Kündigungsschutz schwerbehinderter Arbeitnehmer verschärft

Im Zuge des Bundesteilhabegesetzes sind zum 30.12.2016 Anpassungen im Schwerbehindertenrecht (SGB IX) vorgenommen worden.
Viele dieser Änderungen betreffen Betriebe mit mehr als 100 Arbeitnehmern.

Die wesentliche Änderung jedoch betrifft alle Betriebe.

1.
Nach dem geänderten § 95 Abs. 2 SGB IX ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen, die der Arbeitgeber ohne eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ausspricht unwirksam.

Zwar war die Schwerbehindertenvertretung auch bislang umfassend zu unterrichten und vor einer Entscheidung zu beteiligen, jedoch blieben Verstöße dagegen sanktionslos.

Ein Verstoß gegen die Beteiligungspflicht der Schwerbehindertenvertretung blieb für die Wirksamkeit der Kündigung ohne Einfluss.

Für die nunmehr sanktionierte Beteiligungspflicht kommt es nicht auf die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses an.

Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung hat auch dann zu erfolgen, wenn das Arbeitsverhältnis noch keine sechs Monate bestanden hat, der Arbeitnehmer mithin noch keinen Kündigungsschutz genießt.

Die Schwerbehindertenvertretung ist bei allen Kündigungen zu beteiligen, unabhängig ob außerordentlich oder ordentlich, unabhängig ob aus Verhaltens-, Personen-oder betriebsbedingten Gründen.

Ebenso besteht die Beteiligungspflicht bei Änderungskündigungen.

Sie besteht nicht bei der Anfechtung des Arbeitsverhältnisses oder beim Abschluss von Aufhebungsverträgen.

Der Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung bedarf es nicht, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht kannte, diese nicht offensichtlich war und der Arbeitnehmer ihm diese auch nicht innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung nicht nachträglich mitteilt.

Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach einem sechsmonatigen Bestand des Arbeitsverhältnisses gefragt hatte, ob dieser schwer behindert ist und der Arbeitnehmer die Frage wahrheitswidrig verneint.

Kein Beteiligungserfordernis besteht, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch kein Anerkennung-bzw. Gleichstellungsbescheid vorliegt, es sei denn die Schwerbehinderteneigenschaft war offensichtlich oder der Arbeitnehmer hat mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung gestellt, dem später mit Rückwirkung entsprochen wird.

2.
Der Arbeitgeber beteiligt die Schwerbehindertenvertretung ebenso, wie er den Betriebsrat beteiligt, d. h. durch ordnungsgemäße Anhörung und zwar vor Einreichung des Zustimmungsantrags an das Integrationsamt.

Es empfiehlt sich daher zeitgleich Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung durch ein einheitliches Anhörungsschreiben zu informieren, welches der Rechtsprechung zur ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats entspricht.

Eine Frist bestimmt die Neuregelung nicht, weshalb es sich empfiehlt, sich an der Regelung im BetrVG zu orientieren, d. h. eine Woche.

Nach Ablauf der  Woche wird Antrag auf Zustimmung zur bevorstehenden Kündigung zum Integrationsamt gestellt.

In keinem Fall darf der Antrag auf Zustimmung des Integrationsamtes vor Anhörung der Schwerbehindertenvertretung erfolgen.

3.
Verstöße gegen die Verpflichtung zur Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung haben zum einen zur Folge, dass die Kündigung unheilbar nichtig ist, zum anderen riskiert der Arbeitgeber ein Bußgeld.

Die Verschärfung des Kündigungsschutzes zu Gunsten schwerbehinderter Arbeitnehmer hat die Erfolgsaussichten gekündigter schwerbehinderter Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess erheblich erhöht.

Mit dem Erfordernis des betrieblichen Eingliederungsmanagements (nicht nur für schwerbehinderte Arbeitnehmer) bei personenbedingten Kündigungen, der ohnehin erforderlichen Anhörung des Betriebsrats, der nunmehr erforderlichen Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und dem Erfordernis der Zustimmung des Integrationsamtes hat der Gesetzgeber nicht nur zahlreiche Hürden geschaffen, sondern weite Felder möglicher Fehler des Arbeitgebers, die sich zum einen in der ordnungsgemäßen Anhörung der jeweiligen Vertretung bemerkbar machen werden, zum anderen bei außerordentlichen Kündigungen im strengen Fristenregime des §§ 626 Abs. 2 BGB von nur zwei Wochen.

Rechtsanwalt Raber, 30.01.2017

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