Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

Am 01.01.2015 trat die Neuregelung der §§ 371, 398 a AO in Kraft.

Die Neuregelung gilt dementsprechend für alle Selbstanzeigen, die ab diesem Zeitpunkt bei den Finanzbehörden eingegangen sind und eingehen.

Die Änderungen sind schwerwiegend, weshalb vor der Erstattung einer Selbstanzeige unbedingt steuerliche und anwaltliche Beratung einzuholen ist.

Im Einzelnen:

I Mindestberichtigungszeitraum

Bezog sich der Berichtigungszeitraum bislang bei der „einfachen“ Steuerhinterziehung auf die fünfjährige Verjährungsfrist, so gilt nunmehr generell eine Zehnjahresfrist.

Der Steuerpflichtige muss daher unabhängig davon, ob bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist, rückwirkend zehn Jahre nacherklären.

Dabei ist das Jahr, in dem die Selbstanzeige erfolgt, nicht in die Fristberechnung einzubeziehen.

Wer im Jahre 2015 eine Selbstanzeige abgibt, muss folglich für den Zeitraum 01.01.2005 bis 31.12.2014 seiner Berichtigungspflicht genügen.

II Erweiterung der Ausschlussgründe

Bereits die bisherige Regelung sah unter § 371 Abs. 2 AO den Ausschluss der Straffreiheit vor, wenn vor der Berichtigung ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit erschienen war, dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden war oder die Tat im Zeitpunkt der Berichtigung ganz oder teilweise bereits entdeckt war und dies der Täter wusste oder bei verständiger Würdigung wissen musste.

Die Gesetzesänderung zum 01.01.2015 hat die Ausschlussgründe wesentlich verschärft.

1. Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung

Nach der neuen Regelung ist es nicht erforderlich, dass ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung oder Ermittlung erscheint.

Es reicht bereits aus, wenn eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO für eine steuerliche Außenprüfung bekannt gegeben worden ist.

Dabei beschränkt sich der Kreis nicht mehr nur auf den Täter als Empfänger der Prüfungsanordnung, sondern die Gesetzesänderung spricht von den Beteiligten.

Wird also dem Täter eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben, so ist es auch für den Gehilfen, Anstifter und den Mittäter nicht mehr möglich mit strafbefreiender Wirkung Selbstanzeige zu erstatten.

Es kommt dabei nicht darauf an, ob dem Beteiligtenkreis die Prüfungsanordnung bekannt war.

Jeder Selbstanzeige muss daher zukünftig eine sehr genaue Recherche auch bei entfernteren Strafbeteiligten oder Begünstigten vorangehen.

Unter die Person des Begünstigten fällt dabei zum einen der Steuerpflichtige selbst, zum anderen auch jede juristische oder natürliche Person, der aus der Begehung einer Steuerstraftat ein unmittelbarer wirtschaftlicher Vorteil erwachsen ist.

Der Kreis der Personen, bei denen die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung zur Sperrwirkung zu Lasten des Steuerpflichtigen geht, wurde damit ausgedehnt.

2. Einleitung eines Straf- und Bußgeldverfahrens

Wie bisher auch tritt Straffreiheit nicht ein, wenn im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung, die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.

Allerdings wurde auch hier der Begriff des Täters oder seines Vertreters durch den Begriff des Beteiligten oder seines Vertreters ersetzt, sodass der Sperrgrund erheblich ausgedehnt wurde.

Wird künftig dem Täter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben, so ist es auch für den Mittäter, Gehilfen oder Anstifter zu spät.

3. strafbefreiende Selbstanzeige

Wie bisher auch tritt Straffreiheit nicht ein, wenn ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat erschienen ist.

Beschränkt wurde die Regelung allerdings auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung.

Damit ist gewährleistet, dass eine strafbefreiende Selbstanzeige für Zeiträume, die nicht vom konkreten Auftrag des Prüfers umfasst sind, grundsätzlich möglich bleibt, soweit nicht der Sperrgrund der Tatentdeckung gem. § 371 Abs. 2 Nr. 2 AO n. F. bereits eingetreten ist.

4. Erscheinen eines Amtsträgers zur steuerstrafrechtlichen Ermittlung

Wie bisher auch, führt das Erscheinen eines Amtsträgers zum Zwecke der steuerstrafrechtlichen Ermittlung dazu, dass Straffreiheit nicht mehr eintritt.

Notwendig war die gesonderte Regelung nur deshalb, weil unter § 371 Abs. 2 Nr. 1 c AO bei der steuerlichen Prüfung eine zeitliche und sachliche Beschränkung auf die Außenprüfung erfolgt war.

5. Erscheinen eines Amtsträgers zur Umsatzsteuer- und Lohnsteuer-Nachschau

Neu ist auch die Regelung, wonach die Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27 b UStG bzw. die Lohnsteuer-Nachschau nach § 42 g EStG sowie eine Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften zur Sperrwirkung führt, sofern sich der Amtsträger ausgewiesen hat.

Damit stellt sich die Frage, ob beispielsweise eine Umsatzsteuer-Nachschau lediglich die Selbstanzeige, hinsichtlich aller Steuerstraftaten der Steuerart „Umsatzsteuer“ innerhalb des Zehnjahreszeitraum sperrt oder für alle Steuerarten, wie beispielsweise der Einkommen- oder Gewerbesteuer.

