Das betriebliche Eingliederungsmanagement – Ein vernachlässigenswerter Luxus?

Spätestens seit Einführung des § 84 II SGB IX, dem sogenannten betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) hat der Gesetzgeber die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit einer solchen Kündigung konkretisiert.

Zwar hat das BAG ausdrücklich festgestellt, dass die Durchführung eines BEM nicht Kündigungsvoraussetzung ist, schon gar nicht während der Wartezeit, also in den ersten sechs Monaten.

Allerdings hat die Durchführung eines BEM erhebliche Konsequenzen für den wahrscheinlichen Ausgang eines Kündigungsschutzrechtsstreits.

Die Durchführung oder Nichtdurchführung eines BEM hat nämlich Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast.

Führt der Arbeitgeber kein oder ein fehlerhaftes BEM durch, so genügt der Arbeitnehmer bereits dann seiner Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess, wenn er behauptet, dass er bei anderen Arbeitsbedingungen nicht mehr oder weniger häufig krank sein wird.

Der Arbeitgeber muss dann substantiiert und unter Beweisantritt darlegen, dass sowohl der Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, als auch dessen leidensgerechte Anpassung ausgeschlossen ist und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann.

Gelingt ihm dieser Nachweis nicht, verliert er den Prozess.

Hat der Arbeitgeber hingegen das BEM ordnungsgemäß durchgeführt und vor allen Dingen dokumentiert, so genügt er seiner Darlegungs- und Beweislast, wenn er darauf hinweist, dass die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nach den Erkenntnissen des BEM nicht durch eine Änderung der Arbeitsbedingungen oder eine Versetzung reduziert werden kann.

In diesem Fall muss der Arbeitnehmer substantiiert darlegen und beweisen, welche Alternativen zum bestehenden Arbeitsplatz bestehen sollen.

Wiederum zu Lasten des Arbeitgebers geht es, wenn das BEM zwar ordnungsgemäß durchgeführt wurde, jedoch mit einem für den Arbeitnehmer positiven Ergebnis geendet hat.

Kündigt der Arbeitgeber trotz positivem Ergebnisses, so hat er im Prozess darzulegen, warum die Maßnahme undurchführbar war.

Dem kann der Arbeitnehmer mit einfachen Bestreiten entgegentreten.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass es sich bei dem BEM nicht um einen verzichtbaren Luxus handelt, sondern faktisch um eine Weichenstellung über die Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzprozess.

Obschon die Durchführung des BEM nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung ist, so entscheidet die Durchführung und das Ergebnis über die Beweislastverteilung und damit über den wahrscheinlichen Ausgang.

Anders ausgedrückt:

Die Durchführung des BEM ist eine gute Investition, betrachtet man sich die Kosten, die aus dem Annahmeverzugsrisiko später hervorgehen.

RA Raber, 18.06.2010

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