Doku-Pflichten und Auftraggeberhaftung nach dem Mindestlohngesetz

Einleitung

Am 01.01.2015 trat mit dem Mindestlohngesetz erstmals in Deutschland eine gesetzliche Regelung in Kraft, die eine allgemeine Lohnuntergrenze schuf, unabhängig von tariflichen Regelungen.

In erster Linie betrifft dies Unternehmen, die bislang unter dem festgesetzten Mindestlohn lagen, allerdings nicht nur diese.

Das Mindestlohngesetz erlangt nämlich durch die darin verankerten Dokumentationspflichten und die Bürgenhaftung des Auftraggebers weit größere Bedeutung.

Bislang beschränkt sich die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Hauptzollamtes Erfurt nach Aussagen des Sachgebietsleiters Bernhardt Pohlmann auf der Innungsversammlung der Elektroinnung Mittelthüringen am 07.07.2015 noch auf Aufklärung.

Die Zeit wird kommen, in der die Dokumentationspflicht und die Auftraggeberhaftung als bekannt vorausgesetzt werden.

I Dokumentationspflicht nach dem Mindestlohngesetz

Die Erfassungs- und Dokumentationspflicht ergibt sich aus § 17 Abs. 1 S. 1 MiLoG.

Danach muss der Arbeitgeber Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer spätestens bis zum Ablauf des 07., auf den Tag der Arbeitsleistung folgenden Kalendertag aufzeichnen und diese Aufzeichnungen mindestens zwei Jahre, beginnend ab dem für die Aufzeichnung maßgeblichen Zeitpunkt, aufbewahren.

Tut er dies nicht, oder nicht ordnungsgemäß, so droht ihm ein saftiges Bußgeld bis zu 30.000,00 €.

1. Welche Arbeitgeber betrifft dies?

§ 17 Abs. 1 S. 1 MiLoG verweist auf § 2 a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes und die dort genannten Branchen, nämlich:

-    das Baugewerbe,
-    das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe,
-    das Personenbeförderungsgewerbe,
-    das Speditions-, Transport- und damit verbundene Logistikgewerbe,
-    das Schaustellergewerbe,
-    Unternehmen der Forstwirtschaft,
-    Unternehmen der Fleischwirtschaft,
-    Unternehmen, die sich beim Auf- und Abbau von Messen und Ausstellungen beteiligen
-    das Gebäudereinigergewerbe.

Was zum Baugewerbe zählt, ergibt sich aus § 4 Arbeitnehmerentsendegesetz.

Danach unterfallen dem Baugewerbe:

-    das Bauhauptgewerbe,
-    das Baunebengewerbe im Sinne der Baubetriebeverordnung,
-    Betriebe die Montageleistungen auf Baustellen außerhalb des Betriebssitzes erbringen.

Zum Bauhauptgewerbe zählen:

-    der Bau von Gebäuden,
-    Tiefbau,
-    Abbrucharbeiten,
-    vorbereitende Baustellenarbeiten,
-    Dachdecker- und Zimmererarbeiten,
-    Bauspenglerei,
-    Gerüstbau,
-    Schornstein-, Feuerungs- und Industrieofenbau.

Zum Baunebengewerbe gehören, beispielsweise:

-    Elektroinstallationen, Gas-, Wasser-, Heizungs- sowie Lüftungs- und Klimainstallationen,
-    Dämmmaßnahmen,
-    Verputzerei,
-    Stuckaturen,
-    Bautischlerei,
-    Schlosserei,
-    Fußbodenlegearbeiten,
-    Malerei und Glaserei sowie
-    Sonstige, wie beispielsweise Akustikbau

2. Worauf bezieht sich die Aufzeichnungspflicht?

Die Aufzeichnungspflicht des Arbeitgebers bezieht sich auf jene Personen, die unter den Geltungsbereich des Mindestlohngesetzes fallen, also alle Arbeitnehmer, ausgenommen solche, deren verstetigtes regelmäßiges Monatsentgelt 2.958,00 € brutto überschreitet (§ 1 Mindestlohn-Dokumentationspflichten-Verordnung).)

