SOKA-BAU ist ein Schreckgespenst für die Handwerksbetriebe, eine Einrichtung, von der man ebensowenig Post zu bekommt wünscht, wie von der Steuerfahndung.
Grund hierfür sind zum einen die beachtlichen Beiträge von zwischenzeitlich 20,4 % in den alten und 17,2 % in den neuen Bundesländern, aber auch die Möglichkeit der rückwirkenden Veranlagung für bis zu vier Jahre, was für viele kleine Handwerksunternehmen den Ruin bedeutet.
Grund hierfür ist weiterhin ein Gefühl der Ohnmacht gegen eine Institution die angefangen beim Gerichtstand über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bis zur Rechtsprechung des BAG alle Vorteile auf ihrer Seite hat.
1. Was steckt hinter SOKA-BAU
Ausgangspunkt ist ein guter Gedanke.
Klassische Baubetriebe können ihre Bauleistung oftmals nur witterungsabhängig erbringen, eine ganzjährige Beschäftigung der Mitarbeiter ist oftmals nicht möglich, womit wiederum eine hohe Fluktuation der Mitarbeiter und oftmals nur kurze Beschäftigungszeiten verbunden sind.
Dies hat Folgen für den gesetzlichen Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers.
Dieser erwirbt erst nach sechs Monaten den vollen Urlaubsanspruch von 24 Tagen im Rahmen einer Sechstagewoche und 20 Tagen im Rahmen einer Fünftagewoche.
Endet des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf von sechs Monaten, so bekommt er für den noch nicht genommen Urlaub Urlaubsabgeltung.
Endet des Arbeitsverhältnisses unmittelbar nach Ablauf von sechs Monaten, so steht ihm der gesamte gesetzliche Urlaubsanspruch zu, den der Arbeitgeber abgelten muss.
Die Folgen für den Arbeitgeber sind zunächst nachteilig.
Nachteilig für den Arbeitnehmer ist wiederum, wenn der Arbeitgeber in Insolvenz geht.
Das Insolvenzrisiko ist in Folge starker konjunktureller Schwankungen im Baugewerbe durchaus nicht zu leugnen.
Die Tarifparteien haben den Besonderheiten des Baugewerbes insbesondere mit zwei für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen Rechnung getragen, nämlich zum einen mit dem Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV) und dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren über das Baugewerbe (VTV).
Nach dem BRTV steht den Beschäftigten in Betrieben des Baugewerbes ein Urlaubsanspruch/Jahr von 30 Arbeitstagen im Rahmen einer Fünftagewoche zu. Die Urlaubsdauer richtet sich nach den in Betrieben des Baugewerbes zurückgelegten Beschäftigungstagen.
Dabei erwirbt der Arbeitnehmer nach jeweils zwölf Tagen (Schwerbehinderte nach jeweils 10,3 Tagen) Anspruch auf einen Tag Urlaub.
Eine Besonderheit liegt darin, dass der Urlaub nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht abgegolten wird, wenn der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten ein neues Beschäftigungsverhältnis mit einem Betrieb des Baugewerbes begründet.
Kommt es hierzu nicht und steht dem Arbeitnehmer tatsächlich Urlaubsabgeltung zu, so richtet sich der Urlaubsabgeltungsanspruch gegen die Sozialkasse.
Bleibt der Arbeitnehmer in Betrieben des Baugewerbes, nimmt er den noch verbliebenen alten Urlaub mit in das neues Arbeitsverhältnis, sodass es zu Doppelansprüchen nicht kommen kann, denn die Sozialkasse führt ein Arbeitnehmerurlaubskonto.
Wird beispielsweise ein Arbeitnehmer beim Arbeitgeber A, einem Baubetrieb über sieben Monate beschäftigt, so steht ihm nach dem BRTV ein Urlaubsanspruch im Umfang von 17,5, aufgerundet 18 Tagen zu.
Nehmen wir an, dass der Arbeitnehmer während dieser sieben Monate nur zwei Urlaubstage in Anspruch nimmt und anschließend zum Arbeitgeber B wechselt.
Beim Arbeitgeber B ist der Arbeitnehmer nur einen Monat beschäftigt und nimmt in diesem Zeitraum 14 Tage Urlaub.
Nach dem BRTV wäre dies möglich, denn der Arbeitnehmer nimmt den alten Urlaub mit, ohne vom vorherigen Arbeitgeber Abgeltung zu erhalten.
Den Nachteil hätte folglich der Arbeitgeber B, der den Arbeitnehmer nur kurzfristig beschäftigt hat.
Diesen Nachteil vermeidet das Urlaubverfahren der Ulak.
