Erholungsurlaub Kürzungsrecht des Arbeitgebers während der Elternzeit

Das Bundesarbeitsgericht hat in einer Entscheidung vom 19.05.2015 in ganz wesentlichem Umfang in das Kürzungsrecht des Arbeitgebers eingegriffen.

Gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG ist der Arbeitgeber berechtigt, den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers, der ihm für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen.

Hat der Arbeitnehmer 24 Tage Erholungsurlaub im Jahr und befindet er sich beispielsweise im Zeitraum vom 01.04. bis 30.09. in der Elternzeit, also sechs volle Monate, so kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub von 24 Tagen um 6/12, also 12 Tage kürzen.

Dem Arbeitnehmer steht dann im Urlaubsjahr nur noch ein Anspruch von 12 Urlaubstagen zu.

Nimmt derselbe Arbeitnehmer im Zeitraum vom 05.04. bis 25.09. Elternzeit in Anspruch, so handelt es sich nicht um sechs volle Monate, sondern lediglich um vier volle Monate, mit der Folge, dass das Kürzungsrecht 4/12, also ausgehend von 24 Urlaubstagen im Jahr 8 Tage beträgt. Der Urlaub des Arbeitnehmers verkürzt sich damit auf 16 Tage.

Von seinem Kürzungsrecht kann der Arbeitgeber unproblematisch vor Beginn der Elternzeit oder während der Elternzeit Gebrauch machen.

Auch nach der Elternzeit kann sich der Arbeitgeber für die Kürzung entscheiden.

Nach bisheriger Rechtsprechung war dies sogar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Anschluss an die Elternzeit möglich.

Dies entsprach auch der tatsächlichen Praxis, denn die Mehrzahl der Arbeitgeber hat bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach der Elternzeit nicht vom Kürzungsrecht Gebrauch gemacht, um das Arbeitsverhältnis nicht unnötig zu belasten.

Die Kürzung spielte immer dann eine Rolle, wenn das Arbeitsverhältnis nach Ende der Elternzeit beendet wurde, sei es durch arbeitgeberseitige Kündigung, sei es durch Eigenkündigung des Arbeitnehmers oder durch Aufhebungsvertrag.

In diesen Fällen bestand für den Arbeitgeber kein Bedürfnis mehr Urlaub abzugelten, als unbedingt notwendig.

Genau diesen praktischen Anwendungsfall des Kürzungsrechts hat das BAG zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu ändern.

Hintergrund der Rechtsprechungsänderung ist die vom EuGH erzwungene Aufgabe der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der sogenannten Surrogatstheorie.

Durch die bisherige Rechtsprechung konnte der Arbeitgeber auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach der Elternzeit den Urlaub kürzen und entging auf diese Weise insoweit der Verpflichtung zur Abgeltung des restlichen Erholungsurlaubs des Arbeitgebers.

Nach der neuen Rechtsprechung besteht diese Möglichkeit nur noch eingeschränkt.

Wird das Arbeitsverhältnis nach der Elternzeit beendet, besteht keine Kürzungsmöglichkeit mehr.

Eine rückwirkende Kürzung des vor der Elternzeit entstandenen Urlaubs oder gar des vor der Elternzeit erfüllten Urlaubsanspruchs und eine Rückforderung gezahlten Urlaubsentgelts, ist ausgeschlossen.

Dies bedeutet:

Wer in unmittelbaren Anschluss an das Ende der Elternzeit einen Aufhebungsvertrag schließt kann als Arbeitgeber nicht mehr kürzen.

Kündigt der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber, so kann der Arbeitgeber von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen und den sich so ergebenden Resturlaub während der Kündigungsfrist gewähren.

In der Praxis läuft diese Möglichkeit jedoch leer, denn der Arbeitnehmer ist nach Ausspruch einer Eigenkündigung oder nach Empfang einer arbeitgeberseitigen Kündigung im Regelfall nicht mehr motiviert.

Legt der Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor, so hat der Arbeitgeber keine Möglichkeit mehr den gekürzten Urlaubsanspruch in Natura zu gewähren. Der Urlaub ist dann abzugelten.

Fazit:

1.
Wollen beide Vertragsparteien nach Beendigung der Elternzeit das Arbeitsverhältnis fortsetzen und will der Arbeitgeber von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen, so kann er dies auch weiterhin unproblematisch nach Beendigung der Elternzeit.

2.
Wollen beide oder will eine Vertragspartei nach Ende der Elternzeit das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen, so muss der Arbeitgeber vor Eintritt der Beendigung von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen und den sich so errechnenden Urlaub innerhalb der Kündigungsfrist in Natura gewähren.

Ist der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist arbeitsunfähig krank, so dass er den Urlaub nicht in Anspruch nehmen kann, wandelt sich dieser in einen Abgeltungsanspruch um.

3.
Entschließen sich die Parteien nach Ablauf der Elternzeit für einen Aufhebungsvertrag so bleibt danach kein Raum mehr für die Kürzungserklärung und auch bei rechtzeitiger Erklärung kein Raum mehr für die Gewährung des gekürzten Urlaubs in Natura.

RA Raber, 03.08.2015
BAG Urteil vom 19.05.2015, 9 AZR 725/13 (Vorinstanzen LAG Hamm Urteil vom 27.06.2013, 16 Sa 51/13, ArbG Hamm Urteil vom 18.12.2012, 4 Ca 1729/12).

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben