Am 01.01.2015 trat mit dem Mindestlohngesetz erstmals in Deutschland eine gesetzliche Regelung in Kraft, die eine allgemeine Lohnuntergrenze schuf, unabhängig von tariflichen Regelungen, die bis dahin in vielen Branchen bereits einen Mindestlohn regelten.
Befürworter und Kritiker schenkten sich nichts.
Die einen sahen im gesetzlichen Mindestlohn das Allheilmittel gegen alle sozialen Probleme, die anderen beschworen den Untergang der Deutschen Wirtschaft.
Weder das eine, noch das andere ist eingetreten.
Beantworten wird man die Richtigkeit dieses Schrittes erst dann können, wenn sich die konjunkturellen Verhältnisse verschlechtern und die Nachfrage nach Arbeitskräften nachlässt.
Feststehen dürfte allerdings bereits jetzt, dass die Integration der zumeist nicht qualifizierten Flüchtlinge nur durch Eingliederung in den Arbeitsmarkt möglich ist.
Bei einem Mindestlohn im Baugewerbe für einen Gehilfen in Höhe von derzeit 11,05 € Ost, bei einer 40-Stunden-Woche mit Arbeitgeberanteil folglich ca. 2.350,00 € brutto ist es illusorisch anzunehmen, dass es auch nach Vorliegen einer Arbeitserlaubnis zu Einstellungen kommen wird.
Auch das Mindestlohngesetz ist in seiner jetzigen Fassung ein Hindernis, denn kein Arbeitgeber zahlt für nicht qualifizierte Arbeitnehmer 8,50 € zzgl. Arbeitgeberanteil im Rahmen einer 40-Stunden-Woche, folglich 1.800,00 € / Monat.
Diese Fragen wird die Politik lösen müssen.
Die rechtlichen Fragen sind im vergangenen Jahr zumindest zum Teil beantwortet worden.
I Grundsätzliches
Auch ein Jahr nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns herrscht vielfach die Auffassung vor, das Gesetz und seine Folgen beträfen nur solche Arbeitsverhältnisse, bei denen die Vergütung nach Stunden erfolgt.
Dort, so die landläufige Meinung müsse ein Stundenlohn von 8,50 €/Zeitstunde gezahlt werden, sodass sich folglich im Rahmen einer 40 Stundenwoche ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von rund 1.474,00 € ergibt.
Übersehen wird dabei, dass der gesetzliche Mindestlohn jedes Arbeitsverhältnis betrifft.
Der gesetzliche Mindestlohn steckt in jedem Arbeitsverhältnis als eine Art Sockelbetrag.
Erhält der Arbeitnehmer im Rahmen einer 40-Stunden-Woche ein festes Gehalt in Höhe von 3.000,00 € brutto, so ist darin ein verstetigtes monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 1.474,00 € (Mindestlohn) als Bestandteil enthalten.
Wenn der Arbeitsvertrag dieses Arbeitnehmers beispielsweise Ausschlussklauseln enthält, wonach Ansprüche ausfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden, so ist diese Klausel fortan unwirksam, denn auf den Mindestlohn kann außerhalb eines gerichtlichen Vergleichs nicht wirksam verzichtet werden.
Dies bedeutet, dass die Ausschlussfristen, so wie sie sich derzeit in jedem Arbeitsvertrag befinden, unwirksam sind.
Von besonderer Bedeutung ist der gesetzliche Mindestlohn auch für geringfügige und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse, denn durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 €/Zeitstunde wurde damit automatisch auch der Zeitrahmen definiert, in dem der geringfügig Beschäftigte für 450,00 €/Monat maximal tätig wird.
Schließlich ist der gesetzliche Mindestlohn von großer Bedeutung für alle Vergütungsmodelle, die sich aus einem Grundlohn und einem Leistungslohn zusammensetzen, wenn der Grundlohn unter dem gesetzlichen Mindestlohn liegt.
Es ist daher für jeden Unternehmer, auch den, der nicht lediglich Mitarbeiter im klassischen Mindestlohnsektor beschäftigt, sehr wichtig, sich mit dem Gesetz und seinen Folgen auseinanderzusetzen.