Gem. § 12 Abs. 1 des VTV erstattet die Ulak dem Arbeitgeber die von ihm an den Arbeitnehmer ausgezahlte Urlaubsvergütung, sodass in unserem Beispielsfall der Arbeitgeber B nicht schlechter gestellt ist, als der Arbeitgeber A.
Möglich ist dieses Verfahren deshalb, weil sowohl Arbeitgeber A als auch B als Betriebe der Bauwirtschaft am Urlaubsverfahren teilzunehmen verpflichtet sind.
Ob es allerdings hierzu tatsächlich eines Sozialkassenverfahrens bedarf, ist fraglich.
Rechnen Sie selbst aus, wie hoch der Tagesverdienst Ihrer Mitarbeiter ist und wie hoch folglich Ihre jährliche Belastung durch Urlaubsentgelt ist und stellen Sie dem den Jahresbetrag von 17,2 %, im Westen sogar 20,4 % des Jahresbrutto gegenüber und Sie werden feststellen, dass ein beachtlicher Teil Ihres Beitrages nicht mehr an Sie zurückfließt.
Die Gefahr von Doppelansprüchen vermeidet bereits das Bundesurlaubsgesetz unter § 6, in dem überdies geregelt ist, dass der Arbeitgeber am Ende des Arbeitsverhältnisses eine Bescheinigung über den genommenen und den abgegoltenen Urlaub ausstellt, sodass der neue Arbeitgeber nicht Gefahr läuft nochmal in Anspruch genommen zu werden.
Warum sollte auch in der Bauwirtschaft um jeden Preis ein Sozialkassenverfahren notwendig sein, wenn die übrige Wirtschaft auf ein Solches gut verzichten kann.
2. Wen betrifft SOKA-BAU
Maßgeblich ist der Tarifvertrag über Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) der inhaltsgleich mit den BRTV umfassend den betrieblichen Geltungsbereich regelt.
Drunter fallen zunächst alle Betriebe, die im BRTV und dem VTV im Abschnitt V aufgezählt sind.
Abschnitt VII führt diejenigen Betriebe auf, die nicht vom BRTV und VTV erfasst werden.
Wer seinen Betrieb im Abschnitt VII erfasst sieht, lehnt sich zurück und übersieht, dass die Ruhe trügerisch ist.
Ein gutes Beispiel ist das Glaserhandwerk, das im Abschnitt VII 4. als nicht erfasst vom VTV und BRTV aufgeführt ist.
Der wahrscheinlich größte Bereich innerhalb des Glaserhandwerks ist der Fensterbau.
Ein klassischer Fensterbaubetrieb stellt im eigenen Betrieb die Fenster her, bringt sie auf die Baustelle und montiert sie dort.
Damit geht seine Tätigkeit jedoch weit über die des Glaserhandwerks hinaus, denn spätestens mit der Montage erbringt der Glaserbetrieb eine Bauleistung im Sinne der Abschnitte I bis III.
Im Betrieb findet Glaserhandwerk statt, auf der Baustelle baugewerbliche Tätigkeit.
Es handelt sich also um einen Mischbetrieb.
Ob ein solcher Fensterbaubetrieb nunmehr dem Tarifvertrag unterfällt oder nicht, hängt davon ab, welche Tätigkeit überwiegt, die Herstellung der Fenster oder deren Montage auf der Baustelle.
Relevant ist dabei die arbeitszeitlich überwiegende Tätigkeit, nicht der Umsatz.
Anderenfalls wäre es eine Leichtigkeit die Zugehörigkeit zum BRTV /VTV durch entsprechende Preiskalkulation zu umgehen.
Bei der Ermittlung der Tätigkeiten werden gerne die Nebenarbeiten übersehen.
Nach der Rechtsprechung des BAG sind Nebenarbeiten den baugewerblichen Tätigkeiten zuzuordnen, wenn sie zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistung notwendig sind und deshalb mit ihr im Zusammenhang stehen.
So ist auch der Transport von Baumaterialien zur Baustelle als eine für die sachgerechte Ausführung der baulichen Leistungen notwendige Nebenarbeit angesehen worden.
Dasselbe gilt übrigens für Fahr- und Transportdienste, der Schuttentsorgung, der Reinigung, des Aufräumens und des Einrichtens von Baustellen (BAG Urteil vom 16.06.2010 4 AZR 934/08).
Wer also von Jena nach Erfurt fährt und dort 30 Minuten Fenster montiert, hat nicht nur 30 Minuten baugewerbliche Tätigkeit erbracht, sondern bei normaler Fahrtzeit ca. 90 Minuten gewerbliche Bauzeit.
