Einleitung
Im Jahre 2013 führten 5300 Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung Bund zu Beitragsmehreinnahmen von über 450 Mio. €.
Im Jahre 2014 erhielt die Deutsche Rentenversicherung Bund Verstärkung durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, der Prüfungen nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz durchführt.
Das Ergebnis 2014 allein 63000 Arbeitgeberprüfungen, 500000 Personenbefragungen,1900 Freiheitsstrafen.
Am 01.01.2015 trat das MiLoG in Kraft. Verbunden ist damit die Aufstockung der FKS des Zolls von 6700 um weitere 1600 Mitarbeiter, um zusammen mit den Einzugsstellen und der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Kontrolldichte zu schaffen, wie es sie in der Deutschen Geschichte noch nie gegeben hat.
Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) hat bereits im Januar und Februar 2015 insgesamt 8443 Prüfungen bei Arbeitgebern durchgeführt. Dies ergibt sich aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Linke. Hochgerechnet auf das Jahr 2015 bedeutet dies über 50000 Prüfungen alleine durch die FKS, nicht gerechnet die Prüfungen durch die Deutsche Rentenversicherung.
Die Frage, ob Ihr Betrieb Besuch von Zollbeamten erhält, stellt sich nicht.
Es stellt sich nur die Frage: Wann?
Der folgende Beitrag möchte Ihnen vermitteln, worauf sich Prüfungen konzentrieren, welche finanziellen Folgen Ihnen aus einem positiven Befund erwachsen, welche weitergehenden Konsequenzen eintreten und welches vorbeugende Risikomanagement sich empfiehlt.
I Prüfungsgegenstand
Hauptfelder der FKS des Zolls sind
-Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen
-Steuerhinterziehung
-Illegale Beschäftigung von Ausländern
-Leistungsmissbrauch und Leistungsbetrug
-Illegale Arbeitnehmerüberlassung
-Verstoß gegen Mindestarbeitsbedingungen (z. B. Mindestlohn).
Das MiLoG hat damit den Tätigkeitsbereich des Zolls zwangsläufig erweitert, sodass die damit verbundene Prüfungsdichte dazu führen wird, dass auch solche Verstöße festgestellt werden, die mit Mindestlohn nichts zu tun haben. Dies betrifft insbesondere die korrekte Verbeitragung und Abführung von SV-Beiträgen, als auch die Konsequenzen illegaler Arbeitnehmerüberlassung für den Entleiher, denn die FKS geht regelmäßig von einem „ganzheitlichen Prüfungsansatz“ aus, was bedeutet, dass bei jedem Arbeitgeber alle in Betracht kommenden Prüfaufgaben abgedeckt werden.
Die Prüfung des Mindestlohns ist dann nur noch der Auslöser.
1.Scheinselbständigkeit
Freie Mitarbeiter, Mitarbeiter also, für die keine Beiträge abgeführt werden, bilden naturgemäß einen Schwerpunkt der Betriebsprüfungen der FKS. Dabei entpuppt sich bei näherem Hinsehen nahezu jeder freie Mitarbeiter als waschechter Arbeitnehmer. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine wertende Gesamtbetrachtung, also eine Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände vorzunehmen, vor allem das Vorliegen eines Weisungsrechts, die Gestaltung des Entgelts und seine Berechnung, also etwa Entlohnung nach festen Stundensätzen, Art und Ausmaß der Einbindung in den Betriebsablauf des Arbeitgeberbetriebes sowie die Festlegung des täglichen Beginns und des Endes der Arbeitszeit.
Wer also in den Betrieb weisungsabhängig eingegliedert ist, ist Arbeitnehmer.
Besonders deutlich wird dies dann, wenn die Tätigkeit des Mitarbeiters im Übrigen von Arbeitnehmern ausgeführt wird oder früher von Arbeitnehmern ausgeführt wurde.
Also Vorsicht!
