Endlich Urlaub

Einleitung

Obschon der deutsche Gesetzgeber nichts dazu beigetragen hat, wurde das deutsche Urlaubsrecht in den vergangenen sechs Jahren auf den Kopf gestellt.

Ausgangspunkt war die sogenannte Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH aus dem Jahre 2009.

Diese Entscheidung brach der bis dahin gültigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Genick, sodass in den vergangenen Jahren in zahlreichen, das Urlausbrecht betreffenden Gebieten ein Paradigmenwechsel stattfinden musste.

Jüngstes Beispiel ist die Entscheidung des BAG vom 19.05.2015 zum Kürzungsrecht des Arbeitgebers, betreffend Erholungsurlaub während der Elternzeit.

Diese umfassende Rechtsprechungsänderung im Urlaubsrecht hat viele Fragen und viel Unsicherheit zur Folge gehabt, sodass wir mit diesem Info-Brief in der gebotenen Kürze alle wichtigen Fragen mit Tipps zur Vertragsgestaltung darstellen und beantworten wollen.

I Urlaub und Krankheit

Nach der früheren Rechtsprechung des BAG verfiel der Urlaub bei langdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers spätestens mit Ablauf des Übertragungszeitraums gem. § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG, also den 31.03. des Folgejahres.

Ebenso verlor der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen Urlaubsabgeltungsanspruch gem. § 7 Abs. 4 BUrlG, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und danach bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig erkrankt war.

Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des EuGH nicht mit zwingendem europäischen Recht vereinbar, wonach ein Erlöschen des europarechtlich gewährleisteten Mindesturlaubs von vier Wochen ausgeschlossen ist, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist und aus diesem Grunde seinen Urlaubsanspruch vor Ablauf des Bezugszeitraumes und/oder des Übertragungszeitraums nicht ausüben kann.

Das BAG hat dementsprechend seine Rechtsprechung geändert.

Nunmehr verliert der Arbeitnehmer, der während des Bezugszeitraumes (Kalenderjahr) und/oder des Übertragungszeitraumes, also bis 31.03. des Folgejahres arbeitsunfähig krank ist, nicht seinen Urlaubsanspruch und auch nicht, im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Abgeltungsanspruch.

Da dies bei dauerhaft arbeitsunfähig kranken Arbeitnehmern zu einer wahren Urlaubslawine führen würde, gilt europarechtskonform eine Grenze von 15 Monaten nach dem Ende des jeweiligen Urlaubsjahrs.

Konkret:

Ist ein Arbeitnehmer während des Bezugszeitraums 2014 und bis 31.03.2015 arbeitsunfähig krank und kann seinen Urlaub daher nicht in Anspruch nehmen, so verfällt dieser erst am 31.03.2016, nicht bereits am 31.03.2015.

Wird dieser Arbeitnehmer also vor dem 31.03.2016 wieder gesund, so kann er seinen Urlaub in Anspruch nehmen.

Endet das Arbeitsverhältnis vor dem 31.03.2016, so ist ihm sein Urlaubsanspruch für das Jahre 2014 abzugelten.

Wichtig ist, dass dies nur für den gesetzlichen Mindestanspruch gilt, nicht also für den vom Arbeitgeber gewährten übergesetzlichen Urlaubsanspruch.

Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch beträgt nach dem Bundesurlaubsgesetz im Rahmen einer Sechstagewoche 24 Kalendertage. Im Rahmen einer Fünftagewoche beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch 20 Kalendertage, im Rahmen einer Viertagewoche 16 Kalendertage, im Rahmen einer Dreitagewoche zwölf Kalendertage im Rahmen einer Zweitagewoche acht Kalendertage und im Rahmen einer Eintagewoche folglich vier Kalendertage.

Alles was der Arbeitgeber darüber hinaus an Urlaub gibt, stellt sich als über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gewährter Urlaub dar.

Für diesen gelten die vorstehenden Regelungen nicht.

