Ein Betrieb stellt Industriebatterien her. Beim Ladeprozess besteht Brand- und Explosionsgefahr, weshalb eine ununterbrochene Beobachtung erfolgt. In den Betriebsräumen herrscht Rauchverbot.
Ein Arbeitnehmer - der spätere Kläger - wird in der Nachtschicht in einem dunklen Büro mit Kopfhörern vorgefunden, es riecht nach Rauch. Auf dem Schreibtisch liegt eine Zigarettenschachtel, die der Arbeitnehmer auf Nachfrage als seine bezeichnet.
Da der Arbeitnehmer damit augenscheinlich weder seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachgekommen, noch das Rauchverbot beachtet hat, kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis.
Im Kündigungsschutzprozess behauptete der Arbeitnehmer plötzlich, er habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten sehr wohl wahrgenommen. Außerdem hätten sich in der Zigarettenschachtel keine Zigaretten, sondern Tabletten und Bonbons befunden.
Schließlich sei die Kündigung auch deshalb unwirksam, weil vorrangig eine Abmahnung auszusprechen war.
Das Arbeitsgericht folgt der Auffassung des Arbeitnehmers, wonach die Kündigung mangels vorheriger Abmahnung unwirksam sei.
Der Arbeitgeber stellt nunmehr einen Antrag gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG mit der Begründung, dass der Arbeitnehmer im Prozess gelogen hat und daher eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht zu erwarten ist.
Das Arbeitsgericht weist den Antrag des Arbeitgebers zurück.
Vor dem BAG bekommt der Arbeitgeber recht.
Selbst dann, wenn die ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, etwa weil vorrangig eine Abmahnung auszusprechen war, können unwahre Aussagen über die Kündigungsgründe einen versuchten Prozessbetrug darstellen, welcher regelmäßig die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.
Der Arbeitnehmer darf zur Verteidigung seiner Rechte alles vortragen, was zu seinen Gunsten erheblich sein könnte, allerdings nur unter Beachtung der prozessualen Wahrheitspflicht.
Die Entscheidung ist zu begrüßen.
Lügt der Arbeitnehmer im Prozess, so führt dies nicht zwangsläufig zur Wirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung.
Diese kann aus vielfältigen Gründen gleichwohl unwirksam sein.
In diesen Fällen muss es dem Arbeitgeber möglich sein, das Arbeitsverhältnis gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG zu lösen.
Die Entscheidung des BAG sanktioniert die Lüge, gibt der prozessualen Wahrheitspflicht Gewicht und wird in der anwaltlichen Beratungspraxis sowohl auf Arbeitnehmer-, als auch auf Arbeitgeberseite nicht ohne Folgen bleiben.
RA Raber, 30.10.2018
BAG, 25.05.2018 - 2 AZR 73/18