Freier Mitarbeiter mag sein, wer eigenbestimmt tut was er will, kommt und geht wann er will, für mehrere Auftraggeber tätig ist und seine Tätigkeit zu Vergütungssätzen abrechnet, mit denen er nach Abzug von Steuer und privaten Vorsorgeaufwendungen leben kann. Dies sind regelmäßig Freiberufler,
Mitarbeiter im Unternehmen sind es regelmäßig nicht.
2.Werkunternehmer-Scheinwerkverträge
Ein Werkunternehmer schuldet einen werkvertraglichen Erfolg, er haftet für den Eintritt dieses Erfolgs außerdem im Rahmen der Gewährleistung. Seine Leistung erbringt er selbstbestimmt, also weisungsfrei.
Das heißt auch hier besteht kein Zweifel an der Arbeitnehmer-Eigenschaft, wenn der Mitarbeiter im Betrieb eingegliedert ist, Arbeitsmittel des Betriebes statt Eigene einsetzt, Weisungen erhält und bei Schlechtleistung abgemahnt wird. Auch hier gilt: Wird die Arbeitsleistung des Mitarbeiters im Übrigen von Arbeitnehmern erbracht oder war dies früher im Betrieb so, so spricht alles dafür, dass nicht Tätigkeit aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages vorliegt, sondern ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.
3.Beschäftigung unter Missachtung von tariflichen oder gesetzlichen Arbeitsbedingungen
a. Entsendegesetz
Diente das Gesetz, seinem Namen entsprechend zunächst dem Schutz Deutscher Unternehmen vor ausländischer Billigkonkurrenz, insbesondere in der Bauwirtschaft, so hat sich seine Zielsetzung völlig verändert.
Der ursprüngliche Zweck bestand darin, ausländische Unternehmen bei der Entsendung von Arbeitnehmern auf dem deutschen Markt an die hier geltenden tarifvertraglichen Regelungen zu binden, um Nachteile für inländische Unternehmen durch Lohndumping zu verhindern.
Heute ist das Gesetz zu einem der wichtigsten staatlichen Steuerungsinstrumente in der Arbeitsmarktpolitik geworden.
Kritiker meinen, dass es an die Stelle der Tarifautonomie getreten ist.
Kam es für die Geltung tariflicher Regelungen ursprünglich auf die Tarifbindung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer an, oder die Einbeziehung eines Tarifvertrages durch Inbezugnahme im Arbeitsvertrag oder die Allgemeinverbindlich-Erklärung durch das BMAS auf Antrag der Tarifparteien, so trat an die Stelle dessen mit dem Entsendegesetz der ausschließliche Wille der Bundesregierung.
Allein sie bestimmt durch Rechtsverordnung welcher allgemeinverbindliche Tarifvertrag für die bereits im Gesetz benannten und noch zu benennenden Branchen Gültigkeit hat.
Was heute für die Baubranche, die Gebäudereiniger, Briefdienstleister oder Sicherheitsdienstleister gilt, kann schon morgen weitere Branchen des Niedriglohnsektors erfassen. Wer einer dieser Branchen angehört und gegen die Bestimmungen des maßgeblichen Tarifvertrages hinsichtlich Mindestentgelt, Mindesturlaub, Pausenzeiten etc. verstößt, wird zukünftig dem engen Netz von Deutscher Rentenversicherung Bund und Zoll nicht mehr entkommen.
b. tarifliche Regelungen allgemein
Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat bereits in der Vergangenheit im Rahmen ihrer regelmäßigen Prüfungen die Einhaltung tariflicher Bestimmungen durch den Arbeitgeber geprüft. Besonders hart hat dies eine Branche getroffen, deren Unternehmen sich peinlichst genau an einen Tarifvertrag gehalten haben, allerdings leider an den Falschen.
Anstatt den Tarifvertrag des DGB arbeitsvertraglich einzubeziehen, entschieden sich zahlreiche Unternehmen der Leiharbeitsbranche für den Tarifvertrag der CGZP.