Der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus gewährte Urlaub kann daher verfallen, wenn die Vertragsparteien dies vereinbaren und wenn im Arbeitsvertrag zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen Urlaub differenziert wird.

Formulierungsbeispiel:

1.
Der Arbeitnehmer hat bezogen auf eine Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub von 20 Arbeitstagen.

Für diesen Urlaubsanspruch gelten die Vorschriften des Bundesurlaubsgesetzes in seiner jeweils geltenden Fassung.

2.
Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer bezogen auf eine Fünftagewoche in jedem Kalenderjahr Anspruch auf einen übergesetzlichen Urlaub im Umfang von …. Arbeitstagen (vertraglicher Mehrurlaub).

Dieser verfällt in jedem Fall spätestens mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres.

Das gilt insbesondere auch dann, wenn der Urlaub, aus vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Gründen, z. B. Arbeitsunfähigkeit, nicht gewährt und genommen werden kann.

3.
Mit der Urlaubsgewährung erfüllt der Arbeitgeber im jeweiligen Kalenderjahr zunächst den gesetzlichen Mindesturlaub, anschließend etwaigen gesetzlichen Zusatzurlaub und erst nach Erfüllung des gesetzlichen Urlaubs den vertraglichen Mehrurlaub.

4.
Der vertragliche Mehrurlaub erlischt mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ersatzlos, wird also nicht abgegolten und ist nicht vererblich.

II Umfang des Urlaubsanspruches

Der Umfang des Urlaubsanspruchs ergibt sich entweder, betreffend den gesetzlichen Mindestanspruch aus dem BUrlG, im Übrigen aus dem Arbeitsvertrag oder kollektiven Regelungen, wie Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag.

Was aber ist, wenn sich während des Arbeitsverhältnisses die Parameter ändern?

Ein Arbeitnehmer ist im Jahre 2014 an fünf Tagen/Woche tätig und hat Anspruch auf vertraglichen Urlaub im Umfang von 30 Tagen.

Zum 01.07. des Jahres wechselte er in eine Teilzeittätigkeit und wurde fortan nur noch im Umfang von vier Kalendertagen/Woche tätig mit der Folge, dass sich sein jährlicher Urlaubsanspruch auf 24 Tage verkürzte.

Was ist mit dem Urlaubsanspruch bis zum 30.06.2014?

Stehen Ihm insoweit 15 Tage oder gekürzt 12 Tage zu?

Das BAG vertrat über viele Jahre die Auffassung, dass sich die Zahl, der dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage automatisch der geänderten Zahl der wöchentlichen Arbeitstage anpasst, dass also in die Zukunft gerichtet, eine proportionale Verringerung oder Vermehrung des Urlaubsanspruches stattfindet.

Auch diese Rechtsprechung war nach der sogenannten Brandes-Entscheidung des EuGH vom 13.06.2013 nicht mehr haltbar.

Das BAG hat daher am 10.02.2015 entschieden, dass bei einer unterjährigen Verringerung der Arbeitstage der Urlaub abschnittsweise berechnet werden muss, also im Beispielsfall bis zum 30.06.2014 auf der Grundlage einer Fünftagewoche, also 30 Kalendertage und ab dem 01.07. auf der Grundlage einer Viertagewoche also 24 Kalendertage/Jahr.

Nicht entschieden ist bislang der umgekehrte Fall, nämlich der unterjährigen Erhöhung der wöchentlichen Arbeitstage.

Auch insoweit dürfte allerdings ebenfalls eine abschnittsbezogene Betrachtung vorzunehmen sein.

III Vererblichkeit des Urlaubsanspruchs

Was geschieht mit dem Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers im Todesfall?

Geht der Urlaubsanspruch dann, freilich als Urlaubsabgeltungsanspruch auf die Erben über?

Vererblich sind regelmäßig vermögensbezogene Rechte und Pflichten.

