Änderung der anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsabschluss und Abnahme: Was gilt?

 

Sachverhalt

 

 

Im Juli 2006 beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Errichtung von Pultdachhallen.

 

In der Baubeschreibung ist eine Schneelast von 80 kg/angegeben, was sowohl der damals gültigen DIN 1055-5 entsprach, als auch der erteilten Baugenehmigung.

 

Während der Ausführung des Bauvorhabens und vor Abnahme änderte sich das Regelwerk, wonach am Ort des Bauvorhabens eine Schneelast von 139 kg/anzusetzen war.

 

Der Beklagte errichtete die Hallen mit einer Schneelast von 80 kg/und stellte die Bauleistung im August 2007 fertig.

 

Der Kläger verweigerte die Abnahme und forderte den Beklagten auf, das Dach unter Beachtung des zum Zeitpunkt der Abnahme gültigen Regelwerks herzustellen.

 

Dem kam der Beklagte nicht nach und legte Schlussrechnung.

 

Der Kläger klagt auf Zahlung eines Vorschusses zur Mangelbeseitigung.

 

 

Entschieden

 

 

Maßgeblich sind die allgemein anerkannten Regeln der Technik, unabhängig davon, ob öffentlich-rechtlich geringere Anforderungen an die Bauausführung gestellt werden.

 

Dabei kommt es auf die allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme an.

 

Dies gilt auch dann, wenn sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik zwischen Vertragsschluss und Abnahme ändern.

 

In einer solchen Situation bestehen für den Auftraggeber nach Treu und Glauben zwei Optionen.

 

Entweder er verlangt die zum Zeitpunkt der Abnahme maßgeblichen allgemein anerkannten Regeln der Technik, die regelmäßig ein aufwändigeres Verfahren zur Herstellung des Werks erforderlich machen oder der Besteller akzeptiert, dass das Bauvorhaben nach den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen allgemein anerkannten Regeln der Technik zu erbringen war und somit abnahmefähig ist.

 

Verlangt der Besteller die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme, dann kann der Auftragnehmer eine Vergütungsanpassung nach § 2 Abs. 5 oder § 2 Abs. 6 VOB/B verlangen.

 

Der BGH wies den Rechtsstreit daher an das OLG zurück mit der Maßgabe, dass bei Bestehen eines Vorschussanspruchs dem Grunde und der Höhe nach die Mehrkosten für die vom Besteller gewünschte Ausführungsart als Sowiesokosten zum Abzug zu bringen sind.

 

 

Kommentiert

 

 

Die Entscheidung ist zu begrüßen.

 

Sie löst ein Dilemma auf.

 

Der Auftragnehmer kalkuliert den Vertragspreis auf der Grundlage der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

 

Ist für den vereinbarten oder unter gewöhnlichen Umständen zu erwartenden Zeitraum der Leistungserbringung bis zur Abnahme nicht mit einer Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zu rechnen, so kann vom Auftragnehmer nicht erwartet werden, dass er darauf bezügliche Kosten in die Vertragspreise einkalkuliert.

 

Kommt es unter diesen Umständen zu Mehrkosten, weil sich die allgemein anerkannten Regeln der Technik während der Bauausführung ändern und besteht der Besteller auf die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik zum Zeitpunkt der Abnahme, so ist er zu behandeln, als hätte er die Leistung geändert (§ 1 Abs. 3 i. V. m. § 2 Abs. 5 VOB/B) oder Zusatzleistungen angeordnet (§ 1 Abs. 4 i. V. m. § 2 Abs. 6 VOB/B).

 

Dies ist sachgemäß.

 

Für den Auftragnehmer ergibt sich damit allerdings die Notwendigkeit, rechtzeitig während der Bauausführung auf die Änderung der allgemein anerkannten Regeln der Technik hinzuweisen, denn sein Vergütungsanpassungsanspruch umfasst die Mehrleistungen die im Falle eines rechtzeitigen Hinweises entstehen, nicht die Kosten des Rückbaus, die anfallen, weil er es versäumt hat, auf eine Änderung im Regelwerk hinzuweisen.

 

 

BGH Urteil vom 14.11.2017-VII ZR 65/14

RA Raber, 12.02.2018

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