Krankfeiern- Was tun?

Kommt es im Betrieb zum Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder gar zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sei es durch Arbeitgeberkündigung, Arbeitnehmerkündigung oder Aufhebungsvertrag, so folgt umgehend die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Arbeitnehmers.

Dass dies so ist, hat eine einfache Ursache.

Was ist der Patient anderes, als ein Kunde?

Was ist der Arzt anderes, als sein Dienstleister?

Welcher Dienstleister möchte unnötig Kundenbeziehungen belasten, wenn es ganz einfach ist, dem Kundenwunsch durch das Ausstellen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nachzukommen?

Was soll daran auch fragwürdig sein, bedenkt man, dass der Arbeitgeber zwar zunächst bezahlt, sodann jedoch Erstattungsleistungen der Krankenkasse in Anspruch nehmen kann.

Gerne wird dabei vergessen, dass zum einen im U1-Verfahren, die Erstattung von Entgeltfortzahlungsleistungen nur für Betriebe mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern gilt und dass zum anderen die Satzungsbestimmungen der einzelnen Kassen den Erstattungsbetrag auf 40 bis 80 % beschränken.

Das viel Schlimmere daran ist jedoch, dass neben der weit verbreiteten gesellschaftliches Akzeptanz, die durch Krankfeiern entstehenden Kosten schlicht sozialisiert, also auf den Schultern von Arbeitgebern und Arbeitnehmern verlagert werden, die durch Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge die Umlage überhaupt erst ermöglichen.

Zu Recht beklagen sich Arbeitnehmer in diesem Lande darüber, dass ihnen immer weniger Netto vom Brutto verbleibt.

Das Verhalten einiger Ihrer Kollegen ist hierfür mitursächlich.

Es gibt Arbeitgeber, denen es irgendwann zuviel wird.

So geschah es, als eine Mitarbeiterin im Zeitraum vom 27.12.2011 bis 28.02.2012 hintereinander Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen verschiedener Fachärzte vorlegte, die der Arbeitnehmerin jeweils unterschiedliche Erkrankungen, beginnend mit einem Bronchialleiden, zuletzt einem Bandscheibenvorfall attestierten.

Selbstverständlich hätte der Arbeitgeber in dieser Situation den medizinischen Dienst der Krankenkassen beauftragen können.

Dies hätte bei vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit zur Folge gehabt, dass vor dem Eintreffen des medizinischen Dienstes die Wiedergesundung eingetreten wäre.

Der Arbeitgeber entschloss sich, nicht den medizinischen Dienst zu beauftragen, sondern eine Observation durchzuführen und beauftragte eine Detektei.

Diese stellte fest, dass die  Arbeitnehmerin trotz des Bandscheibenvorfalls in der Lage war, mit ihrem Hund spazieren zu gehen und einen Waschsalon aufzusuchen.

Die Detektei dokumentierte das Observationsergebnis mit Hilfe eines Videos.

Die Konsequenzen, die der Arbeitgeber aus dieser Erkenntnis ableitete, sind bislang nicht bekannt.

Bekannt ist, dass die Arbeitnehmerin gegen den Arbeitgeber auf Zahlung eines Schmerzensgeldes klagte.

Das Ergebnis kann man der Pressemitteilung Nr. 7/15 des Bundesarbeitsgerichts entnehmen, die Entscheidung selbst (Urteil vom 19.02.2015-8 AZR 1007/13) ist zum Zeitpunkt dieses
Artikels noch nicht veröffentlicht.

Wer bis zur Publikation der Pressemitteilung geglaubt hätte, dass das BAG der Arbeitnehmerin den Anspruch auf Entgeltfortzahlung verwehrt hätte, irrt.

Im Gegenteil:

Der Arbeitgeber muss Schmerzensgeld bezahlen.

Das BAG folgte damit den Vorinstanzen.

Das BAG bringt in der Pressemitteilung bereits zum Ausdruck, dass die Überwachung eines Arbeitnehmers rechtwidrig ist, wenn der dieser Überwachung zugrundeliegende Verdacht auf einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit, nicht auf konkreten Tatsachen beruht.

Erfolgt gleichwohl Überwachung liegt eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, sodass sich ein Geldentschädigungsanspruch des Arbeitnehmers ergibt.

Wir wissen nicht, was sich in diesem konkreten Fall zugetragen hat, klar ist jedoch, dass Arbeitgeber zukünftig sehr genau darüber nachdenken sollten, bevor sie eine Detektei beauftragen oder selbst Erkundungen durchführen.

Da niemand im Vorhinein beurteilen kann, ob im ausreichendem Umfang konkrete Tatsachen vorliegen, die einen Verdacht begründen, droht die Recherche, die Einstellung der Entgeltfortzahlung oder gar die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum Fiasko zu werden, das mit einer begründeten Widerklage des Arbeitnehmers auf Zahlung von Schmerzensgeld endet.

Hat das BAG damit dem Krankfeiern einen Freibrief erteilt?

Das BAG hatte über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers im Mittelpunkt stand.

Wer als Arbeitgeber Arbeitnehmern hinterherspioniert, um Erkenntnisse über das ob und wie ihrer Erkrankung zu erfahren, wird sich zukünftig regelmäßig an dieser Entscheidung reiben müssen.

Ein sinnvoller Weg lag darin noch nie, denn in den meisten Fällen sagt der Spaziergang eines Arbeitnehmers mit seinem Hund und der Gang in den Waschsalon nichts darüber aus, ob dieser arbeitsunfähig krank ist oder nicht.

Arbeitgeber, die sich auf derlei Videoaufzeichnungen verlassen, hätten sich in den meisten Fällen das Geld für die Detektei ohnehin sparen können.

Die entscheidende Schwachstelle liegt im Verhalten des Arztes, der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt.

Die Mehrzahl der Ärzte ist bereit gewissermaßen als ärztliche kostenlose Serviceleistung, die AU-Bescheinigung auszustellen.

Den wenigsten Ärzten ist bekannt, dass dies für sie strafrechtliche Folgen haben kann.

Gem. § 278 StGB werden Ärzte, die eine falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Folgebescheinigungen ausstellen mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Eine unrichtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung liegt beispielsweise schon dann vor, wenn diese ausgestellt wird, ohne dass eine Untersuchung stattgefunden hat (BGH NStZ-RR 07, 343 f.).

Von der AU-Bescheinigung wird auch Gebrauch gemacht, denn diese wird der Krankenkasse vorgelegt und führt zum Beispiel zu Erstattungsleistungen im U1-Verfahren.

Darf man dementsprechend davon ausgehen, dass ein kompletter Berufstand kollektiv Straftaten begeht?

Sicher nicht, denn der überwiegenden Mehrzahl der Ärzte ist die Strafbestimmung des § 278 StGB überhaupt nicht bekannt.

Umso wichtiger ist es, die Ärzteschaft stärker mit den Strafvorschriften vertraut zu machen.

Bestehen mithin konkrete Verdachtsmomente, dass es an der Arbeitsunfähigkeit fehlt, weil beispielsweise der Arbeitnehmer nach Eigenkündigung seinen Arbeitsplatz beräumt und seine Privatsachen mitnimmt, worauf am nächsten Tag die AU-Bescheinigung vorliegt, so empfiehlt es sich den damit einhergehenden Verdacht auf Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses gem. § 278 StGB durch eine Strafanzeige zum Ausdruck zu bringen.

Ob dies sodann zu einer Bestrafung des Arztes kommt, mag dahinstehen.

Wichtig ist der Lernerfolg.

RA Raber, 24.02.2015

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