Anderenfalls riskiert er beträchtliche Konsequenzen.
Zuständig für die Kontrolle ist der Zoll, konkret die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die bereits für die Durchsetzung der tariflichen Branchenmindestlöhne verantwortlich war.
Der Zoll hat im vergangenen Jahr in erster Linie auf Information gesetzt und wird voraussichtlich schon in diesem Jahr mit den ersten Kontrollen beginnen.
Stellt der Zoll Verstöße gegen das Mindestlohngesetz fest, so hat dies nicht nur Bußgelder in Höhe von bis zu 500.000,00 € zur Folge, sondern gegen den Arbeitgeber kann eine Vergabesperre verhängt werden, die bei Unternehmen, die von Aufträgen der öffentlichen Hand abhängen, desaströse Folgen hat.
Schließlich wird der Arbeitgeber auf Nachzahlung der SV-Beiträge in Anspruch genommen.
Er haftet rückwirkend vier Jahre, bei Vorsatz sogar 30 Jahre.
Die Haftung richtet sich auf die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge.
Der Zoll kontrolliert dabei nicht nur die Einhaltung des Mindestlohns, sondern auch die ordnungsgemäße Aufzeichnung der Arbeitszeit, um Manipulationen der Arbeitszeit zu verhindern.
Das Mindestlohngesetz schreibt die Aufzeichnung der Arbeitszeit bei geringfügig oder kurzfristig Beschäftigten vor, soweit diese nicht in Haushalten beschäftigt sind und zum anderen in den Bereichen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz benannt sind.
Dies sind derzeit zum Beispiel das Baugewerbe, das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, das Personenbeförderungsgewerbe, das Speditions-, Transport- und das damit verbundene Logistikgewerbe, das Schaustellergewerbe, das Gebäudereinigungsgewerbe und die Fleischwirtschaft.
Nach einer am 01.08.2015 erfolgten Änderung der Dokumentationspflichtenverordnung besteht generell keine Aufzeichnungspflicht, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt seit mindestens zwölf Monaten 2.000,00 € brutto übersteigt.
Zusammengefasst besteht die Aufzeichnungspflicht bei allen Arbeitsverhältnissen in den vorgenannten Branchen, wenn der Bruttomonatslohn unter 2.000,00 € liegt, darüber in den ersten zwölf Monaten und generell also branchenunabhängig bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen.
Was ist aufzuzeichnen?
Aufzuzeichnen sind alle Arbeitszeiten, auch die unterhalb von acht Stunden arbeitstäglich geleisteten. Zu erfassen sind dabei Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit, d. h. auch alle Pausen.
Die Arbeitszeit ist täglich, spätestens mit Ablauf des 7. auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertages aufzuzeichnen.
Darüber hinaus ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Zoll alle für die Mindestlohnkontrolle erforderlichen Unterlagen bereitzuhalten.
Dazu gehört die Niederschrift über die wesentlichen Arbeitsbedingungen also der Arbeitsvertrag und alle Änderungen, die Entgeltunterlagen und alle Belege, die sich auf die tatsächliche Entgeltzahlung beziehen, also etwa Überweisungsträger, Kontoauszüge, Quittungen.
Fehlt es an den Unterlagen, wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Summa summarum handelt es sich bei dem Mindestlohngesetz um ein scharfes Schwert, das jeden Arbeitgeber treffen kann und das der Zoll in diesem Jahr nach einer Phase der Information ziehen will.
Ob es dazu kommt, werden die nächsten Monate ergeben, denn die Stimmen werden lauter, die fordern, dass der Zoll seiner ureigentlichen Tätigkeit nachkommt und die Bundespolizei an den deutschen Grenzen untersützt.
II Problemfelder
1. Was ist ein verstetigtes Arbeitsentgelt?
Bei einer 40 Stundenwoche ergibt sich ein monatliches Bruttoeinkommen unter Beachtung eines Stundenlohns von 8,50 € in Höhe von 1.473,33 €.
