Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit –Kündigung und Detektivkosten

Das BAG entschied am 26.09.2013 über folgenden verkürzt wiedergegebenen Sachverhalt.

Der Kläger war seit Oktober 2000 als Busfahrer im Schichtdienst bei der Beklagten beschäftigt.

Im Zeitraum Januar meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank, desgleichen im Zeitraum 22.02. bis Ende April 2010.

Die Beklagte wandte sich hierauf an den medizinischen Dienst der Krankenkassen, die den Kläger zur Untersuchung vorlud.

Trotz Zugangs des Ladungsschreibens erschien der Kläger nicht.

Stattdessen erfolgten weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nebst Folgebescheinigungen.

Hierauf ließ die Beklagte den Kläger im Zeitraum 16.03. bis 21.03. durch eine Detektei observieren.

Diese stellt fest, dass der vorgeblich arbeitsunfähig erkrankte Kläger körperliche Arbeit im Bistro seines Schwiegervaters verrichtete.

Nachdem der Kläger sich auch nach dem Observierungszeitraum erneut arbeitsunfähig krankschreiben ließ, erfolgte eine erneute Beobachtung durch eine Detektei.

Abermals wurde festgestellt, dass der Kläger im Bistro seines Schwiegervaters arbeitete und dabei alkoholische Getränke zu sich nahm.

Am 27.04.2010 wurde der Kläger sodann vom medizinischen Dienst der Krankenkassen untersucht, wobei seine Arbeitsfähigkeit ab 28.04.2010 festgestellt wurde.

Am 30.04.2010 konfrontierte die Beklagte den Kläger mit den Feststellungen der Detektei und drohte eine Kündigung an.

Der Kläger bestritt im Bistro seines Schwiegervaters gearbeitet zu haben.

Die Beklagte sprach hierauf eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung aus, gegen die der Kläger Kündigungsschutzklage einreichte.

Widerklagend beantragte die Beklagte Zahlung der ihr entstandenen Detektivkosten in Höhe von nahezu 13.000,00 €.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab und gab der Widerklage in Höhe eines Teilbetrages statt.

Das LAG bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main und ließ hinsichtlich der Widerklage die Revision zu, worauf am 26.09.2013 das BAG entschied.

Das BAG musste sich vorliegend in Folge der Beschränkung der Revision nicht mit der Wirksamkeit der Kündigung beschäftigen.

Einzig relevant war die Frage, ob ein Anspruch auf Erstattung der Detektivkosten besteht.

Das BAG bejaht einen solchen Erstattungsanspruch, wenn die ermittelten Tatsachen zu einem so schwerwiegenden Verdacht einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung führen, dass eine deswegen ausgesprochene Kündigung im Sinne einer Verdachtskündigung als begründet angesehen werden muss.

Die Schadensersatzpflicht umfasst alle Aufwendungen des Geschädigten, soweit diese nach den Umständen des Einzelfalls als notwendig anzusehen sind.

Dazu gehört auch die Abwehr drohender Nachteile, wenn sich insofern konkrete Verdachtsmomente ergeben.

Ergibt folglich die Observation Indizien, die auf ein vorsätzliches Verhalten des Arbeitnehmers hindeuten, dass er in Wahrheit nicht erkrankt war, bestehen also Indizien, dass sich der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und in Folge dessen die Entgeltfortzahlung erschlichen hat, so steht dem Arbeitgeber ein Ersatzanspruch bezüglich der Detektivkosten zu.

Dabei ist es irrelevant, ob sich der Kläger gesundheits- und/oder genesungswidrig verhalten hat.

Maßgeblich ist allein, ob er sich vorsätzlich so verhalten hat, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung der Schluss gezogen werden muss, er sei nicht arbeitsunfähig gewesen.

Die Entscheidung ist von großer Brisanz, denn es gehört mittlerweile zur (für den Arzt) kostenlosen Serviceleistungen gegenüber dem Patienten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auszustellen, ohne tatsächlich ärztliche Feststellungen zur Arbeitsunfähigkeit gemacht zu haben.

Dabei scheint der Mehrzahl der Ärzte, die so verfahren nicht bekannt zu sein, dass sie mit der Erfüllung des Straftatbestanden des § 278 StGB ihre eigene Existenz gefährden können.

Da die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die widerlegliche Vermutung in sich birgt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig ist, sehen sich Arbeitgeber in bestimmten Fallkonstellationen in der Situation eigene Recherchen anzustellen.

Dies gilt insbesondere dann, wenn das Erschleichen der AUB naheliegt.

Der medizinische Dienst der Krankenkassen erweist sich im Regelfall nicht als geeignetes Mittel, da er zunächst den Arbeitnehmer laden und einen Termin zur Untersuchung bestimmen muss.

Erscheint der Arbeitnehmer nicht, so kann dies vielfältige Gründe haben und widerlegt nicht in jedem Fall die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Erscheint er und ergibt die Untersuchung, dass er arbeitsfähig ist, so gilt dies nicht für die Vergangenheit, sondern nur für die Zeit nach Feststellung.

Damit bleibt dem Arbeitgeber letztlich nur der Weg über die Beauftragung einer Detektei.

Die Kosten, die dabei anfallen, können erheblich sein, zumal den letztlich relevanten Feststellungen zeitintensive Beobachtungen vorangehen.

Umso wichtiger ist die Entscheidung des BAG, die den Arbeitgebern mehr Rechtsicherheit gibt.

Die Entscheidung des BAG gibt dem Arbeitgeber grundsätzlich den Erstattungsanspruch, wenn die Recherchen ergeben, dass ein Verhalten des Arbeitnehmers festgestellt wurde, das nach allgemeiner Lebenserfahrung den Schluss zulässt, er sei nicht arbeitsunfähig gewesen.

Die Entscheidung stellt zugleich ebenfalls klar, dass ein Erstattungsanspruch nicht besteht, wenn dies nicht der Fall ist.

BAG Urteil vom 26.09.2013- 8 AZR 1026/12
RA Raber 27.03.2014

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