„Fall Emmely“ – Das Ende der Klarheit

Das BAG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Diebstahl bzw. die Unterschlagung geringwertiger Gegenstände aus dem Eigentum des Arbeitgebers einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen.

Es stellt dabei darauf ab, dass sowohl Diebstahl, als auch Unterschlagung, Untreue und Betrug Straftatbestände sind, die nur mit Vorsatz begangen werden können.

Weil dies so ist, muss dem Arbeitnehmer die Widerrechtlichkeit seines Verhaltens bewusst sein.

Aus dem Arbeitsvertrag ergibt sich die Nebenpflicht zur Loyalität, die den Arbeitnehmer verpflichtet auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.

Diese Verpflichtung beinhaltet zugleich das Verbot, den Arbeitgeber rechtswidrig und vorsätzlich durch eine Straftat zu schädigen.

Dabei kann dahinstehen, welchen Wert das Diebesgut oder der unterschlagene Gegenstand hat.

Das BAG hatte am 10.06.2010 über den „Fall Emmely“ zu entscheiden.

Die Arbeitnehmerin war seit April 1977 mit Kassentätigkeit beschäftigt und hatte zwei Leergutbons im Wert von 48 Cent und 82 Cent zum eigenen Vorteil eingelöst.

Der Arbeitgeber sprach hierauf eine fristlose Verdachtskündigung aus.

Die Vorinstanzen gaben dem Arbeitgeber Recht.

Das BAG hob die Entscheidungen auf.

Zwar berührt die Tat den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin und hat damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet, jedoch überwiegen angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Arbeitnehmerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte.

Dazu gehört insbesondere eine über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Arbeitnehmerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb.

Dieses Vertrauen konnte durch den einmaligen Vorfall nicht vollständig zerstört werden.

Im Rahmen der Abwägung war aus Sicht des BAG auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung der Beklagten Bedacht zu nehmen, sodass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.

Das BAG hat damit faktisch seine bislang klare Rechtsprechung aufgegeben, es stellt nunmehr im Rahmen der Abwägung sehr wohl auf den Wert der Sache ab, wenn es die wirtschaftliche Schädigung des Arbeitgebers in die Abwägung einbezieht.

Damit wird es in zukünftigen Kündigungsschutzverfahren regelmäßig um die Dauer des Arbeitsverhältnisses und die Höhe des Schadens gehen.

Das Prognoserisiko hat sich zu Lasten des Arbeitgebers damit wesentlich erhöht.

Der Fall Emmely war sicherlich ein Ausnahmefall, weshalb zu hoffen bleibt, dass das BAG bald Gelegenheit bekommt die falschen Signale zu korrigieren, die von dieser Entscheidung ausgehen.

RA Raber, 18.06.2010

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