Das Entgelttransparenzgesetz

 

1. Allgemeines

 

Am 06.07.2017 trat das Entgelttransparenzgesetz in Kraft.

 

Spätestens ab Januar 2018 ist mit der Geltendmachung der Auskunftsansprüche zu rechnen, weshalb alle Betriebe, insbesondere jene mit mehr als 200 Arbeitnehmern gut beraten sind, wenn sie sich rechtzeitig vorbereiten.

 

Die Zeit hierfür wird knapp.

 

Ziel des Gesetzes ist

 

- keine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts

- Entgeltgleichheitsgebot unter den Geschlechtern.

 

Es geht also ausschließlich um die Entgeltgleichheit zwischen Mann und Frau.

 

Rechtspolitischer Hintergrund ist, dass noch immer statistisch eine Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern besteht, und zwar nach Angaben des statistischen Bundesamtes aus dem Jahre 2017 von rund 21 %.

 

Gründe hierfür sind:

 

- schlechter bezahlte Frauenberufe

- Frauen nehmen selten Führungspositionen ein

- Frauen legen häufiger eine Baby-Pause ein und geraten hierdurch in der Vergütungshöhe aufgrund

  Dienstalters in Rückstand

- aus genau dem gleichen Grunde neigen sie häufiger zur Teilzeit, was wiederum Folgen für die

  Entgelthöhe hat.

 

Hieraus resultiert nach Angaben des statistischen Bundesamtes ein Entgeltunterschied bei im Übrigen gleicher formaler Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen, der bei ca. 6 % liegt.

 

Die damalige Opposition im Bundestag hat das Gesetz als nicht weit genug gehend kritisiert.

 

Sie störte sich insbesondere daran, dass der Auskunftsanspruch erst ab einer bestimmten Betriebsgröße geltend gemacht werden kann und außerdem daran, dass die regelmäßigen betrieblichen Prüfverfahren wiederum an einer Betriebsgröße gekoppelt sind und überdies freiwillig.

 

Die Arbeitgeberverbände kritisierten das Gesetz, weil sie damit eine weitere Belastung der Unternehmen in bürokratischer Hinsicht sehen.

 

Im Einzelnen:

 

Zunächst enthält das Gesetz einen ganz wesentlichen Filter.

 

Es geht nämlich davon aus, dass die Tarifvertragsparteien keine, dem GG, dem AGG und letztlich dem Entgelttransparenzgesetz widersprechende Regelung in die Tarifverträge aufnehmen.

 

Aus diesem Grunde enthält das Gesetz unter § 4 Abs. 5 eine Vermutung, wonach in Tarifverträgen Entgeltgleichheit gewährleistet ist.

 

Dementsprechend unterscheidet das Gesetz zwischen

 

- tarifgebundenen Arbeitgebern

- tarifanwendenden Arbeitgebern

- nicht tarifgebundenen/nicht tarifanwendenden Arbeitgebern.

 

Für jene Betriebe, die nicht tarifgebunden sind, jedoch Tarifverträge als Ganzes anwenden, gilt das Tarifprivileg nur dann, wenn in den Arbeitsverträgen schriftliche Bezugnahmeklauseln vereinbart sind.

 

Wer daher kraft betrieblicher Übung ohnehin einen bestimmten Tarifvertrag anwendet, sollte daher in neuen Arbeitsverträgen schriftliche Bezugnahmeklauseln aufnehmen und in den Altverträgen versuchen, mit den betroffenen Arbeitnehmern nachträglich eine schriftliche Fixierung aufzunehmen.

 

Zu beachten ist allerdings, dass das Tarifprivileg nicht gilt, soweit der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen leistet.

 

Diese Zulagen unterliegen wiederum dem Entgelttransparenzgesetz.

 

2. Inhalt

 

Zentrales Anliegen des Gesetzes ist ein Entgeltbenachteiligungsverbot und ein Entgeltgleichheitsgebot.

 

Bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ist eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts verboten.

 

Der Entgeltbegriff ist weit auszulegen.

 

Zentrale Frage ist, was eigentlich gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ist.

 

§ 4 Abs. 2 S. 1 regelt, dass insoweit eine Gesamtschau aller Faktoren erfolgen soll.

 

Um welche Faktoren es sich handelt, zählt beispielsweise § 4 Abs. 2 S. 2 auf.

 

Neben den Ausbildungsanforderungen sollen auch Fertigkeiten, Qualifikation, Verantwortung sowie physische oder psychische Belastungen berücksichtigt werden (BT - DR 18/11133 Seite 51). 

 

Ferner sollen erforderliche Vorkenntnisse und Fähigkeiten nach Art, Vielfalt und Qualität Einfluss finden.

 

Das Gesetz lässt offen, wie die Gewichtung der verschiedenen Faktoren zu erfolgen hat und überlässt damit dem Arbeitgeber einen gewissen Ermessensspielraum.

 

Zu empfehlen ist dem Arbeitgeber, eine interne Bestandsaufnahme für ein betriebliches Prüfverfahren vorzunehmen und zu versuchen, anhand objektiver Kriterien Vergleichstätigkeiten festzulegen.

 

Zu Nachweiszwecken sollten die jeweiligen objektiven Kriterien festgehalten und bei Neueinstellungen, Beförderungen oder Gehaltserhöhungen dokumentiert werden.

 

Dabei ist für die Ermittlung gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit nur auf die Anforderungen dieser Tätigkeit abzustellen, nicht also die Quantität und Qualität der Arbeitsleistung des einzelnen Arbeitnehmers.

 

Anderenfalls wäre es leicht, das Gesetz zu umgehen, etwa mit der Begründung, der besser bezahlte Arbeitnehmer arbeite schneller und effektiver, als die schlechter bezahlte Arbeitnehmerin.

