Kündigungsfrist drei Jahre zum Monatsende – unwirksam!
BAG, Urteil vom 26.10.2017 - 6 AZR 158/16
Der vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsvertrag enthielt eine auf sechs Monate befristete Probezeit mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen für beide Vertragsparteien, im Anschluss daran eine Kündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende.
Nach Ablauf der Probezeit trafen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, die eine Gehaltserhöhung von 2.400,00 € auf 2.800,00 € zum Gegenstand hatte, abhängig allerdings von einem monatlichen Reinerlös von 20.000,00 €. In dieser Höhe wurde das Gehalt über einen Zeitraum von drei Jahren eingefroren.
Weiterhin vereinbarten die Parteien nunmehr eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre zum Monatsende mit der Maßgabe, dass sich der Arbeitnehmer zur Zahlung einer Vertragsstrafe bei vorzeitiger Beendigung verpflichtete.
Nachdem der Arbeitnehmer festgestellt hatte, dass auf allen Computern ein Programm „PC-Agent“ installiert war, welches zur Überwachung der Arbeitnehmer geeignet ist, kündigte er das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Monatsfrist.
Der Arbeitgeber reichte Klage auf Feststellung ein, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist von drei Jahren zum Monatsende fortbesteht.
Entschieden
Das Arbeitsgericht gab der Klage des Arbeitgebers statt, das BAG gab dem Arbeitnehmer Recht. Überschreitet die vom Arbeitgeber vorformulierte Kündigungsfrist die gesetzlichen Grenzen wesentlich, ist nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG zu prüfen, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt.
Zweck der Grundkündigungsfrist nach dem Gesetz ist es, den Vertragsparteien ausreichend Gelegenheit zu geben, sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses einzustellen. So soll einerseits der Arbeitnehmer vor einem plötzlichen Arbeitsplatzverlust geschützt werden, andererseits soll das Interesse des Arbeitgebers an möglichst großer Flexibilität angemessen berücksichtigt werden.
Der Gesetzgeber hat mit einer Begrenzung der Grundkündigungsfrist des Arbeitnehmers auf vier Wochen zum 15. oder zum Ende eines Kalendermonats eine zeitliche Vorgabe geschaffen. Zwar kann hiervon gemäß § 622 Abs. 5 S. 3 BGB einzelvertraglich zu Gunsten längerer Kündigungsfristen abgewichen werden, wenn der Arbeitgeber hieran in gleichem Maße gebunden ist. Die absolute Höchstgrenze ergibt sich aus der gesetzgeberischen Wertung unter § 15 Abs. 4 TzBfG.
Dort hat der Gesetzgeber geregelt, dass bei einem Lebenszeit-Arbeitsverhältnis eine Vertragsdauer von max. 5 Jahren gilt, verbunden mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, also einer Gesamtlaufzeit von 5,5 Jahren.
Eine Verlängerung der Kündigungsfrist über die gesetzliche Kündigungsfrist hinaus bis max. 5,5 Jahre kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn sich diese nicht als unangemessene Benachteiligung darstellt.
Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer an anderer Stelle vertraglich einen Vorteil erhält. Der gewährte Vorteil muss von solchem Gewicht sein, das er einen angemessenen Ausgleich für die lange Kündigungsfrist darstellt. Nachteil und Vorteil sind gegeneinander abzuwägen.
Im entschiedenen Fall sieht das BAG in der Gehaltserhöhung keine ausreichende Kompensation. Ein Höchstentgelt von 2.800,00 € im Rahmen einer 45 h Woche, noch dazu in Abhängigkeit von dem monatlichen Reinerlös und dies wiederum eingefroren über drei Jahre stellt keinen angemessenen Ausgleich für die Tätigkeit des Arbeitnehmers dar.
Mit der Unwirksamkeit der getroffenen vertraglichen Regelung gilt die gesetzliche Regelung, so dass der Arbeitnehmer wirksam unter Einhaltung der gesetzlichen Frist gekündigt hatte, der Antrag des Arbeitgebers auf Feststellung eines darüber hinausgehenden Arbeitsverhältnisses folglich abzuweisen war.
Dass eine Bindung des Arbeitnehmers über einen Zeitraum von drei Jahren unter den geschilderten Umständen nicht wirksam sein konnte, lag auf der Hand.
Die Besonderheit der Entscheidung liegt allerdings darin, dass sie Antwort auf eine Frage geben könnte, die sich derzeit viele Arbeitgeber stellen.
Wie binde ich angesichts eines immer größer werdenden Facharbeitermangels die verbliebenen Mitarbeiter an das Unternehmen?
Ob eine verlängerte Kündigungsfrist hierfür der richtige Ansatz ist, war schon immer zu bezweifeln, denn was macht ein Arbeitnehmer, der das Unternehmen verlassen möchte, daran jedoch durch eine lange Kündigungsfrist gehindert ist? Entweder er macht krank oder aber er verrichtet seine Tätigkeit völlig unmotiviert. Ob die Verlängerung der Kündigungsfrist daher die richtige Antwort auf die Frage der Bindung von Arbeitnehmern ist, erscheint ohnehin fragwürdig.
Wenn man sich jedoch für verlängerte Kündigungsfristen entscheidet, gibt die Entscheidung des BAG auf die Länge solcher Fristen durchaus Antwort.
Unproblematisch ist es, die gesetzlichen Kündigungsfristen des Arbeitgebers einheitlich mit denen des Arbeitnehmers zu gestalten (§ 622 Abs. 6 BGB). Damit erreicht man zumindest eine Kündigungsfrist von max. 7 Monaten.
Alles, was darüber hinausgeht, ist ohne Kompensation nicht möglich. Dabei muss die Kompensation, die dem Arbeitnehmer gewährt wird, umso höher sein, je länger die Kündigungsfrist ist.
Ob Fristverlängerung einerseits und Kompensation andererseits miteinander im Verhältnis stehen, beantwortet im Streitfall das Arbeitsgericht, so dass es durchaus sein kann, dass der Arbeitgeber im Glauben an eine verlängerte Kündigungsfrist eine Kompensation gewährt, die er sich im Falle der Feststellung der Unwirksamkeit der Verlängerung der Kündigungsfrist auch hätte sparen können.
Die Quintessenz aus der Entscheidung des BAG ist daher, dass Mitarbeiterbindung nicht über Kündigungsfristen erfolgt, sondern über gänzlich andere Faktoren.
RA Raber, 12.03.2018