Genau diesen christlichen Arbeitgeberverband hielt das BAG jedoch für tarifunfähig mit der Folge, dass auch die von der CGZP geschlossenen Tarifverträge nichtig waren und dies rückwirkend.
Die Folge: Mangels wirksamen Tarifvertrags gilt der Grundsatz equal pay, also gleicher Lohn für Leiharbeitnehmer wie Stammbelegschaft.
Die hiervon betroffenen Unternehmen müssen SV-Beiträge und Lohnsteuer nachentrichten, nicht selten in sechsstelliger Höhe, die Mehrzahl der mittelständischen Unternehmen steht vor der Insolvenz.
c. Mindestlohn
Es scheint alles so einfach.
Der Mindestlohn beträgt derzeit 8.50 €, weshalb der Monatsbruttolohn bei einer 40 Stundenwoche zwangsläufig 1473,33,00 € beträgt.
Aber ist das so einfach?
Nicht jeder Monat hat gleich viel Tage.
Was ist mit der Anrechnung von Gratifikationen, Arbeitgeberzuschüssen, Auslagenersatz, Auslöse?
Was ist wenn Grundlohn und Leistungslohn zusammen weit über dem Mindestlohn liegen, der Grundlohn isoliert betrachtet aber nicht?
Was ist mit einer Gewinnbeteiligung, was mit Zulagen und was mit Tantiemen?
Fallen bestimmte Gruppen, beispielsweise Vertragsamateure unter den Mindestlohn?
Manche dieser Fragen wurden bezüglich tariflichen Mindestlohns geklärt, die Mehrzahl bislang nicht, vor allem nicht durch das BAG.
Fest steht nur, dass Verstöße schwerwiegende finanzielle Folgen haben. Ob Sie gegen das Mindestlohngesetz (MiLoG) verstoßen oder nicht, wissen Sie heute vielfach noch gar nicht.
Das sagt Ihnen dann der Zoll, wenn er Sie geprüft hat.
II. Prüfung beendet. Was kommt auf Sie zu?
1.Entstehungsprinzip
Anders als das Zuflussprinzip im Steuerrecht, folgt die Sozialversicherung dem Entstehungsprinzip. Die Beitragspflicht entsteht danach ab Aufnahme der Arbeit. Wann und in welcher Höhe der geschuldete Lohn gezahlt wird, spielt keine Rolle.
Dem Arbeitgeber obliegt die Meldepflicht gegenüber der Einzugsstelle nach Maßgabe der DEÜV. Er ist es, der den Gesamtsozialversicherungsbeitrag schuldet. Lediglich im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer steht ihm ein Ausgleichsanspruch zu.
Aus dieser umfassenden Schuldnerstellung des Arbeitgebers resultiert eine ebenso umfassende Beitragshaftung die sich realisiert
-in der laufenden Beitragsüberwachung durch die Einzugsstellen
-in der nachträglichen Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund
-in der Prüfung der FKS des Zolls.
Dementsprechend trifft die Nachzahlungslast der ab Entstehung geschuldeten Beiträge allein den Arbeitgeber.
Rückwirkend, heißt bis zu vier Jahre, bei Vorsatz 30 Jahre, wobei der Ausgleichsanspruch gegenüber dem Arbeitnehmer auf drei Monate begrenzt ist (28g SGB IV).
2. Rechenbeispiel
Das folgende Rechenbeispiel bezieht sich auf ein illegales Beschäftigungsverhältnis, beispielsweise ein Scheinselbständiger oder ein Schein-Werk/Dienstverhältnis, wobei gem. § 14 Abs.2 Satz 2 SGB IV unter Zugrundelegung der Steuerklasse VI das Monatsbrutto im Abtastverfahren zu berechnen ist.
Wir nehmen ein "Honorar" in Höhe von 2.500,00 € / Monat an.
