Eine aktuelle Entscheidung des BGH vom 08.03.2012 zeigt wieder einmal, dass es auf den Einzelfall, nicht auf den Grundsatz ankommt. Das Baugrundrisiko trägt grundsätzlich der Bauherr als Eigentümer des Grundstücks. Er ist es, der mit dem Baugrund den Stoff zur Verfügung stellt, auf dem der Auftragnehmer seine Bauleistung zu erbringen hat.
Kommt es während der Bauausführung zu unvorhergesehenen Erschwernissen, so fallen diese in die Sphäre und damit das Risiko des Auftraggebers. Den Bauunternehmer trifft daher grundsätzlich auch keine allgemeine Prüfungspflicht hinsichtlich des Baugrundes, soweit nicht Anlass besteht, Angaben des Auftraggebers in Zweifel zu ziehen.
Treten Baugrundrisiken auf, so entsteht dem Auftragnehmer regelmäßig ein Nachtragsvergütungsanspruch für Mehraufwendungen aufgrund Anordnung im Sinne von
§ 2 Abs. 5 VOB/B.
Der BGH hat in einer Entscheidung vom 08.03.2012 (VII ZR 116/10) deutlich gemacht, dass Unternehmer schlecht beraten sind, wenn sie allzu sorglos mit diesen Grundsätzen umgehen.
Der Kläger hatte ein Grundstück in einem Baugebiet, einer Industriebrache erworben und beauftragte die Beklagte, die dort bereits mehrere Häuser errichtet hatte mit dem Bau eines Reihenmittelhauses. Nach Ablauf der Gewährleistungsfrist von 5 Jahren traten erhebliche Rissbildungen auf. Er nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch, die sich auf Verjährung beruft.
Die Vorinstanz folgte der Verjährungseinrede der Beklagten, da dieser weder Arglist noch ein darauf basierendes Organisationsverschulden anzulasten sei. Der BGH hob die Entscheidung der Vorinstanz auf.
Die Parteien hatten vereinbart, dass für die Ausführung des Bauvorhabens die technischen Bestimmungen der VOB und damit die DIN-Vorschriften maßgebend sind.
Damit hatten die Parteien eine vom Grundsatz abweichende Baugrundrisikoverteilung vorgenommen, weil die Beklagte danach sicherstellen musste, dass eine den Bodenverhältnissen entsprechende Gründung gewählt wurde, durch die die Bauwerkskräfte sicher in den Baugrund abgeleitet werden konnten.
Die Beklagte musste gemäß der damals gültigen DIN 1054 Art, Beschaffenheit, Ausdehnung, Lagerung und Mächtigkeit der Bodenschichten durch Schürfe, Bohrungen und Sondierungen feststellen, sofern die örtlichen Erfahrungen keinen ausreichenden Aufschluss ergaben.
Wäre der Baugrund vorliegend in diesem Umfang untersucht worden, so wäre die fehlende Tragfähigkeit des Bodens erkannt worden.
Da dem Beklagte bekannt war, dass es sich bei dem Baugebiet um eine Industriebrache handelte, bei der mit unterschiedlichsten Bodenverhältnissen zu rechnen war, musste ihm bewusst gewesen sein, dass eine ordnungsgemäße Gründung nur durch eine Bodenuntersuchung gewährleistet werden konnte.
Der BGH nimmt vorliegend an, dass die Beklagte einen offenbarungspflichtigen Mangel arglistig verschwiegen hat, weshalb der Kläger die Verjährung aufgrund der insoweit maßgeblichen Kenntnis noch rechtzeitig innerhalb der Frist gem. § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB gehemmt hat.
Die Entscheidung zeigt zweierlei:
Werden mit der VOB/B auch die allgemeinen technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen VOB/C vertragsgegenständlich so verschiebt sich das Baugrundrisiko.
Gelingt es dem Auftraggeber nachzuweisen, dass der Auftragnehmer Kenntnis von den Baugrundrisiken gehabt hat, so haftet dieser aus dem Gesichtspunkt der Arglist bzw. des Organisationsverschuldens, weit über die Gewährleistungsfrist hinaus.
RA Raber, 05.04.2012