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat in einer Presseerklärung vom 30.06.2015 mitgeteilt, dass die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung dahingehend abgeändert wird, dass die Dokumentationspflicht auch entfällt, wenn ein Arbeitnehmer mindestens 12 Monate lang ununterbrochen ein verstetigtes Bruttomonatseinkommen von 2.000,00 € bezogen hat.

Hierdurch wird der Kreis derer, auf die sich die Dokumentationspflicht bezieht noch einmal etwas beschränkt.

Besonders gefährlich wird es bei der Beschäftigung von Scheinselbstständigen im Rahmen von Scheindienst- bzw. Scheinwerkverträgen.

Werden in einem Betrieb Personen als „Selbstständige“ beschäftigt, die in den Betrieb eingegliedert sind, faktisch dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterfallen, keine anderweitigen Auftraggeber haben, im Falle von Mängeln ihrer Leistung nicht im Rahmen einer Gewährleistung haften, sondern abgemahnt werden, so liegt Scheinselbstständigkeit vor.

Fälle dieser Art wird die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Zollverwaltung früher oder später feststellen, verbunden damit, dass nachträgliche Verbeitragung rückwirkend bis zur Dauer von 30 Jahren (Vorsatz) nebst Säumniszuschlägen erfolgt.

Hinzu kommt eine Strafanzeige in Folge Erfüllung des Straftatbestandes des § 266 a StGB und, weil regelmäßig die Stunden der Scheinselbstständigen nicht dokumentiert wurden, ein ordentliches Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000,00 €.

Weitere Folge der Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der Dokumentationspflicht ist der Ausschluss von Bieterwettbewerben und damit für Branchen, die auf die Teilnahme an Ausschreibungen angewiesen sind, das wirtschaftliche Ende.

3. Was muss aufgezeichnet werden?

Der Arbeitgeber hat, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen.

Die konkrete Dauer und Lage der jeweiligen Pausen muss nicht aufgezeichnet werden.

Der Arbeitgeber kann die Arbeitszeit auch von den Arbeitnehmern selbst aufzeichnen lassen, muss dann aber die Richtigkeit der Aufzeichnungen überwachen.

Für die Richtigkeit bleibt in jedem Fall der Arbeitgeber verantwortlich, auch wenn er die Aufzeichnungspflicht auf die jeweiligen Arbeitnehmer delegiert.

Besonderheiten ergeben sich aus § 17 Abs. 4 MiLoG. Danach kann durch Rechtsverordnung geregelt werden, wie die Aufzeichnung zu erfolgen hat, sofern Besonderheiten der zu erbringenden Werk- oder Dienstleistung dies erfordern.

So genügt es bei Arbeitnehmern, die ausschließlich mobil tätig sind und ihre Arbeitszeit selbst einteilen, wenn diese nur die Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzeichnen, nicht also Anfang und Ende.

Allerdings gilt dies nur für Arbeitnehmer, die frei über ihre Arbeitszeit verfügen, nicht also Monteure, Außendienstmitarbeiter oder Arbeitnehmer mit wechselnden Arbeitsorten, wie beispielsweise im Bau oder in der Gebäudereinigung.

Dort muss Beginn und Ende der Arbeitszeit festgehalten werden.

Die Aufzeichnungen der Mitarbeiter sind stichprobenartig zu kontrollieren.

Zeiterfassungssysteme können genutzt werden.

4. Empfehlung

Aufgrund der schwerwiegenden Folgen der unterbliebenen oder fehlerhaften Dokumentation, nämlich Bußgeld und Ausschluss von Vergabeverfahren, wird folgendes empfohlen:

a)
Die Arbeitnehmer sollten ausdrücklich auf die Einhaltung der Arbeitszeiten und die ordnungsgemäße Dokumentation durch die von ihnen zu fertigenden Arbeitsnachweise hingewiesen werden. Dies erfolgt entweder durch Anschreiben oder Aushang.

b)
Der Arbeitgeber sollte ferner ein stichprobenartiges Kontrollsystem einführen und die von ihm tatsächlich durchgeführten stichprobenartigen Kontrollen dokumentieren, um später einen Nachweis zu haben.

c)
Sollte die Dokumentation aufgrund der Eigenart des Betriebes mit Schwierigkeiten verbunden sein, so sollte die vom Arbeitgeber vorgesehene Vorgehensweise der FKS des Zolls gleich mitgeteilt werden, um spätere unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

II Auftraggeberhaftung/Generalunternehmerhaftung

1. Worum geht es?

Der Gesetzgeber hat im MiLoG auf ein Instrument zurückgegriffen, das den, dem Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes unterfallenden Branchen bereits bekannt ist, die Auftraggeberhaftung.

Diese ergibt sich aus § 13 MiLoG.

Sie dient dazu, die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns auch dort sicherzustellen, wo ein beauftragter Unternehmer zur Erledigung seiner Aufgabe weitere Unternehmer einschaltet.

§ 13 MiLoG verweist zu diesem Zweck auf § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz.

Dieser lautet:

Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, eines Nachunternehmers oder eines von dem Unternehmer oder Nachunternehmer beauftragten Verleihers zur Zahlung des Mindestentgelts an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerinnen oder zur Zahlung von Beiträgen an eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach § 8 wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat.

Das Mindestentgelt im Sinne des Satzes 1 umfasst nur den Betrag, der nach Abzug der Steuern und der Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung oder entsprechender Aufwendungen zur sozialen Sicherung an Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin auszuzahlen ist. (Nettoentgelt).

Dieses Haftungsmodell dient dem Schutz der Arbeitnehmer, in dem es sicherstellt, dass der gesetzliche Mindestlohn nicht im Wege sogenannter Subunternehmerketten umgangen werden kann.

Der Arbeitnehmer einerseits und die sogenannten gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien (SOKA-Bau) erhalten mit jedem weiter eingeschalteten Nachunternehmer einen zusätzlichen Anspruchsgegner für die Durchsetzung ihrer Ansprüche.

Derjenige, der durch die Weitergabe eines eigenen Auftrags an einen anderen Unternehmer eine zusätzliche Partei in die Leistungsabwicklung involviert, soll das Vergütungsrisiko des gesetzlichen Mindestlohns mittragen.

Er haftet für seinen Nachunternehmer verschuldensunabhängig, ebenso wie ein selbstschuldnerisch haftender Bürge.

Der Arbeitnehmer kann daher, sieht er sich um seinen Anspruch auf Zahlung des Mindestlohns gebracht, nicht nur seinen Arbeitgeber verklagen, sondern überdies als sogenannten Hilfsschuldner ebenso alle Auftraggeber in der Nachunternehmerkette, einschließlich GU, nicht jedoch den Bauherrn.

Dass der auf diese Weise vom Arbeitnehmer des Nachunternehmers in Anspruch genommene Auftraggeber bei seinem Nachunternehmer Regress nehmen kann, ist wenig trostreich, denn die Haftungskonstellation stellt sich in erster Linie im Falle der Insolvenz des Nachunternehmers.

In diesem Fall ist jeglicher Regress ausgeschlossen.

2. Ist die Regelung des § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz überhaupt wirksam?

Zu Recht wurde bereits bei der Einführung des § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz der Einwand laut, dass eine umfassende Auftraggeberhaftung unbeherrschbare Risiken mit sich bringt, da es dem Auftraggeber an Kontroll-und Steuerungsmöglichkeiten fehlt.

Die Übertragung umfassender Haftungs- und Insolvenzrisiken auf den Auftraggeber ist gerade bei standardisierten Dienstleistungen im unternehmerischen Geschäftsverkehr offenkundig unangemessen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich daher mit der umfassenden Auftraggeberhaftung befasst (BVerfG 20.03.2007, NZA 2007, 609).

Das Ergebnis ist eine einschränkende Rechtsprechung.

Zunächst kommt als Haftender nur in Betracht, wer als Unternehmer tätig wird, mithin nicht ein Verbraucher.

Hinzukommen muss schließlich, dass der Auftraggeber eine eigene vertragliche Verpflichtung an seinen Nachunternehmer weiterreicht.

Der Bauherr ist daher von vornherein gleich ob Verbraucher, Unternehmer oder öffentliche Hand nicht Auftraggeber im Sinne von § 14 Arbeitnehmerentsendegesetz.