Brutto 5.178,00 €
Lohnsteuer. 1.637,08 €
Kirchensteuer. 0,00 €
Soli. 90,03 €
Steuern ges. 1.727,11 €
Rentenversicherung 489,32 €
Arbeitslosenversicherung 77,67 €
Krankenversicherung 332,10 €
Pflegeversicherung 51,64 €
Sozialabgaben. 950,73 €
Nettolohn. 2500,16 €
Die Beitragspflicht für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil errechnet sich also:
Rentenversicherung. 978,64 €
Arbeitslosenversicherung. 155,34 €
Krankenversicherung. 664,20 €
Pflegeversicherung. 103,28 €
Summe 1901,46 €
Bei nur einem Betroffenen in Ihrem Unternehmen bedeutet dies für ein Jahr bereits eine Nachzahlung an SV-Beiträgen von rund 23.000,00 €, bei Fahrlässigkeit (4 Jahre Haftung) bis zu 92.000,00 €.
Das BSG geht jedoch regelmäßig von bedingtem Vorsatz aus, verbunden mit einer Haftung bis 30 Jahre.
Rechnen Sie selbst, was dies bei nur einem Scheinselbständigen in Ihrem Unternehmen bedeutet.
3.Säumniszuschläge
Sind die Beiträge infolge Arbeitgeberverschulden nicht abgeführt worden, fallen zusätzlich Säumniszuschläge in Höhe von 1%/Monat an. Die Säumnis beginnt am Tag der Fälligkeit, also regelmäßig ab Nichtentrichtung zum drittletzten Bankarbeitstag.
In unserem Fall, also Beitragsschuld von einem Jahr kommen also noch 12%, mithin ausgehend von 92.000,00 € 11.040,00 € hinzu, zusammen für das erste 103.040 €.
Es kommt noch dicker.
4.Unfallversicherung
Da der Betroffene als Arbeitnehmer unfallversichert ist, teilen die Rentenversicherungsträger die bei der Prüfung getroffenen Feststellungen mit. Diese erlassen sodann gesonderte Nachforderungsbescheide nebst Säumniszuschlägen rund 3.000,00 €/Jahr gegen den Arbeitgeber.
All das mag man noch berechnen können.
Hinzu kommen jetzt allerdings alle Aufwendungen, die infolge eines Unfalls des Scheinselbständigen nunmehr nachträglich der Unfallversicherung entstehen (110 1a SGB VII) also z. B. für
-Heilbehandlung einschließlich ReHa
-Verletztengeld (einschließlich der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung)
-Verletztenrente
-berufliche Wiedereingliederung
-Witwen und Waisenrente.
Übrigens!
Was ist eigentlich mit der privaten Krankenversicherung, die der Scheinselbständige im Vertrauen auf seine Selbstständigkeit abgeschlossen hat?
Diese kann er nach 205 VVG kündigen, sobald der Arbeitgeber die Anmeldung zur jeweiligen Einzugsstelle vorgenommen hat. Wird dann die Bescheinigung der Einzugsstelle innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Versicherungspflicht eingereicht, dann wird der Vertrag rückwirkend beendet und zuviel gezahlte Beiträge erstattet.
5.Strafrecht
Ich habe bisher nur von den beitragsrechtlichen Konsequenzen gesprochen, die wahrlich erschreckend genug sind.
Allein dabei bleibt es nicht.
Die Nichtabführung von Beiträgen ist strafbar (266a StGB).
Das Strafmaß richtet sich freilich nach Dauer und Höhe des Schadens. Nur einige Beispiele:
BGH Beschluss vom 18.05.2010-1StR 111/10
Strafmaß vier Jahre bei einem Beitragsrückstand von 1,9 Mio. ,infolge Abschluss von Schein-Werkverträgen mit mehreren Arbeitnehmern.
LG Düsseldorf, Urteil vom 27.Januar 2011-014 KLs-130 Js 62/05-8/10
Strafmaß fünf Jahre und sechs Monate Schlachthofkolonne als Subunternehmer mit Beitragsrückstand mehrere Mio. trotz Geständnis.
