Der Arbeitgeber befragt den Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung, ob dieser schwerbehindert ist. Obschon der betreffende Arbeitnehmer einen Grad der Behinderung von 60 % hatte, verneint er die Frage. Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis hierauf, worauf der Arbeitnehmer in der Kündigungsschutzklage ausführt schwerbehindert zu sein, verbunden mit der Folge, dass die Kündigung Mangels zuvoriger Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam sei.
Das BAG wies die Klage des Arbeitnehmers mit der Begründung ab, dass dieser sich unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Vorverhaltens im Prozess nicht mehr auf seine Schwerbehinderung berufen könne.
Damit beantwortet das BAG zugleich die Frage, ob der Arbeitgeber in bestehenden Arbeitsverhältnissen, jedenfalls nach 6 Monaten, also nach Erwerb des Behindertenschutzes gem. §§ 85 ff. SGB IX, gegebenenfalls zur Vorbereitung von Kündigungen die Frage nach der Schwerbehinderung stellen darf.
Das BAG bescheinigt dem Arbeitgeber, dass er seine Pflichten, eine Schwerbehinderung bei der Sozialauswahl zu berücksichtigen und das Integrationsamt vor der Kündigung eines Schwerbehinderten anzurufen nur nachkommen kann, wenn er von der Behinderung weiß.
In seiner Frage nach dem Schwerbehindertenstatus liegt auch keine Diskriminierung, sodass das AGG nicht berührt ist.
In der Praxis wird der Entscheidung allerdings weniger Bedeutung zukommen, da Arbeitnehmer befragt nach ihrer Behinderung vor Ausspruch einer Kündigung in den seltensten Fällen eine verneinende Antwort erteilen, sondern regelmäßig ausweichend antworten. (BAG Urteil vom 16.02.2012- 6 AZR 553/10)
RA Raber, 09.07.2012