Der Arbeitgeber, der ein solches verstetigtes Arbeitsentgelt zahlt liegt im Februar, der 20 Arbeitstage hat, über dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 €, im Juli, der 23 Arbeitstage hat, jedoch darunter.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales steht auf dem Standpunkt, dass die Zahlung eines solchen verstetigten Arbeitsentgelts gleichwohl möglich ist, denn maßgeblich ist, ob mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses alle noch nicht ausbezahlten Arbeitsstunden fällig werden.
Wird der Arbeitnehmer also am 01.06. eingestellt und endet das Arbeitsverhältnis am 30.09. und hat er in dieser Zeit ein verstetigtes Arbeitsentgelt von 1.473,33 €/Monat erhalten, so muss der Arbeitgeber am Ende des Arbeitsverhältnisses die Mehrstunden, die im Juli erbracht wurden, gesondert ausgleichen.
Mit einem solchen verstetigten Arbeitsentgelt sind freilich nicht Überstunden oder Bereitschaftsdienste abgegolten.
Diese sind gesondert zu vergüten.
2. Was ist Mindestlohnbestandteil und was nicht?
Kann man ein 13. Monatsgehalt das im Dezember fällig wird durch zwölf teilen und anteilig auf den Monatslohn hinzuaddieren, um so nachträglich die vorangegangenen elf Monate auf den Mindestlohn aufzustocken?
Was ist mit Prämien?
Was ist mit Zulagen?
Was ist mit variablen Vergütungssystemen?
Grundsätzlich sind solche Zahlungen des Arbeitgebers als Bestandteile des Mindestlohns anzurechnen, die die „Normaltätigkeit“ des Arbeitnehmers abgelten.
Zahlungen die ein Arbeitnehmer als Ausgleich für darüber hinausgehende Leistungen erhält, sind nicht anrechenbar.
Daraus folgt:
Leistet der Arbeitnehmer ein „mehr“ an Arbeit oder eine „höherwertige“ Arbeit und erhält er hierfür eine Zusatzvergütung, zum Beispiel Überstundenzuschläge, Akkordprämien und Qualitätsprämien, so sind diese nicht anrechenbar auf den Mindestlohn.
Das gleiches gilt für Zulagen, Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit, Nachtzuschläge, Schichtzulagen.
Auch Schmutzzulagen oder Gefahrenzulagen werden nicht angerechnet.
Es bleibt damit praktisch kein Raum für anrechenbare Zulagen, denn die meisten Zulagen/Zuschläge werden nicht in Erfüllung der normalen Arbeitsleistung bezahlt, sondern als Draufgabe für eine besondere, über die Normalleistung gerade hinausgehende Arbeit.
3. Was ist mit dem Weihnachtsgeld?
Das Weihnachtsgeld ist eine klassische Einmalzahlung, die regelmäßig im Dezember fällig ist.
Schon aus diesem Grund kann das Weihnachtsgeld nicht auf die übrigen elf Monate angerechnet werden, sondern allenfalls auf das Dezemberentgelt.
Das Weihnachtsgeld kann daher grundsätzlich für den Monat Dezember auf den im Dezember fälligen Mindestlohn relevant sein.
Allerdings ist Vorsicht geboten.
Regelmäßig steht die Gewährung der Weihnachtsgratifikation zur Vermeidung einer betrieblichen Übung unter Freiwilligkeitsvorbehalt, sodass ein Anspruch des Arbeitnehmers nicht besteht.
Ob eine Anrechnung auf den Mindestlohn stattfindet, wenn sich der Arbeitgeber ausnahmsweise entscheidet freiwillig eine Weihnachtsgratifikation zu zahlen, ist bislang nicht entschieden.
Ebenso fragwürdig ist die Situation bei sogenannten Widerrufsvorbehalten, also dann, wenn der Arbeitnehmer zwar einen Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation hat, der Arbeitgeber jedoch zum Widerruf berechtigt ist.
Dann stellt sich die Frage, ob die Anrechnung unter Vorbehalt der nicht Ausübung des Widerrufsrechtes steht.
Auch diese Frage ist nicht entschieden.
Ebenso offen ist die Frage, was gilt, wenn die Weihnachtsgratifikation zur Belohnung zukünftiger Betriebstreue gewährt wird und unter einem Rückzahlungsvorbehalt bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Folgejahr steht.