Verbunden mit einer rechtskräftigen Verurteilung gem. 266 a StGB sind außerdem Nebenfolgen, wie die Eintragung ins Korruptionsregister, was sich für die Teilnahme an zukünftigen Ausschreibungen sehr vorteilhaft macht, die Inhabilität, also der Ausschluss der Tätigkeit als Geschäftsführer für fünf Jahre, der Verlust von Konzessionen, beispielsweise AÜG-Erlaubnis oder bei Ärzten Verlust der Approbation.
6. Umsatzsteuerliche Auswirkungen
Stellt sich heraus, dass der Subunternehmer scheinselbständig war, stellt sich die Frage nach der vom Arbeitgeber nach dessen Rechnungen gezogenen Vorsteuer.
Ganz einfach:
Aus den Rechnungen eines Scheinfreien kann der Auftraggeber keine Vorsteuer geltend machen.
Das heißt die gezogene Vorsteuer ist nach zu entrichten. Dem Scheinfreien nutzt dies nichts. Er muss die Umsatzsteuer entrichten (14c UStG)
7. Haftung des Organs juristischer Personen
Organe juristischer Personen haften ähnlich dem Steuerrecht (dort 69,71 AO) persönlich gem. § 823 II BGB i. V. m. 266 a StGB allerdings lediglich für den nicht abgeführten Arbeitnehmeranteil, nicht den Arbeitgeberanteil und auch nicht für Säumniszuschläge. Geltend gemacht wird der Anspruch durch die Einzugsstellen selbst auf dem Zivilrechtsweg.
Die Organhaftung betrifft auch den ehrenamtlichen Vereinsvorstand, übrigens auch den neugewählten Vorstand für Altverbindlichkeiten.
Besondere Bedeutung kommt dabei wieder dem gesetzlichen Mindestlohn zu, denn dieser steht auch den Vertragsspielern zu, die bislang als geringfügig Beschäftigte geführt, weit über das damit verbundene Stundenmaß hinauskommen. Hierin liegt eine besonders heimtückische Falle für all jene, die als Ehrenamtliche etwas für den Sport tun wollen.
8. Beraterhaftung
Angesichts der geschilderten Konsequenzen der Verletzung von Beitragspflichten, die für kleine und mittelständische Unternehmen existenzbedrohenden Charakter haben, liegt es nahe, zu prüfen, ob eine Falschberatung ursächlich für Fehleinschätzungen war.
Hat der Steuerberater trotz gegenteiliger Hinweise die Arbeitnehmereigenschaft des Scheinselbständigen verneint, so wird ein Haftpflichtfall naheliegen.
Die gleiche Problematik stellt sich, wenn der Steuerberater die Konsequenzen eines Nachzahlungsbescheides für den damit möglicherweise bereits vorliegenden Insolvenzgrund nicht beachtet hat und nunmehr Anfechtung und Insolvenzverschleppung im Raum steht.
Aber ist die Beratung des Steuerberaters in Fragen des Sozialversicherungsrechts wirklich von seiner Haftpflichtversicherung gedeckt?
Haftpflichtversichert ist sein Kerngeschäft, die Steuerberatung.
Also Vorsicht auch für Steuerberater, die zwangsläufig mit SV-Fragen konfrontiert werden.
III Rechtsweg
1.
Steht die FKS des Zolls vor der Tür, so wird sich Ihr Tagesablauf abweichend von Ihren Plänen gestalten, denn Rechtsmittel gegen die nun folgende Kontrolle gibt es nicht.
Der Einspruch hat ohnehin keine aufschiebende Wirkung, gerichtliche Anträge auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung, Anfechtungsklage etc. kommen zu spät.
Es spricht die normative Kraft des Faktischen.
Der Zoll hat Betretungsrechte sowie das Recht zur Einsicht in Lohn- und Meldeunterlagen, ebenso wie in alle Unterlagen, die, wie beispielsweise Verträge für das Beschäftigungsverhältnis, relevant sein könnten.