 

Dies ändert wiederum nichts daran, dass der Arbeitgeber gleichwohl Leistungszulagen gewähren kann.

 

In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten ist der private Arbeitgeber verpflichtet, die Entgeltgleichheit regelmäßig zu überprüfen und darüber Bericht zu erstatten.

 

Es handelt sich dabei zwar nicht um eine zwingende Regelung, jedoch darf man davon ausgehen, dass ein Arbeitgeber, der sich daran nicht hält, ein Indiz für eine Benachteiligung schafft, was Konsequenzen für Schadensersatz/Entschädigungsansprüche nach dem AGG auslösen kann.

 

3. Auskunftsanspruch

 

§ 10 regelt einen individuellen Auskunftsanspruch in Betrieben mit mehr als 200 Arbeitnehmern.

 

In diesen Betrieben hat der Arbeitgeber, gleich ob tarifgebunden, tarifanwendend oder nicht tarifgebunden/-anwendend dem Arbeitnehmer auf Verlangen Auskunft zu geben über

 

- die Entgeltfindung

- das Vergleichsentgelt.

 

Ist der Arbeitgeber Tarifanwender kann er sich bei der Beantwortung der Frage hinsichtlich der Entgeltfindung darauf beschränken, den Tarifvertrag zu nennen.

 

Bei der Auskunft zum Vergleichsentgelt kann er sich darauf beschränken, das Vergleichsentgelt der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts anzugeben, die in die gleiche Entgelt- oder Besoldungsgruppe eingruppiert sind.

 

Der Arbeitgeber, der keinen Tarifvertrag anwendet, hat hingegen substantiiert Auskunft zu erteilen.

 

Auskunft worauf?

 

Erstmals ab 06.01.2018 können die Arbeitnehmer Auskunft verlangen.

 

Fragen darf der einzelne Arbeitnehmer nach dem durchschnittlichen Bruttoentgelt und bis zu zwei einzelnen Entgeltbestandteilen, z. B. einer Leistungs- oder einer Erschwerniszulage für eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit.

 

Kein Anspruch besteht darauf, den Entgeltanspruch einzelner Kolleginnen oder Kollegen zu erfahren.

 

Der Arbeitgeber gibt daher Auskunft über den Mittelwert (Median) des Entgelts von mindestens sechs Arbeitnehmern des jeweils anderen Geschlechts in gleicher oder vergleichbarer Tätigkeit.

 

Diesen Anspruch kann der Arbeitnehmer nicht ständig geltend machen, sondern alle zwei Jahre, es sei denn, die Arbeitsbedingungen haben sich vor Ablauf dieser Frist wesentlich verändert.

 

Erteilt der Arbeitgeber die Auskunft nicht innerhalb von drei Monaten, so führt dies zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Arbeitgebers.

 

Erteilt der Arbeitgeber die Auskunft generell nicht, so kann der Arbeitnehmer Auskunftsklage erheben.

 

Ergibt sich, dass eine Ungleichbehandlung vorliegt, kann der Arbeitnehmer den Erfüllungsanspruch geltend machen.

 

Fragwürdig ist, ob der Erfüllungsanspruch auch rückwirkend für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes geltend gemacht werden kann.

 

Der Erfüllungsanspruch infolge der Entgeltgleichheit ergibt sich aus diesem Gesetz.

 

Zweifelsohne liegt in einer geschlechtsspezifischen Entgeltbenachteiligung jedoch auch für die Zeit vor Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes ein Verstoß gegen das AGG vor.

 

Dieses sieht allerdings keinen Erfüllungsanspruch, sondern einen Schadensersatz-/Entschädigungsanspruch vor.

 

In jedem Fall sind Arbeitgeber gut beraten, in die Arbeitsverträge zweistufige Ausschlussklauseln aufzunehmen, da es sonst teuer werden kann.

 

4. Betriebsrat

 

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, egal ob tarifanwendend oder nicht, richtet der Arbeitnehmer seinen Auskunftsanspruch an den Betriebsrat, nicht an den Arbeitgeber.

 

Der Betriebsrat wiederum ist vom Arbeitgeber mit allen notwendigen Informationen auszustatten.

 

Im Detail bedeutet dies, dass der Arbeitgeber dem Betriebsrat zu geben hat

 

- eine Liste über die Bruttolöhne aller Beschäftigten

- eine Aufschlüsselung nach Geschlecht

- eine Aufschlüsselung aller Entgeltbestandteile einschließlich übertariflicher Zulagen und individuell

  ausgehandelter Zahlungen

- all dies in transparenter Weise.

 

Der Gesetzgeber hat in Betrieben mit Betriebsrat damit auch die Rechte des Betriebsrats gestärkt.

 

In Betrieben, in denen Arbeitgeber und Betriebsrat vertrauensvoll im Sinne von § 2 BetrVG zusammenarbeiten, können Arbeitgeber und Betriebsrat die Auskunftsbegehren in sinnvolle Bahnen lenken, in Betrieben, in denen Betriebsrat und Arbeitgeber gegeneinander arbeiten, wird der Betriebsrat zum Verstärker des individuellen Auskunftsanspruchs des Arbeitnehmers.

 

Spätestens im Januar 2018 werden die Betriebsräte mit dem Auskunftsanspruch konfrontiert und sind gemäß § 13 Abs. 3 des Gesetzes mit allen notwendigen Informationen auszustatten.

 

Es empfiehlt sich daher bereits jetzt, eine interne Bestandsaufnahme zum betrieblichen Prüfverfahren vorzunehmen und objektive Kriterien für Vergleichstätigkeiten aufzustellen, die eine transparente Darstellung der Entgeltfindung einerseits und der Vergleichsentgelte andererseits ermöglichen.


 

RA Raber, 24.10.2017

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben