Schadensersatz bei Nichtbeachtung des Wechsels in OT-Mitgliedschaft?

Beim Fechten kommt es zuweilen darauf an, den gegnerischen Stoß rechtzeitig zu parieren, ihm also auszuweichen, ins Leere gehen zu lassen.
Auch im Arbeitskampf wird gefochten, wobei der punktuelle Einsatz des Warnstreiks ein sehr effizientes Mittel der gewerkschaftlichen Kampfführung ist.

Um einem solchen Angriff die Spitze zu nehmen, macht es aus Arbeitgebersicht Sinn auszuweichen.

Das einfachste Mittel besteht darin, dem Warnstreit die Grundlage zu nehmen, denn Warnstreiks dürfen zur Durchsetzung ausschließlich verbandsbezogener Tarifforderungen nur in Unternehmen mit Tarifbindung durchgeführt werden.

Umso naheliegender ist für das betroffene Unternehmen der kurzzeitige Statuswechsel innerhalb des Arbeitgeberverbands von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine OT-Mitgliedschaft. Ein Wechsel, der dem gegnerischen Angriff die Grundlage entzieht.

Das BAG hat wiederholt klargestellt, dass ein kurzfristiger Statuswechsel das damit verbundene Ziel nicht immer erreicht. Wenn auch vereinsrechtlich unproblematisch, muss die Gewerkschaft gleichwohl prüfen können, ob sich durch den Statuswechsel die Verhandlungssituation und die Rahmenbedingungen für den geplanten Tarifabschluss wesentlich geändert haben.

Anderenfalls soll der Statuswechsel tarifrechtlich unwirksam sein. Wesentliche Voraussetzung ist daher, dass der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband die Gewerkschaft rechtzeitig über die Beendigung der Mitgliedschaft mit Tarifbindung in Kenntnis setzen.

Ob dem Arbeitgeber bei gleichwohl Durchführung eines Warnstreiks ein Schadensersatzanspruch zusteht, lässt das BAG offen.

Nicht jedes rechtswidriges Verhalten einer Koalition bei der Wahrung und Förderung von Arbeitsbedingungen im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG ist zugleich als schuldhaft zu bewerten, weil hierdurch unzumutbare Haftungsrisiken entstünden.

Unberührt bleibt ohnehin die Möglichkeit der Gewerkschaft auch gegen OT-Mitglieder einen Partizipationsstreik zu führen, soweit dieser im Ergebnis eines Verbandsarbeitskampfs mehr oder weniger wahrscheinlich Anteil hat, weil der mit dem Außenseiter vereinbarter Firmentarifvertrag eine dynamische Bezugnahmeklausel auf Verbandstarifverträge enthielt.

Trotz seiner Einschränkungen sollte arbeitgeberseitig bei drohendem Warnstreit kurzfristig über den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft nachgedacht und die Gewerkschaft rechtzeitig informiert werden.

RA Raber, 02.01.2012, BAG Urteil vom 19.06.2012, I AZR 775/10,

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