Kann also ein Anspruch des Arbeitnehmers der auf wackeligen Füßen steht, tatsächlich die Anrechnung begründen?
Die Antwort wird die zukünftige Rechtsprechung geben müssen.
Weitaus interessanter ist die Frage, was für variable Vergütungssysteme gilt.
Ein Beispiel:
Ein Versicherungsvertreter hat ein monatliches Fixeinkommen von 900,00 € brutto bei vereinbarten 150 Arbeitsstunden pro Monat.
Auf die Arbeitsstunde umgerechnet hätte er ein Einkommen von nur ca. 6,00 € pro Stunde.
Er erzielt zusätzlich durch Vermittlung von Versicherungsverträgen jeden Monat Provisionszahlungen von mindestens 2.000,00 €, hat also ein Einkommen von mindestens 2.900,00 € monatlich.
Dies ergibt einen Stundenlohn von 19,33 €.
Wären die monatlichen Provisionszahlungen nicht in die Mindestlohnberechnung einzubeziehen, hätte er Anspruch auf weitere 2,50 € pro Stunde und damit insgesamt auf 3.275,00 €.
Würde er hingegen stundenweise mit dem Mindestlohn bezahlt, hätte er lediglich ein Einkommen von 1.275,00 € (150 Stunden x 8,50 €).
Die Antwort:
Wenn die leistungsabhängige Vergütung monatlich (nicht jährlich) gewährt wird, dem Arbeitnehmer darüber hinaus ein unwiderruflicher Anspruch hierauf zusteht und in jedem einzelnen Monat nicht der Mindestlohn unterschritten wird, weil der für den leistungsabhängigen Lohnanteil erforderliche Erfolg nicht erreicht ist, dann findet die Anrechnung statt.
Ein Arbeitnehmer der eine Vergütung erhält, die sich aus festem Grundlohn und leistungsabhängiger variabler Vergütung zusammensetzt, darf also im Rahmen einer 40 Stundenwoche in keinem Monat unter 1.474,00 € fallen.
Sonst ist in diesem Monat der Mindestlohn unterschritten, ohne dass Mehrvergütung in anderen Monaten dies ausgleichen könnte.
Was ist mit arbeitgeberseitig gezahlten Aufwandsentschädigungen?
Sind Reisekosten, die dem Arbeitnehmer entstanden sind und die ihm der Arbeitgeber erstattet, anrechnungsfähig?
Die Antwort ist natürlich nein.
Mit der Kostenerstattung findet keine Lohnzahlung statt, also keine Vergütung der Arbeitsleistung selbst, weshalb Aufwendungsersatz auch nicht anrechenbar ist.
Auch vermögenswirksame Leistungen sind kein Arbeitsentgelt, sondern Zusatzleistungen, die keinen Bezug zur Leistung des Arbeitnehmers aufweisen, weshalb sie auch nicht anrechenbar sind.
Was ist mit Sachleistungen des Arbeitgebers?
Diese sind nicht anrechenbar.
Auch wenn vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellte Kost und Logis einen bezifferbaren Wert haben, sind sie kein Geld, sondern Sachleistungen und als solche grundsätzlich nicht unmittelbar anrechenbar.
Auch Trinkgelder sind nicht anrechenbar.
Trinkgelder sind keine Lohnleistungen des Arbeitgebers, sondern Zuwendungen des Kunden des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer und können daher von vornherein nicht zur Anrechnung kommen.
4. Arbeitszeitkonten
Das Mindestlohngesetz lässt flexible Arbeitszeiten im Rahmen von Arbeitszeitkonten durchaus zu.
Allerdings macht es Einschränkungen.
Es dürfen nur höchstens 50 % der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auf ein Arbeitszeitkonto verbucht werden.
Dies gilt unabhängig, ob es sich um ein Vollzeit- oder Teilzeitarbeitsverhältnis handelt.
Haben die Vertragsparteien eine Wochenarbeitszeit von 20 Stunden vereinbart und leistet der Arbeitnehmer 15 Überstunden, so können nicht alle 15 Überstunden auf das Arbeitszeitkonto verbucht werden, sondern lediglich 10 Überstunden.
Dem Arbeitnehmer sind also 20 plus 5, also 25 Stunden in diesem Monat zu vergüten, 10 Überstunden können in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden.
Eingestellt werden können auf das Arbeitszeitkonto freilich nur Plusstunden, nicht Minusstunden.
Spätestens innerhalb von 12 Kalendermonaten nach ihrer monatlichen Erfassung muss das Arbeitszeitkonto ausgeglichen werden.
Dies geschieht entweder durch bezahlte Freizeitgewährung oder Zahlung des Mindestlohns.
Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist das Arbeitszeitkonto in dem auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Kalendermonat auszugleichen.
Kündigt der Arbeitgeber ein Beschäftigungsverhältnis, das noch nicht länger als zwei Jahre bestand am 15.09., so endet es zum 15.10. mit der Folge, dass das Arbeitszeitkonto spätestens im November auszugleichen ist.
5. Minijobs
Geringfügige und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse bleiben einerseits attraktiv, sind andererseits allerdings sehr gefährlich geworden.
Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 € ist ein Bruttolohn.
Der Arbeitnehmer trägt hiervon nur einen Anteil von 3,7 % für die gesetzliche Rentenversicherung, von dem er sich befreien lassen kann.
Der Arbeitgeber trägt die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur gesetzlichen Rentenversicherung zusätzlich zum Bruttostundenlohn, wobei er die einheitliche Pauschalsteuer in Höhe von 2 % des Arbeitsentgelts durch Vereinbarung auf den Arbeitnehmer abwälzen kann.
Bislang wurden geringfügige Beschäftigungsverhältnisse regelmäßig mit 15 Stunden/Woche, jedoch ohne Maximalstundenzahl gehandhabt.
Mit dem Mindestlohngesetz steht fest, dass eine Mindestlohnunterschreitung vorliegt, wenn der Arbeitnehmer 53 und mehr Stunden/Monat innerhalb eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses für 450,00 € tätig ist (53 x 8,50 € = 450,50 €).
Es handelt sich dann nicht mehr um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis, sondern es ist voll versicherungspflichtig.
Dies ist im Übrigen auch der Grund, warum branchenübergreifend bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen die Aufzeichnungspflichten bestehen.
Empfehlenswert ist daher auch bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen die Kombination mit einem Arbeitszeitkonto, wobei bei einer maximal zulässigen Arbeitszeit von 52,9 Stunden/Monat aufgrund der nach dem Mindestlohngesetz geltenden 50 %-Regelung nur 26 Stunden maximal in das Arbeitszeitkonto eingestellt werden können.
Unabhängig vom Mindestlohn liegt in der Beschäftigung von Arbeitnehmern in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen freilich noch ein anderes, beträchtliches Arbeitgeberrisiko.
Ein Arbeitnehmer kann kaum von einem Minijob alleine leben.
Regelmäßig geht der Arbeitnehmer einer versicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung und einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis nach, freilich bei verschiedenen Arbeitgebern oder er geht mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen bei mehreren Arbeitgebern nach.
Der letzte Fall ist problematisch.
Wird der Arbeitnehmer bei Arbeitgeber 1 im Umfang von 20 Stunden/Monat tätig und beim Arbeitgeber 2 im Umfang von 35 Stunden/ Monat, so handelt es sich bei jedem einzelnen Arbeitsverhältnis um einen Minijob, denn die gesamt zulässige Zahl von derzeit 52,9 Stunden wird in keinem Arbeitsverhältnis überschritten.
In der Summe jedoch wird der Arbeitnehmer 55 Stunden tätig.
Aus diesem Grunde muss der Arbeitnehmer im normalen Beitrags- und Meldeverfahren bei der für den ihn zuständigen Krankenkasse angemeldet werden.
Die Konsequenzen für den zweiten Arbeitgeber sind beachtlich, denn er wird möglicherweise erst Jahre später davon erfahren, dass es ein weiteres Beschäftigungsverhältnis beim Arbeitgeber 1 gibt.
