsfolgen für diesen bleiben.

 

Der Gesetzgeber hat nämlich unter § 640 Abs. 2 BGB die fiktive Abnahme auch im BGB-Vertrag eingeführt.

 

Danach gilt das Werk als abgenommen, wenn der Werkunternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert.

 

Der Architekt hat daher auch im BGB-Vertrag zukünftig auf die Fertigstellungsmitteilung zu achten, die dem Bauherrn gesetzten Fristen zu notieren und mindestens eine Mängelrüge zur Begründung der Nichtabnahme vorzutragen, da die Fiktion der Abnahme auch bei nicht abnahmefähiger Leistung eintritt.

 

Dabei muss der Werkunternehmer auf diese Rechtsfolge keineswegs hinweisen, es sei denn, der Auftraggeber ist Verbraucher.

 

h) Schlussrechnung

 

Was im VOB-Vertrag schon immer galt, nämlich dass prüfbar abzurechnen war, gilt nunmehr auch im BGB-Vertrag.

 

Gemäß § 14 Abs. 1 S. 2 VOB/B hat der Werkunternehmer die Rechnung übersichtlich aufzustellen und dabei die Reihenfolge der Posten einzuhalten und die in den Vertragsbestandteilen enthaltenen Bezeichnungen zu verwenden.

 

Die zum Nachweis von Art und Umfang der Leistung erforderlichen Mengenberechnungen, Zeichnungen und andere Belege sind beizufügen (Aufmaß).

 

Änderungen und Ergänzungen des Vertrages sind in der Rechnung besonders kenntlich zu machen, sie sind auf Verlangen getrennt abzurechnen.

 

Wer sich hieran nicht hielt, konnte die Fälligkeit seiner Schlussrechnung nicht herbeiführen.

 

Im BGB-Vertrag galt dies nicht.

 

Die Schlussrechnung musste nicht prüffähig sein, daran scheiterte ihre Fälligkeit nicht.

 

Nach der Neuregelung des § 650 g Abs. 4 BGB ist die Schlussrechnung prüfbar vorzulegen, d.h. mit einer übersichtlichen Aufstellung der erbrachten Leistungen (Aufmaß).

 

Sie gilt dann als prüffähig, wenn der Besteller nicht innerhalb von 30 Tagen nach Zugang der Schlussrechnung begründete Einwendungen gegen ihre Prüffähigkeit erhoben hat.

 

Für den Architekten, der mit der Rechnungsprüfung als Grundleistung der Leistungsphase 8 beauftragt ist, entfällt damit die Unterscheidung in VOB- und BGB-Verträge, wenn es um die Prüfbarkeit geht.

 

Ist die Rechnung, egal ob VOB- oder BGB-Vertrag nicht prüfbar, weil beispielsweise das Aufmaß fehlt, ist sie zurückzuweisen und dies möglichst unverzüglich, denn Einwendungen gegen die Prüffähigkeit sind innerhalb von 30 Tagen zu erheben.

 

i) Auswirkungen des Verbraucherbauvertrages

 

Neu aufgenommen hat der Gesetzgeber den Verbraucherbauvertrag als Unterform des Bauvertrages.

 

Wesentliche Elemente dieses neuen Verbraucherbauvertrages sind

 

- eine Baubeschreibung nach dem Muster gemäß Art. 249 § 2 EGBGB

- ein Widerrufsrecht verbunden mit entsprechender Muster-Widerrufsbelehrung gemäß Art. 249 § 3 EGBGB

- eine Beschränkung von Abschlagszahlungen auf 90 % der vereinbarten Vergütung einschließlich Nachträge

- die Pflicht zur Herausgabe von Unterlagen, die dem Nachweis der Bauordnungsrechts Konformität dienen

- die Unabdingbarkeit all dieser Regelungen

 

Obschon der Verbraucherschutz in Umsetzung der EU-Verbraucherrichtlinie ein wesentliches Motiv des Gesetzgebers war, wird der neue Verbraucherbauvertrag in der Praxis nur eine beschränkte Rolle spielen.

 

Zum einen gilt der neue Verbraucherbauvertrag naturgemäß nur für Verbraucher als Auftraggeber.

 

Damit beschränkt er sich ohnehin auf die kleineren Bauvorhaben, insbesondere also Ein- und Zweifamilienhäuser.

 

Zum anderen ist der Verbraucherbauvertrag begrenzt auf diejenigen Verträge, in denen sich der Werkunternehmer gegenüber einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet.

 

Damit scheiden per se bereits die einzelnen Gewerke aus, denn diese errichten nicht ein neues Gebäude, sondern allenfalls Teilleistungen.

 

Erhebliche Umbaumaßnahmen liegen nur dann vor, wenn sie in ihrer Bedeutung der Errichtung eines neuen Gebäudes gleichstehen.

 

Im Ergebnis wird sich daher die Anwendbarkeit des Verbraucherbauvertrages auf die Fälle beschränken, bei denen auf der einen Seite ein Verbraucher als Auftraggeber und auf der anderen Seite ein GU/als Auftragnehmer, meist ein Hausbauunternehmen, vertraglich verbunden ist.

 

In diesen Fällen ist der Architekt Vertragspartner des GU/GÜ, nicht des Bauherrn.

 

Im klassischen Fall eines Architektenhauses gilt das neue Verbraucherbaurecht also nicht.

 

Weil die Regelungen über den Verbraucherbautrag nicht bereits dann gelten, wenn der von einem Verbraucher als Bauherr beauftragte Architekt gewerkeweise vergibt, kann sich der Architekt in der Beratung des Bauherrn auch nicht auf die verbraucherfreundlichen Regelungen des Verbraucherbauvertrages verlassen.

 

Er sollte daher darauf hinwirken:

 

- dass die von ihm erstellen Leistungsbeschreibungen so konkret wie möglich sind und dem vom Bauherrn vorgegebenen Leistungssoll entsprechen.

- der Bauherr von seinem Recht gem. § 632 a BGB Gebrauch macht.

- der Zahlungsplan so gestaltet ist, dass dem Bauherrn ausreichend Sicherheit nach Abnahme verbleibt.

- ein Gewährleistungseinbehalt vereinbart wird.

- genau geregelt wird, welche Unterlagen, Pläne, Herstellererklärungen etc. dem Bauherrn herauszugeben sind.

 

 

Fazit

 

 

Das ab 01.01.2018 gültige Werkvertragsrecht schafft zum ersten Mal den eigenständigen Vertragstypus des Architekten- und Ingenieurvertrages.

 

Zielfindung und Planung sind nicht mehr länger ein Prozess, sondern Treffen mit dem Sonderkündigungsrecht auf eine Zäsur.

 

Die Möglichkeit der Teilabnahme nach der Leistungsphase 8 wird nunmehr auch gesetzlich geregelt, wenig bedeutsam dürfte die Regelung zur gesamtschuldnerischen Haftung neben dem Werkunternehmer in der Praxis werden.

 

Bedeutsam sind die Auswirkungen der bauvertraglichen Gesetzesänderung auch für Haftungsrisiken des Architekten.

 

Erfurt, 15.08.2017

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