Umgekehrt steht allerdings fest, dass jegliche Beauftragung eines Nachunternehmers innerhalb einer typischen Nachunternehmerkette bei Erbringung baulicher Leistungen unter die Auftraggeberhaftung fällt.

3. Haftungsumfang

Die Haftung ist beschränkt auf den Zahlbetrag nach Abzug der Lohnsteuer und der SV-Beiträge, also auf das Nettoentgelt.

Hinzukommt im Geltungsbereich des BRTV und des VTV die Haftung gegenüber der gemeinsamen Einrichtung (ULAK).

Für die Haftung des Auftraggebers und des Entleihers auf SV-Beiträge gilt im Übrigen § 28 e Abs. 2 und 3 SGB IV.

Beschränkt ist die Haftung der Höhe nach auf den Mindestlohn.

Die Haftung wegen Entgeltansprüchen geht über den Mindestlohn selbst dann nicht hinaus, wenn einem Arbeitnehmer im konkreten Fall ein höherer Entgeltanspruch zusteht.

Streitig kann sein, für welchen Zeitraum die Haftung gilt.

Maßgeblich sind insoweit die Meldungen über Zahl und Einsatzzeiten der Beschäftigten des Subunternehmers.

Das Gericht kann im Streitfall die geschuldete Summe nach § 287 Abs. 2 ZPO schätzen.

Bei der Ermittlung der Differenz zwischen dem geschuldeten Mindestlohn und dem tatsächlich gezahlten Lohn, also dem Haftungsumfang spielt wiederum eine Rolle, welche weiteren Leistungen des Nachunternehmers an seine Arbeitnehmer auf den Mindestlohn anzurechnen sind.

So sind Prämien und Zulagen nur einzubeziehen, wenn sie unabhängig von besonderem Erfolg, Arbeitseinsatz oder außergewöhnlichen Erschwernissen geleistet werden.

Weihnachts- oder Urlaubsgeld wird einbezogen, wenn es zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Mindestlohnanspruchs ausbezahlt wurde und unwiderruflich ist.

4. Was können Sie tun?

a)
Versuchen Sie seriöse und langjährige Geschäftspartner, insbesondere solche aus der Region zu binden, bei denen Sie das Haftungsrisiko einschätzen können.

Vorsicht vor Billiganbietern!

Angebote, deren Kalkulationsgrundlage Mindestlöhne nicht einschließen kann, sollten daher niemals angenommen werden.

b)
Lassen Sie sich eine aktuelle Gewerbeanmeldung sowie die erforderliche Handwerksrolleneintragung vorlegen.

c)
Stellen Sie im Rahmen der Vertragsgestaltung (Subunternehmervertrag) sicher, dass ihr Vertragspartner und jeder weitere Nachunternehmer sich auch im Verhältnis zu jedem Vorunternehmer in der Fremdvergabekette zur Zahlung des Mindestlohns gegenüber seinen eigenen Arbeitnehmern verpflichtet und dem Generalunternehmer entsprechende Informations- und Kontrollrechte vertraglich einräumt.

Achten Sie darauf, dass die Subunternehmerverträge Verpflichtungserklärungen zum Schwarzarbeitsgesetz, zur Einhaltung der Mindestlöhne sowie zu den Mindestarbeitsbedingungen nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) und der gesetzlichen Regelung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) enthalten.

d)
Lassen Sie sich Nachweise hinsichtlich der Erfüllung des Mindestlohns und der Zahlung der SV-Beiträge vorlegen.

e)
Vereinbaren Sie, soweit formularvertraglich möglich, mit dem Nachunternehmer Sicherheiten.

f)
Vereinbaren Sie mit Ihrem Nachunternehmer, dass dieser verpflichtet ist, Sie im Falle in einer Inanspruchnahme sofort freizustellen.

Die vorgenannten Maßnahmen stellen keinen absoluten Schutz dar. Sie sind jedoch geeignet, die Vertragsparteien innerhalb einer Nachunternehmerkette frühzeitig zu sensibilisieren und Risiken damit einzudämmen.
RA Raber, 28.07.2015

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