Er wird für bis zu vier Jahre rückwirkend in Höhe des Arbeitsnehmer- und Arbeitgeberanteils nachverbeitragt.
Aus diesem Grunde muss der Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer im Rahmen eines 450,00 €-Minijobs beschäftigt, feststellen, ob der Arbeitnehmer noch weitere Beschäftigungen bei anderen Arbeitgebern ausübt.
Empfohlen wird eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers, ob noch weitere Beschäftigungen vorliegen.
Hinzukommt, dass sich der Arbeitnehmer verpflichten muss, mitzuteilen, wenn zukünftig weitere Beschäftigungen aufgenommen werden.
Viel nutzen wird dem Arbeitgeber dies jedoch nicht, denn stellt sich im Nachhinein heraus, dass der Arbeitnehmer unrichtige Angaben gemacht hat mit der Folge, dass der Arbeitgeber nachverbeitragt wird, so hat er zwar einen Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitnehmer, kann diesen jedoch de facto schon angesichts der Pfändungsfreigrenzen gar nicht durchsetzen.
6. gesetzlicher Mindestlohn und tarifvertragliche Regelungen
Der gesetzliche Mindestlohn geht allen entgegenstehenden tarifvertraglichen Regelungen vor, wenn diese für die Arbeitnehmer ungünstiger sind.
Wird der Arbeitnehmer also nach einem Tarifvertrag ab 01.01.2015 mit 8,00 € / Stunde vergütet, so steht ihm die Differenz zum gesetzlichen Mindestlohn zu.
Anders ist dies jedoch bei allgemein verbindlichen Branchentarifverträgen, wie es beispielsweise beim Mindestlohntarifvertrag für Wäschereidienstleistungen der Fall ist.
Hier gilt noch bis 30.06.2016 ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 € in den alten Bundesländern und 8,00 € in den neuen Bundesländern.
Ab 01.07.2016 gilt allerdings in den alten und den neuen Bundesländern ein einheitlicher branchentariflicher Mindestlohn für Wäschereidienstleistungen von 8,75 €.
Für alle anderen Branchentarifverträge, die allgemein verbindlich sind, gilt, dass sie spätestens ab 01.01.2017 auf den gesetzlichen Mindestlohn aufschließen müssen.
Ich gehe allerdings davon aus, dass der gesetzliche Mindestlohn zum 01.01.2017 nicht mehr 8,50 € beträgt, sondern angehoben wird, weil im Jahre 2016 erstmals die Mindestlohnkommission tagt.
7. Auftraggeberhaftung
Wer bis zu diesem Punkt glaubte, dass er vom Mindestlohngesetz nicht berührt wird oder meint, alles richtig zu tun, der dürfte jetzt geläutert werden.
Der Gesetzgeber hat die Auftraggeberhaftung des Arbeitnehmerentsendegesetzes in das Mindestlohngesetz aufgenommen.
Praktisch bedeutet dies, dass der von Verstößen gegen das Mindestlohngesetz betroffene Arbeitnehmer zwei Anspruchsgegner hat, nämlich seinen Arbeitgeber und dessen Auftraggeber.
Wer einen Subunternehmer von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet wie ein Bürge dafür, dass dieser das gesetzliche Mindestentgelt zahlt.
Die Haftung beschränkt sich nicht nur auf den beauftragten Subunternehmer und dessen Arbeitnehmer, sondern umfasst auch alle weiteren, wiederum vom Subunternehmer beauftragte Nachunternehmer.
Ausgenommen ist die Haftung für Leiharbeitnehmer des Subunternehmers.
Allerdings haftet der Auftraggeber für Verleiher des Subunternehmers.
Im Rahmen der gesamten Auftraggeberhaftung kommt es auf ein Verschulden nicht an.
Dies bedeutet, dass der einzelne Arbeitgeber, der Nachunternehmer beauftragt, verschuldensunabhängig selbst für solche Personen haftet, mit denen er in keinerlei Vertragsbeziehung steht und deren Vermögensverhältnisse er nicht kennen kann.
Trotzdem hat das Bundesverfassungsgericht die Auftraggeberhaftung bereits nach Einführung des Arbeitnehmerentsendegesetzes ausdrücklich bestätigt.