Nicht vererblich sind dagegen solche Positionen, die nur dem Erblasser selbst zustehen sollen, weil sie höchstpersönlichen Zwecken oder individuellen Bedürfnissen des Erblassers dienen.

Aus diesem Grunde ging das BAG in der Vergangenheit davon aus, dass der Urlaubsanspruch mit dem Tod des Arbeitnehmers ersatzlos untergeht, der Erbe mithin nichts bekommt.

Dies wird zukünftig keinen Bestand mehr haben, denn auch hier hat der EuGH die Dinge auf den Kopf gestellt.

In seiner Bollacke-Entscheidung vom 12.06.2014 stellt der EuGH fest, dass es der EU-Arbeitszeitrichtlinie widerspricht, wenn der gesetzliche Urlaubsanspruch beim Tod des Arbeitnehmers in seiner Gesamtheit untergeht.

Dies bedeutet, dass der gesetzliche, nicht der vom Arbeitgeber gewährte übergesetzliche Urlaubsanspruch nicht untergeht.

In Folge des Todes endet das Arbeitsverhältnis, sodass sich der Urlaubsanspruch des verstorbenen Arbeitnehmers in einen Urlaubsabgeltungsanspruch, also einen Zahlungsanspruch umwandelt, der auf die gesetzlichen oder testamentarischen Erben übergeht.

Diese können also Zahlungen in Höhe des Urlaubsabgeltungsbetrages vom Arbeitgeber verlangen.

Auch hier zeigt sich, wie sinnvoll die Trennung des gesetzlichen Mindesturlaubs vom darüber hinaus gewährten übergesetzlichen Urlaub im Arbeitsvertrag ist.

IV Urlaub auch ohne Urlaubswunsch

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitnehmer, will er den Verlust seines Urlaubs vermeiden, seinen Urlaubsanspruch geltend machen.

Geschieht dies und gibt ihm der Arbeitgeber aus dringenden betrieblichen Gründen gleichwohl bis zum Ablauf des Urlaubsjahres und des Übertragungszeitraums (31.03. des Folgejahres) keinen Urlaub, so wandelt sich der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers in einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber um.

Der Arbeitnehmer kann dann weiterhin Beurlaubung und zwar als Schadensersatz (Naturalrestitution) vom Arbeitgeber verlangen.

Was aber ist, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaub verlangt?

Es gibt tatsächlich Arbeitnehmer, die sich aus persönlichen Gründen am Arbeitsplatz am wohlsten fühlen und mit ihrer freien Zeit nichts anzufangen wissen.

Nach der Rechtsprechung erlischt deren Urlaubsanspruch nach dem Übertragungszeitraum (31.03. des Folgejahres).

Der EuGH hat hierzu bislang noch nichts entschieden, wohl aber am 12.06.2014 das LAG Berlin-Brandenburg.

Dieses vertritt ernstlich die Auffassung, dass der Arbeitgeber sich auch dann schadensersatzpflichtig macht, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Urlaub gibt, obschon dieser niemals einen entsprechenden Antrag gestellt hat.

Nach der Entscheidung des LAG sei der Arbeitgeber von sich aus und nicht erst nach entsprechender Aufforderung gehalten, den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers rechtzeitig zu erfüllen.

Das LAG begründet seine Entscheidung mit dem Wortlaut des § 7 Abs. 3 S. 1 BUrlG und dem Urlaubszweck, nämlich Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers.

Die Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg ist in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen, denn der EuGH hat entsprechendes bereits in seiner Bollacke-Entscheidung angedeutet.

Danach muss der Arbeitgeber aktiv werden und kann sich nicht zu seinen Gunsten darauf berufen, dass der Arbeitnehmer keinen Urlaubsantrag gestellt hat.

Arbeitgeber sind daher gut beraten, zukünftig die Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Arbeitnehmer sicherzustellen.

