Es beginnt harmlos.
Im Briefkasten eines Betriebes befindet sich Post.
Post von der SOKA-BAU, in der das Unternehmen aufgefordert wird Auskunft darüber zu geben, welche Tätigkeiten ausgeführt werden und wie viele Mitarbeiter mit welcher Lohnsumme in den einzelnen Bereichen beschäftigt werden.
In der Begründung gibt die SOKA-BAU an, dass sie prüfen wolle, ob der jeweilige Betrieb „berechtigt“ ist, ein Konto bei der Sozialkasse zu führen.
Antwortet der Betrieb nicht, so wird er alsbald eine Klageschrift in seinem Briefkasten finden, zugestellt vom Arbeitsgericht Wiesbaden.
Antwortet er ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass letztlich gleiches geschieht, weil die SOKA-BAU die Beiträge rückwirkend für vier Jahre geltend macht.
Dabei kommen erhebliche Summen zusammen.
Der Beitragssatz liegt für gewerbliche Arbeitnehmer bei 17,2 % der Bruttolohnsumme.
Bei einem Bruttogehalt von 2.000,00 € und fünf Mitarbeitern in einem kleinen Unternehmen bedeutet dies eine jährliche Belastung durch die SOKA-BAU in Höhe von 20.640,00 € im Rahmen einer rückwirkenden Festsetzung über den Zeitraum von vier Jahren die stolze Summe von 82.560,00 €.
Die Existenz der Mehrzahl der kleinen Betriebe dürfte damit vernichtet sein.
Was ist geschehen?
Die SOKA-BAU ist kein Sozialversicherungsträger.
Sie ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien der Bauwirtschaft, nämlich des Zentralverbandes des deutschen Baugewerbes eV und des Hauptverbandes der deutschen Bauindustrie e.V. einerseits und der Industriegewerkschaft Bauen-, Agrar-, Umwelt andererseits.
Entstanden ist sie aus der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG (ZVK) und der Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK).
Grundlage der Tätigkeit der SOKA-BAU sind zwei Tarifverträge, nämlich der Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (BRTV) und der Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).
Beide Tarifverträge wurden durch den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit für Allgemeinverbindlich erklärt und sind damit für alle baugewerblichen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich, unabhängig davon, ob sie tarifgebunden sind oder nicht.
Grundlage ist § 5 Abs. 3 AEntG.
Im Vordergrund der Leistungen der SOKA-BAU steht das Urlaubsverfahren nach § 13 ff. des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV).
Grundgedanke ist, dass die Beschäftigten am Bau nach Abschluss eines Projektes häufiger als in anderen Wirtschaftszweigen die Arbeitsstelle und damit auch den Arbeitgeber wechseln.
Aus diesem Grunde soll durch überbetriebliche Regelungen sichergestellt werden, dass die notwendige Flexibilität und Mobilität nicht zu Nachteilen beim Urlaub führt.
Wechselt ein Arbeitnehmer mehrfach während eines Jahres den Arbeitgeber, so erwirbt er keinen Anspruch auf zusammenhängenden Urlaub, weil ihm dieser erst nach sechs Monaten Tätigkeit bei einem Arbeitgeber zusteht.
Aus diesem Grunde wird für jeden baugewerblichen Arbeitnehmer bei der SOKA-BAU ein Arbeitnehmerkonto geführt, auf dem Freizeit- und Vergütungsansprüche für einen zusammenhängenden Urlaub angespart werden.
Der aktuelle Arbeitgeber, bei dem der Arbeitnehmer seinen Urlaub nimmt, zahlt die Urlaubsvergütung – anteilig für die gewährten Urlaubstage – aus und bekommt den ausgezahlten Betrag von der SOKA-BAU erstattet.
Dieser Leistung der SOKA-BAU steht ein beachtlicher Sozialkassenbeitrag des einzelnen Betriebes in Höhe von 17,2 % der Summe der Bruttolöhne aller vom Tarifvertrag erfassten gewerblichen Arbeitnehmer und 39,00 € / Kalendermonat für alle vom Tarifvertrag erfassten Angestellten gegenüber.
Nach den Berechnungen der Innungen liegen die erhobenen Gesamtumlagen regelmäßig höher als die Erstattungsleistung, sodass sich die Mitgliedschaft der Mehrzahl der Betriebe in der SOKA-BAU nicht rechnet.
Wie aber verhindert man die Mitgliedschaft?
Erfasst sind diejenigen Betriebe, die in dem betrieblichen Geltungsbereich gem. § 1 Abs. 2 VTV einbezogen sind.
Dies sind zunächst die dort unter Abschnitt I-III aufgeführten Betriebe, die Bauten aller Art erstellen, bauliche Leistungen oder sonstige bauliche Leistungen erbringen.
