Bezeichnung des Vorgesetzten als „Ausbeuter“ ist Ausdruck der Meinungsfreiheit


Sachverhalt

 

Das Bundesverfassungsgericht entschied am 30.05.2018 über folgenden Fall:

 

Der Arbeitnehmer veröffentlichte nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber im Betrieb ein Schreiben, in dem er ausführte, dass der von ihm namentlich benannte Betriebsleiter Beschäftigte wie Zitronen auspresse, Alte, Kranke und Verschlissene gegenüber Gesunden und Jungen oder auch Leiharbeitnehmern und befristet Beschäftigten gegenüber der Stammbelegschaft ausspiele“, und „überhaupt mit den Hoffnungen von Entliehenen und befristet Beschäftigen brutal gespielt werde.

 

Des Weiteren heißt es in dem Schreiben:

 

„Wer heute einem Übel teilnahmslos zuschaut, kann schon morgen selbst Opfer des Übels werden“.

 

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis erneut, dieses Mal außerordentlich und hilfsweise ordentlich.

 

Das Arbeitsgericht und ebenso das LAG Baden-Württemberg hielten die außerordentliche Kündigung für unwirksam, wohingegen Sie die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung bestätigten.

 

Insbesondere bejahten beide Instanzen eine sogenannte Schmähkritik, welche von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt ist.

 

Damit lag ein, an sich zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses berechtigender wichtiger Grund vor.

 

Lediglich im Ergebnis der Abwägung gelangten beide Instanzen zur Wirksamkeit der hilfsweise ordentlichen Kündigung.

 

Die Revision wurde nicht zugelassen, die Nichtzulassungsbeschwerde des Arbeitnehmers zum BAG blieb erfolglos.

 

Hierauf legte er Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht ein.

 

Entschieden

 

Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen.

 

Ungeachtet dessen verneinte das Gericht überdies die Verletzung von Grundrechten.

 

Dies allerdings lediglich deshalb, weil es die Entscheidungen der Instanzgerichte im Ergebnis als sachgerecht beurteilte.

 

Bedeutung hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts insoweit, als das Bundesverfassungsgericht eine Schmähkritik ausdrücklich verneinte.

 

Die Schmähkritik genießt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Schutz der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG).

 

Eine Schmähung ist eine Äußerung - unter Berücksichtigung von Anlass und Kontext - nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts jedoch nur dann, wenn jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

 

Daher ist wesentliches Merkmal der Schmähung eine, das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung.

 

Handelt es sich um Äußerungen in einer öffentlichen Auseinandersetzung, liege dagegen nur ausnahmsweise eine Schmähkritik vor.

 

Das Bundesverfassungsgericht betont, dass auch im Betrieb die Meinungsfreiheit geschützt und sachbezogene Auseinandersetzungen durchaus scharf geführt werden dürften.

 

Daher liege selbst im Gebrauch des Begriffes Ausbeuter“ noch keine Schmähkritik, wenn ein Sachbezug bestehe.

 

Des Weiteren soll nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein Sachbezug nicht von vornherein zu verneinen sein, wenn im Betrieb eine Rücksichtslosigkeit gegenüber vor Diskriminierung geschützten Alten oder behinderten Beschäftigten und gegenüber befristet oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung prekär Beschäftigten kritisiert wird .

 

Vor diesem Hintergrund sei daher die Äußerung, ein Betriebsleiter wolle Beschäftigte wie Zitronen auspressen“ nicht zwingend allein auf die Diffamierung der Person angelegt, weil der Sachbezug vorhanden sei.

 

Kommentiert

 

Es ist gut, dass arbeitsrechtliche Streitigkeiten nicht durch das Bundesverfassungsgericht, sondern die Fachgerichtsbarkeit entschieden werden.

 

Die Fachgerichtsbarkeit hat nämlich offensichtlich einen höheren Realitätsbezug, als das Bundesverfassungsgericht.

 

Dieses Land verdankt seinen Wohlstand einer bislang weitestgehend funktionierenden Wertschöpfungskette, die zwingend funktionierende Betriebe voraussetzt.

 

Um die Funktionsfähigkeit eines Betriebes herzustellen, muss nicht zwangsläufig die Meinungsfreiheit außer Kraft gesetzt werden.

 

Es muss allerdings Regeln geben, die die Arbeitsvertragsparteien einhalten müssen.

 

Wer diese Regeln nicht einhält, riskiert die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Ob eine darauf bezügliche Kündigung dann wirksam ist oder nicht, hängt davon ab, wie lange das Arbeitsverhältnis unbeanstandet bestanden hat und ob die Kündigung unter Abwägung der gegenseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer gerechtfertigt erscheint.

 

So haben es im vorliegenden Fall auch die Instanzgerichte entschieden, dabei hätte es das Bundesverfassungsgericht auch belassen können.

 

Stattdessen sah es sich aufgefordert, ein Signal zu senden, das dem Betriebsfrieden mit Sicherheit nicht dient.

 

 

 

RA Raber, 06.08.2018

BVerfG Beschluss vom 30.05.2018 1 BvR 1149/17

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