Empfohlen wird folgendes System:

1.
Abfrage bzw. Mitteilung der Urlaubswünsche der Arbeitnehmer bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.

2.
Verteilung der Urlaubszeiträume nach bestimmten Kriterien bis zu einem bestimmten Zeitpunkt.

3.
Verfahren, wenn ein Arbeitnehmer bis zu einem Bestimmten Zeitpunkt keine Urlaubswünsche geäußert hat und gegebenenfalls einseitige zeitliche Festlegung des Urlaubs dieses Arbeitnehmers.

V Sabbatical

Ein Sabbatical ist ein Zeitraum, in dem der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung erbringt und dafür auch keine Vergütungsansprüche hat.

Der Arbeitgeber ist regelmäßig daran interessiert, dass während dieses Zeitraums nicht auch noch Urlaubsansprüche zugunsten des Arbeitnehmers entstehen.

Vereinbaren die Parteien, dass das Arbeitsverhältnis ruht, so passiert genau das, was der Arbeitgeber nicht will.

Es entstehen während des Ruhenszeitraums Urlaubsansprüche.

Besser ist es daher, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer für die Zeit des geplanten Sabbaticals einen Aufhebungsvertrag abschließt, verbunden mit einem Wiedereinstellungsanspruchs des Arbeitnehmers sowie eine Regelung darüber, dass bisherige Anwartschaften, beispielsweise Kündigungsfristen dem Arbeitnehmer erhalten bleiben.

In einem solchen Fall ruht das Arbeitsverhältnis nicht nur während des Sabbaticals, sondern es besteht nicht, sodass folglich auch keine Urlaubsansprüche entstehen können.

Empfohlen wird folgende Formulierung:

1.
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wird auf Wunsch des Arbeitnehmers zur Ermöglichung der „Sabbatical-Zeit“ in der Zeit vom …. bis …. in beiderseitigem Einvernehmen zum Ablauf des …. beendet.

2.
Der Arbeitnehmer erhält die Zusage, dass ein nach Beendigung der „Sabbatical-Zeit“ frühestens mit Wirkung ab dem … - unter vollumfänglicher Anrechnung der Vorbeschäftigungszeiten sowie unter Wahrung der sonstigen zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses maßgeblichen rechtlichen und sozialen Besitzstandes wieder bei dem Arbeitgeber eingestellt wird.

Der Wiedereinstellungsanspruch verfällt ersatzlos, wenn der Arbeitnehmer nicht eine tatsächliche Beschäftigung, spätestens ab dem …. begehrt.

3.
Der Arbeitnehmer hat seinen Wiedereinstellungsanspruch mindestens …. Tage vor dem gewünschten Wiedereinstellungstermin schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen.

Maßgeblich für die Fristwahrung ist der Zugang des Schreibens beim Arbeitgeber.

Dies ist die sauberste Lösung.

Alternativ, wenn auch rechtlich nicht abgesichert, wird empfohlen, insbesondere bei Sabbaticals von lediglich einigen Monaten wie folgt zu verfahren:

Will der Arbeitnehmer beispielsweise von April bis Juni ein Sabbatical nehmen, so wird mit ihm ein Teilzeitarbeitsverhältnis im Zeitraum Januar bis Juni vereinbart, wonach er 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit erbringt.

Im Zeitraum von Januar bis März arbeitet der Arbeitnehmer fünf Tage/Woche im Zeitraum von April bis Juni Null Arbeitstage.

Es stünde ihm dann für den Zeitraum Januar bis Juni der auf ein Teilzeitarbeitsverhältnis entfallende Urlaub zu, ab Rückkehr, nämlich 01.07. bis Dezember des Jahres wieder der volle Urlaubsanspruch.

Möglich ist diese Lösung aber nur dann, wenn sich das BAG bei einer unterjährigen Erhöhung der Arbeitszeit ebenso für die abschnittsweise Berechnung entscheidet, wie es in der vorgenannten Entscheidung bei einer Verringerung unterjährig der Fall ist.

Entschieden ist dies noch nicht, weshalb Vorsicht geboten ist.

VI Kürzungsrecht des Arbeitgebers bei Elternzeit

Gem. § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG ist der Arbeitgeber berechtigt, den Erholungsurlaub des Arbeitnehmers, der diesem für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 zu kürzen.

Hat der Arbeitnehmer beispielsweise 24 Tage Erholungsurlaub im Jahr und befindet er sich beispielsweise im Zeitraum vom 01.04. bis 30.09. in Elternzeit, also sechs volle Monate, so kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub von 24 Tagen um 6/12 also 12 Tage kürzen.

Dem Arbeitnehmer steht dann im Urlaubsjahr während der Elternzeit nur noch ein Anspruch von 12 Urlaubstagen zu.

Möglich ist dies allerdings nur für volle Monate.

Nimmt im Beispielsfall derselbe Arbeitnehmer im Zeitraum vom 05.04. bis 25.09. Elternzeit in Anspruch, so handelt es sich nicht um sechs volle Monate, sondern lediglich um vier volle Monate mit der Folge, dass das Kürzungsrecht 4/12 also, ausgehend von 24 Urlaubstagen im Jahr, 8 Tage beträgt.

Dem Arbeitnehmer verbleiben damit noch immer 16 Tage.

Von diesem Kürzungsrecht kann der Arbeitgeber unproblematisch vor Beginn der Elternzeit und während der Elternzeit Gebrauch machen.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG konnte der Arbeitgeber die Kürzungserklärung auch nach der Elternzeit abgeben und sogar noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Genau dies war und ist der entscheidende Punkt.

Vielen Arbeitgebern war und ist das Kürzungsrecht nach § 17 BEEG gar nicht bekannt.

Diejenigen denen es bekannt ist, überlegen sich genau, ob sie davon Gebrauch machen.

Ist dem Arbeitgeber daran gelegen, das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer nach der Elternzeit unbeschwert fortzuführen, so wird er regelmäßig Konflikte vermeiden und nicht von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen.

Will dagegen entweder der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber nach der Elternzeit das Arbeitsverhältnis ohnehin beenden, so hat der Arbeitgeber kein Interesse mehr daran mehr Urlaub zu gewähren oder abzugelten, als unbedingt nötig.

Es liegt ihm also daran, entweder vor dem Beendigungsakt oder danach vom Kürzungsrecht Gebrauch zu machen.

Genau diesen praktischen Anwendungsfall des Kürzungsrechts hat das BAG am 19.05.2015 zum Anlass genommen, seine Rechtsprechung zu ändern.

Mit der Beendigung, sei es durch Aufhebungsvertrag oder durch Ablauf der Kündigungsfrist, kann nicht mehr gekürzt werden.

Eine rückwirkende Kürzung ist ausgeschlossen.

Im Ergebnis dieser Rechtsprechung muss der Arbeitgeber daher spätestens bei Empfang einer Arbeitnehmerkündigung oder bei Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung von seinem Kürzungsrecht Gebrauch machen.

Zugleich sollte er dem Arbeitnehmer für die verbleibende Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Kündigungsfrist) den Urlaub in Natura gewähren.

Dagegen spricht nicht, dass der Arbeitnehmer voraussichtlich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen wird, denn die vorangegangene Kürzung hat Folgen für den Urlaubsabgeltungsanspruch und dessen Höhe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Schließen die Parteien hingegen einen Aufhebungsvertrag, so muss der Arbeitgeber die Kürzungserklärung vor Abschluss abgeben, danach ist es zu spät.

VII Urlaub und Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Kann der Arbeitnehmer in Folge Beendigung des Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub nicht mehr in Anspruch nehmen, so steht ihm ein Abgeltungsanspruch zu (§7 Abs. 4 BUrlG).

Da die Motivation eines Arbeitnehmers im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohnehin meist eingeschränkt ist, hat der Arbeitgeber kein Interesse daran, eine eingeschränkte Arbeitsleistung entgegenzunehmen, um anschließend auch noch den Urlaub abgelten zu müssen.

Der Arbeitgeber ist vielmehr daran interessiert, dass der Arbeitnehmer die verbleibende Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dazu nutzt, um seinen Resturlaub in Anspruch zu nehmen.

Dementsprechend ist im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch eine der beiden Vertragsparteien darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist seinen Resturlaub in Anspruch nimmt.

Geschieht dies nicht, so ist der Urlaub anzuordnen.

Zuweilen wird der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist von der Erbringung seiner Arbeitsleistung freigestellt.

In diesem Fällen ist darauf zu achten, dass zwischen den Parteien vereinbart wird, dass diese Freistellung unter Anrechnung der Resturlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfolgt.

Legt der Arbeitnehmer freilich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, so kann der Arbeitgeber den Urlaub nicht in Natura gewähren und verhindert den Abgeltungsanspruch nicht und zwar auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer Ausgleichsquittung auf die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs verzichtet hat.

Ein solcher Verzicht ist vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses nämlich nicht möglich.

Möglich ist dies allerdings im Hinblick auf übergesetzlichen Mehrurlaub, den der Arbeitgeber gewährt.

Im Hinblick auf den gesetzlichen Urlaub ist der Verzicht auf die Abgeltung möglich, wenn das Arbeitsverhältnis bereits beendet ist.

Hatte der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit den Urlaubsabgeltungsanspruch vor dessen Untergang zu realisieren, so kann er konsequenterweise auch darauf verzichten.

In diesen Fällen empfiehlt sich folgende Regelung:

Mit Erfüllung des vorliegenden Vergleichs sind wechselseitig alle finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, gleich ob bekannt oder unbekannt, gleich aus welchem Rechtsgrund erledigt.

Ganz anders verhält es sich überall dort, wo Tarifbindung besteht, denn gem. § 4 Abs. 4 S. 1 TVG können die Arbeitsvertragsparteien nur auf tarifliche Rechte in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich verzichten.

Denkbar ist in diesen Fällen daher ein sogenannter Tatsachenvergleich, wonach sich die Parteien darüber einig sind, dass der Erholungsurlaub bereits vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses in Natura gewährt und genommen wurde.

Damit ersparen sich die Parteien jegliche Auseinandersetzung über das Bestehen eines Urlaubsabgeltungsanspruchs.

VIII Fazit

Das Urlaubsrecht hat sich in den vergangenen sechs Jahren nach der Schultz-Hoff-Entscheidung des EuGH ganz wesentlich geändert und befindet sich nach wie vor in diesem Änderungsprozess.

Folge des durch die Aufgabe der BAG-Rechtsprechung eingetretenen Paradigmenwechsels ist eine eindeutige Stärkung der Rechtsposition der Arbeitnehmer in Bezug auf den gesetzlichen Mindesturlaub.

Hieraus wiederum ergeben sich Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitgeber im Bereich des übergesetzlichen vertraglichen Mehrurlaubs.

Arbeitgeber sollten dies bei ihrer Vertragsgestaltung und bei Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Betriebsvereinbarungen/Dienstvereinbarungen unbedingt beachten.

RA Raber, 08.09.2015

BAGE 39,53
BAGE 44,75
EuGH NJW 2009, 495
BAGE 142,371
EuGH NZA 2013, 775
BAG Urteil vom 10.02.2015-9 AZR 53/1
BAG Urteil vom 20.04.1956-1 AZR 448/54
EuGH NJW 2014, 2415
LAG Berlin-Brandenburg NZA RR 2014, 631
BAG Urteil vom 19.05.2015, 9 AZR 725/13
BAG NJW 2013, 3261
Dr. Polzer/Frank Kafka, verfallbare und
unverfallbare Urlaubsansprüche NJW 2015 Seiten 2289 ff.

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