Ebenso interessant ist die Frage der Behandlung von Subunternehmern.
Nach der Rechtsprechung des BAG ist die Einweisung, Bewachung und Kontrolle von Arbeitnehmern eines Subunternehmens dann als eigene baugewerbliche Tätigkeit anzusehen, wenn die Arbeitnehmer des Subunternehmens Arbeiten ausführen, die vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV erfasst werden, der Subunternehmer vom Betrieb mit diesen Arbeiten beauftragt worden ist und ohne die Tätigkeit des Subunternehmens die Bauarbeiten von eigenen Arbeitnehmern durchgeführt werden müssten (BAG Urteil vom 11.06.1997 10 AZR 525/96).
Sub schützt also nicht vor SOKA.
Aus der Summe der Zeiten für reine baugewerbliche Tätigkeiten und dazugehörige Nebenarbeiten ergibt sich mithin der tatsächliche Umfang der baugewerblichen Tätigkeit, die ins Verhältnis zur nicht baugewerblichen Tätigkeit zu stellen ist.
Überwiegt die baugewerbliche Tätigkeit mit 51 %, so ist der Betrieb als Ganzes wie ein Baubetrieb zu behandeln.
3. Was ist mit Tarifverträgen des Handwerks?
Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV enthält insoweit eine Einschränkung, als der Betrieb, der den VTV eigentlich unterfällt, zugleich von einem Tarifvertrag erfasst wird, der gegenüber dem BRTV spezieller ist.
Maßgebliche Kriterien für die Spezialität eines Tarifvertrages sind die räumliche, betriebliche, fachliche und persönliche Nähe des Tarifvertrages, die in eine abschließende Gesamtabwägung gebracht werden.
Das BAG verneint eine allgemeingültige Entscheidung der Frage, ob handwerkspezifische Spartentarifvertrage spezieller sind, als der BRTV oder der VTV (BAG Urteil vom 16.06.2010 4 AZR 934/08).
Eine Spezialität handwerksspezifischer Spartentarifverträge wird man im Interesse der Innungsmitglieder nur erzeugen können, wenn diese Verträge eine eigene, dem jeweiligen Handwerk spezifische Urlaubskassenregelung enthalten.
4. Was tun?
SOKA schickt Ihnen einen Fragebogen/Erfassungsblatt, den Sie ausfüllen und zurückschicken sollen.
Reagieren Sie nicht, so erhalten Betriebe mit Sitz in den alten Bundesländern Post vom Arbeitsgericht Wiesbaden, diejenigen mit Sitz in den neuen Bundesländern Post vom Arbeitsgericht Berlin.
SOKA-BAU macht einen Auskunftsanspruch im Wege einer Auskunftsklage gegen den Betrieb geltend.
Nichts tun ist folglich keine Lösung. Ebensowenig ist es eine Lösung, wenn Sie den Fragebogen ohne Hinzuziehung fachlichen Rats einfach ausfüllen.
Die Ihrerseits einmal erteilte Auskunft hat nämlich hohe Beweiskraft und gem. § 4 Abs. 4 VTV bindende Wirkung.
Kommt es zu einem arbeitsgerichtlichen Verfahren, weil Sie keine oder vorschnell Auskunft erteilt haben, so hat SOKA-BAU eindeutig die besseren Karten.
Nach der Rechtsprechung des BAG reicht es nämlich völlig aus, wenn SOKA-BAU vermutete Tatsachen behauptet und unter Beweis stellt. Dazu gehören z. B. Indizien, wie die Mitgliedschaft in einem Verband der Bauwirtschaft oder gar der Berufsgenossenschaft Bau.
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit der SOKA-BAU obliegt es Ihnen unter Beweisantritt substantiiert darzulegen, dass in Ihrem Betrieb weniger als 50 % der arbeitszeitlichen Tätigkeit beugewerblich geprägt ist.
Wird es knapp, so liegt es an Ihnen detailliert darzustellen, wie hoch der Grad an gelernten Handwerkern und Meistern in Ihrem Betrieb ist und dass Ihr Betrieb das ganze Jahr witterungsunabhängig produziert.
Noch im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden/Berlin wird das Risiko des beklagten Betriebes regelmäßig falsch eingeschätzt.
Wird bis zum Kammertermin nicht substantiiert unter Beweisantritt vorgetragen, so ergeht nach dem Kammertermin eine klagestattgebende Entscheidung, die ohne weiteres vollstreckbar ist.
Es empfiehlt sich daher bereits bei der Ausfüllung und Absendung des Stammblatts/Erfassungsblatts einem Rechtsanwalt aufzusuchen.
RA Raber 15.04.2014