Man mag sich damit trösten, dass die Haftung freilich auf den Mindestlohn beschränkt ist.
Hat der Subunternehmer mit dem Arbeitnehmer also einen Stundenlohn von 10,00 € vereinbart und zahlt nur 6,00 €, so haftet der Auftraggeber nicht in Höhe von 4,00 €/Stunden, sondern in Höhe von 2,50 €/Stunde.
Die Haftung ist auf den Nettolohn beschränkt und erfasst nicht Verzugszinsen.
Hieraus ergeben sich spannende Fragen:
Was ist, wenn der Subunternehmer in Insolvenz geht und der Arbeitnehmer Insolvenzgeld erhält.
Kann die Bundesagentur für das gewährte Insolvenzgeld Regress beim Auftraggeber nehmen?
Die Frage ist umstritten.
Angesichts der ausufernden Haftung im Rahmen der Auftraggeberhaftung stellt sich die Frage nach Vermeidungsstrategien.
Denkbar ist eine ergänzende vertragliche Regelung im Subunternehmervertrag, worin sich der Auftragnehmer verpflichtet, alle gesetzlichen Bestimmungen, darunter das Mindestlohngesetz einzuhalten.
Denkbar ist des Weiteren eine Freistellungsvereinbarung, in der sich der Auftragnehmer verpflichtet, den Auftraggeber im Falle einer Inanspruchnahme durch den Arbeitnehmer freizustellen.
Schließlich sind Dokumentationspflichten und Nachweisverpflichtungen empfehlenswert.
Alle diese Regelungen haben jedoch eines gemeinsam.
Sie nutzen im Ernstfall nichts.
Die Auftraggeberhaftung kommt in erster Linie im Insolvenzfall zum Tragen.
In diesem Fall nutzen Verpflichtungen, die der Insolvenzschuldner vor der Insolvenz eingegangen ist nichts. Auch eine Freistellung ist vom Insolvenzschuldner nicht zu erwarten.
Empfehlenswert sind daher Sicherungsmechanismen in Kombination mit Dokumentationsverpflichtungen.
Danach kann der Auftraggeber verlangen, dass der Auftragnehmer die Zahlung des Mindestlohns nachweist.
Geschieht dies nicht oder ergeben sich Verstöße, so darf der Auftraggeber Vergütungsbestandteile im Rahmen des Subunternehmervertrages einbehalten.
Auch diese Regelung hat Schwächen, denn der Auftraggeber haftet nicht nur für die Mindestlohnverpflichtungen seines Auftragnehmers, sondern auch für dessen Sub, mit dem er selbst in keinerlei vertraglicher Beziehung steht.
Erforderlich ist also, dass in der Kette der Nachunternehmerverträge inhaltsgleiche Vereinbarungen bestehen und vor allen Dingen auch gelebt werden.
Fazit:
Die volkswirtschaftlichen Konsequenzen des Mindestlohngesetzes können derzeit nicht zuverlässig eingeschätzt werden, da sich der Mindestlohn noch nicht in konjunkturellen Krisen bewährt hat.
Sicher ist, dass der gesetzliche und erst recht die meist sehr viel höheren tarifvertraglichen Mindestlöhne der Integration von Flüchtlingen entgegenstehen.
Der Gesetzgeber muss sich daher durchringen, die Ausnahmen im persönlichen Anwendungsbereich ähnlich wie bei Langzeitarbeitslosen auf Flüchtlinge auszudehnen.
Feststeht in jedem Fall, dass das Mindestlohngesetz viele rechtliche Fragen aufgeworfen hat, von denen einige noch nicht klar beantwortet sind, während zugleich Arbeitgebern bei Verstößen oder Verstößen ihrer Subunternehmer Konsequenzen drohen, die zum Teil existenzgefährdend sind.
Zu hoffen bleibt schließlich, dass sich die angekündigten Zollkontrollen auf den Verdacht schwerwiegender Verstöße beschränken, zumal der Zoll in diesem Jahr an den deutschen Außengrenzen genug Beschäftigungsmöglichkeit finden dürfte.
RA Raber, 14.01.2016