Hinzukommen die exemplarisch aufgeführten Betriebe unter Abschnitt IV-V.
Für Metallbauunternehmen kommen vorliegend unter Anderem Ziff. 12 Fassadenbauarbeiten und Ziff. 13 Fertigbauarbeiten in Betracht.
Erheblich ist, ob im einzelnen Betrieb überwiegend bauliche Leistungen dieser Art erbracht werden.
Ob bauliche Leistungen überwiegend erbracht werden, bemisst sich danach, ob die überwiegende betriebliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf derartige bauliche Leistungen entfällt.
Nicht maßgeblich sind dagegen wirtschaftliche Gesichtspunkte wie Umsatz oder Verdienst oder Handels- oder gewerberechtliche Kriterien wie z. B. die Eintragung im Handelsregister (BAGE 85, 81).
Betriebe, die überwiegend eine oder mehrere der in den Beispielen des Abschnitts V genannten Tätigkeiten ausführen, fallen unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne dass die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I-III geprüft werden müssen (BAGE 48,11).
Den baugewerblichen Tätigkeiten ebenfalls zuzuordnen sind diejenigen Nebenarbeiten, die zu einer sachgerechten Ausführung der baulichen Leistungen notwendig sind und deshalb mit ihnen im Zusammenhang stehen (BAGE 55,78).
Sind danach die Voraussetzungen für die Erbringung überwiegend baulicher Leistungen gegeben, so ist der Weg zur baulichen Prägung des Betriebes nicht mehr weit.
Dieser ist nämlich schon dann gegeben, wenn mit Werkstoffen, Arbeitsmitteln und Arbeitsmethoden des Baugewerbes gearbeitet wird, auch dann, wenn diese Werkzeuge und Arbeitsmethoden auch in anderen Berufssparten Verwendung finden (BAG 15.11.2006 10 AZR 698/05).
Allein dies zeigt, wie wichtig es ist rechtlichen Rat einzuholen, bevor Auskünfte erteilt werden, die man im Nachhinein besser nicht gegeben hätte.
Es gibt allerdings eine Branche, die zumindest derzeit von Risiken dieser Art befreit ist.
Die Innungsmitglieder der Metallbetriebe.
Die Betriebe des Metallhandwerks verfügten bereits in der Vergangenheit über eigene Tarifverträge, sodass sich die Frage stellte, welchem Tarifvertrag Vorrang zukommt, dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe und dem VTV einerseits oder den Tarifverträgen des Metallhandwerks.
Im Falle einer Tarifkonkurrenz stellte das BAG in der Vergangenheit ausschließlich darauf ab, welcher Tarifvertrag spezieller ist.
Dies waren die Tarifverträge des Metallhandwerks.
An dieser Rechtsprechung hielt das BAG allerdings nicht fest.
Im Herbst 2004 fand ein Wechsel der Rechtsprechung des BAG statt (BAG 10. Senat, 10 AS 6/04) danach sind nur solche Tarifverträge spezieller, die über einen eigenen Sozialkassentarifvertrag verfügen.
Gerade das ist im Metallhandwerk nicht der Fall und ist mit Rücksicht auf die Liquidität der Mitgliedsbetriebe auch gar nicht gewollt.
Aus diesem Grunde hätten Mitgliedsbetriebe trotz Innungsmitgliedschaft der Verpflichtung unterlegen, Beiträge an die SOKA-BAU zu entrichten.
Es ist letztlich dem Bundesverband Metall (BVM) zu danken, dem es in langen und schwierigen Verhandlungen mit den Tarifvertragsparteien des Baugewerbes gelang am 25.05.2005 eine Vereinbarung abzuschließen, wonach für die Mitgliedsbetriebe die alten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor dem Herbst 2004 nach wie vor Gültigkeit hat.
Dieser Schutz gilt auch rückwirkend.
Der Schutz vor Inanspruchnahme der SOKA-BAU wird somit auch künftig durch die Mitgliedschaft in der Metallinnung erreicht werden, sofern die Metallinnung über dem jeweiligen Landesverband im Bundesverband Metall (BVM) organisiert ist.
Der BVM rät daher:
Werden Sie Innungsmitglied.
Sollten Sie sodann Post von der SOKA-BAU erhalten, so wenden Sie sich an Ihre Innung, damit der Landesverband gegenüber der SOKA-BAU bestätigen und überwachen kann, dass Sie nicht von der SOKA-BAU erfasst werden, bzw. bei einer bereits erfolgten Erfassung, dass Ihr Konto bei der SOKA-BAU geschlossen wird.
RA Raber, 12.10.2009