Zwar darf der Zoll grundsätzlich nicht gegen Ihren Willen die Geschäftsräume betreten und auch keine Durchsuchung durchführen, aber dies gilt dann nicht, wenn der Verdacht einer Straftat besteht.
Dies wiederum liegt nahe, wenn Sie Ihren Mitwirkungspflichten nicht nahekommen.
Also entweder Mitwirken bei der Aufdeckung Ihrer Verfehlungen oder Durchsuchung.
Honni soit qui mal y pense.
2.
Gegen Beitragsbescheide ist der Rechtsbehelf des Widerspruchs eröffnet, gegen den Widerspruchsbescheid die Klage zum Sozialgericht.
Der Widerspruch hat allerdings keine aufschiebende Wirkung, sodass Antrag auf Aussetzung der Vollziehung an den Rentenversicherungsträger gestellt werden muss. Kommt dem der Rentenversicherungsträger nach, stellen die Einzugsstellen die Vollstreckung übrigens ohne Säumniszuschläge, aber mit Zinsen in Höhe von 4% per anno ein.
Kommt der Rentenversicherungsträger dem Antrag nicht nach, bedarf es eines Eilantrages zum Sozialgericht, das nach einer Interessenabwägung entscheidet.
Gute Chancen bestehen bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Bescheids und bei unbilligen Härten.
Droht Zwangsvollstreckung, so kann ein Stundungsantrag Milderung schaffen. Diese kann allerdings von der Stellung einer Sicherheit abhängig gemacht werden.
3. Insolvenz
Beitragsnachforderungen sind Verbindlichkeiten, die nicht lediglich im Wege einer Rückstellung, sondern bereits bilanziell zu berücksichtigen sind.
Dies bedeutet, dass während des Widerspruchs- und Klageverfahrens bereits der Todesengel über Ihnen schwebt, etwa in der Form des Insolvenzgrundes der Überschuldung.
Verlieren Sie das Klageverfahren, so stellt sich die Angelegenheit rückblickend als Insolvenzverschleppung dar.
Dies hat zum einen strafrechtliche Konsequenzen, angefangen mit der Insolvenzverschleppung über die Verletzung der Buchführungspflicht bis zum Bankrott.
Zum anderen führt die Insolvenzverschleppung zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers und dessen Inhabilität sowie zur Masseschmälerung mit der Folge, dass der Insolvenzverwalter Verfügungen während des Zeitraums der Verschleppung anficht.
Widerspruch und Anfechtungsklage, anstelle eines rechtzeitigen Insolvenzantrages machen daher nur Sinn, wenn gegen die Beitragsforderung substantiierte Einwendungen vorliegen oder wenn die Forderung nicht zu einem Insolvenzgrund führt.
Übrigens:
Bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten von Widerspruch und Anfechtungsklage wird häufig der Vertrauensschutz nach einer vorangegangenen Betriebsprüfung überschätzt.
Nach der Rechtsprechung des BSG dienen Betriebsprüfungen nicht dazu, dem Arbeitgeber Entlastung zu erteilen, sondern der Verhinderung von Beitragsausfällen. Außerdem dürfe sich die Untersuchung auf Stichproben und Einzelfälle beschränken, weshalb ohnehin keine weitreichenden Schlussfolgerungen gezogen werden dürfen.
In der Praxis bedeutet dies, dass auch die mehrfach unbeanstandet gebliebene Scheinselbständigkeit keinen Vertrauensschutz für die Zukunft bedeutet.
Es gibt allerdings glücklicherweise neue Ansätze in der Rechtsprechung einzelner Landessozialgerichte, die dem im Hinblick auf § 44 ff. SGB X widersprechen.
IV. Risikomanagement
Niemand wird angesichts der erdrückenden Übermacht und des restriktiven Rechtsweges, verbunden mit den möglichen insolvenzrechtlichen Konsequenzen der Inanspruchnahme von Rechtsmitteln einen einfachen Ratschlag erwarten.
Es gibt ihn auch nicht, denn der gut gemeinte Rat Nachfestsetzungen unter Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen, setzt entsprechende Liquidität voraus und hilft kleinen und mittelständischen Unternehmen angesichts der beschriebenen Größenordnung von Beitragsnachforderungen regelmäßig wenig.
Allerdings gibt es ein taktisches und ein strategisches Mittel.
1. Statusklärung § 7a SGB IV 28h SGB IV
Wer in Kenntnis einer Scheinselbständigkeit gleichwohl fortfährt, der verlagert sich automatisch auf den Rechtschutz nach Entdeckung.
Wer im Zweifel ist über den Status eines Mitarbeiters, dem steht das Anfrageverfahren zur Verfügung. Danach entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, bindend mit Ausnahme der Bundesagentur.
Der Vorteil dieses Verfahrens:
Die Versicherungspflicht beginnt nicht mit der Entstehung, also Arbeitsaufnahme, sondern mit der Bekanntgabe eines Feststellungsbescheides
-wenn der Statusantrag innerhalb eines Monats nach Arbeitsaufnahme gestellt wird
-der Beschäftigte dem späteren Eintritt zustimmt
-der Beschäftigte zwischen Aufnahme der Tätigkeit und der Bekanntgabe des Bescheides
eine Krankheits- und Altersvorsorge hat, die mit der Gesetzlichen vergleichbar ist.
Das Anfrageverfahren hilft mithin dem Arbeitgeber, der ernstlich um Klärung bemüht ist. Er ist vor strafrechtlichen Konsequenzen und als Organ vor der persönlichen Haftung geschützt.
Umgekehrt schlussfolgert die Rechtsprechung aus der Nichtdurchführung eines Anfrageverfahrens Vorsatz des Arbeitgebers. Auch der Hinweis, man habe sich über die Rechtslage geirrt ist irrelevant, denn er stellt sich angesichts der Möglichkeit des Anfrageverfahrens als vermeidbarer Verbotsirrtum dar.
2. Compliance
Es ist nicht nur ein Modewort, das nach diversen Skandalen die Schlagzeilen erobert hat, sondern ist auch in kleinen und mittleren Unternehmen drauf und dran zur Geschäftsgrundlage zu werden.
Compliance bedeutet die Gesamtheit aller Maßnahmen, um das rechtmäßige Verhalten der Unternehmen, der Organmitglieder und der Mitarbeiter im Blick auf alle gesetzlichen Gebote und Verbote, sowie sämtlicher unternehmensinternen Richtlinien zu gewährleisten.
Der IDW hat im April 2011 entsprechende Grundsätze für Unternehmen ab 10 Mio. Jahresumsatz und mehr als 50 Mitarbeitern aufgestellt (IDW PS 980).
Ich verweise zum Gesamtkomplex wegen des Umfanges auf unseren Infobrief 7/2013
Es geht dabei nicht nur um Fragen der Korruption oder Kartellbekämpfung, sondern gerade auch um die richtige Statuseinstufung und die damit einhergehende Abführung von Beiträgen.
Fehlt es an einem Compliance System, gelangt eine im Vordringen befindliche Rechtsprechung automatisch bei Verstößen zur persönlichen Haftung der Organe (z. B. LG München I Urteil vom 10.12.2013-5 HK O 1387/10).
Umgekehrt führt ein Compliance System ,so wie es das IDW empfiehlt ,entsprechend eingedampft bei kleinen Unternehmen zu einer guten Position im Falle des negativen Ausgangs einer Prüfung, lässt sich doch gut begründen, dass kein Vorsatz vorlag und eine persönliche Haftung von Organen nicht in Betracht kommt.
In diesen Fällen lässt sich schon im Vorfeld eines Nachzahlungsbescheides im Zusammenwirken mit Zoll, dem Rentenversicherungsträger, der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung ein erträgliches Ergebnis erzielen.
RA Raber, 30.05.2015