Für die Lohnsteuer-Nachschau gilt, dass die Ausschlusswirkung auf die Lohnsteuer beschränkt ist (BT-Drs. 17/14821, 20).

6. Tatentdeckung

Die bereits unter § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO geregelte Sperrwirkung der Tatentdeckung ist unverändert geblieben.

7. Steuerverkürzung ab 25.000,00 €

Gem. § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO (n. F.) tritt die Sperrwirkung ein, wenn die verkürzte Steuer oder der für den Steuerpflichtigen oder einen Anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000,00 € je Tat übersteigt.

Mit der Einführung des Schwellenwertes von 25.000,00 € ist zugleich geklärt, dass bei Überschreitung der Schwelle ein besonders schwerwiegender Fall vorliegt, mit der Folge, dass Straffreiheit ausgeschlossen ist und nur noch ein Absehen von Verfolgung unter Beachtung von § 398 a AO in Betracht kommt.

III Sonderregelungen für Steueranmeldungen

Eine Erleichterung hat der Gesetzgeber im Bereich der Umsatzsteuervoranmeldung und der Lohnsteueranmeldung geschaffen.

Nach der bisherigen Regelung bestand ständig die Gefahr der Strafbarkeit, wenn die im Unternehmen zuständige Mitarbeiterin für Buchhaltung Steueranmeldungen verspätet oder unzutreffend berechnet eingereicht hat.

Zukünftig soll es in den Fällen der Steuerhinterziehung durch Verletzung der Pflicht zur rechtzeitigen Abgabe einer vollständigen Umsatzsteuer-Voranmeldung sowie Lohnsteueranmeldung ausreichend sein, wenn gegenüber dem Finanzamt unrichtige Angaben berichtigt oder vollständig nachgeholt werden.

Der Schwellenwert von 25.000,00 € findet dabei keine Anwendung, ebensowenig der Sperrgrund der Tatentdeckung.

Allerdings ist Vorsicht geboten.

Das Entgegenkommen des Gesetzgebers beschränkt sich auf die Umsatzsteuer-Voranmeldungen sowie die Lohnsteueranmeldungen, sodass es bei den Umsatzsteuer-Jahreserklärungen beim Alten bleibt.

IV Zinspflicht

Genügte nach der alten Regelung für die Straffreiheit die Selbstanzeige und die Nachentrichtung der hinterzogenen Steuern innerhalb der, dem Steuerpflichtigen gesetzten Frist, so bestimmt die Neuregelung, dass auch die Zahlung der Hinterziehungszinsen Voraussetzung für die Straffreiheit ist.

Die Hinterziehungszinsen betragen 6 % (§ 235 AO).

Unter Beachtung des Mindestberichtigungszeitraums von nunmehr 10 Jahren kommen dabei beachtliche Beträge zusammen.

V Absehen von Strafverfolgung

Nach bisheriger Rechtlage konnte die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung einer Steuerhinterziehung absehen, wenn nur eine geringwertige Steuerverkürzung eingetreten oder nur geringwertige Steuervorteile erlangt waren.

In Folge der Verschärfung des § 371 Abs. 2 AO wurde der neue § 398 a AO geschaffen, der § 370 Abs. 3 AO (n. F.) ergänzt.

Danach kommt ein Absehen von Strafverfolgung nur noch in Betracht, wenn neben der Nachentrichtung der hinterzogenen Steuer auch die Zinsen gezahlt sind und Zuschläge, die nach dem Hinterziehungsbetrag gestaffelt sind.

Der Zuschlag beträgt bei 100.000,00 € 10 % der hinterzogenen Steuer, bei 100.000,00 € bis 1 Mio. € 15 % und ab 1 Mio. € 20 %.

Der Zuschlag richtet sich nach der jeweiligen Steuerstraftat im Sinne einer Steuerart und eines Veranlagungszeitraums, nicht also nach der Summe der hinterzogenen Steuern.

Nach alter, wie neuer Rechtslage gilt, dass das Absehen von Strafverfolgung anders als eine Einstellung nach § 153 a StPO nicht zu einem Strafklageverbrauch führt, sodass die Möglichkeit der Wideraufnahme des Verfahrens besteht.

VI Ergebnis

Die strafbefreiende Selbstanzeige dürfte durch die Neuregelung erheblich an Attraktivität verloren haben. Dies zum einen wegen des Schwellenwerts in Höhe von 25.000,00 €, zum anderen wegen der Nacherklärungspflicht über zehn Jahre. Hinzukommt schließlich, dass für den Steuerpflichtigen, der vor einer Selbstanzeige steht oftmals nicht überschaubar ist, inwieweit bereits Prüfungsanordnungen an Dritte, die als Beteiligte oder Begünstige gelten, zu einer Sperrwirkung geführt haben.

Ist der Schwellenwert von 25.000,00 € überschritten, sodass ohnehin keine Straffreiheit mehr in Betracht kommt, sondern allenfalls Absehen von Strafverfolgung nach § 398 a AO, so treffen den Steuerpflichtigen neben der ohnehin bestehenden Zinsnachzahlungspflicht erhebliche Belastungen durch Zuschläge.

Zugleich treten nicht die Wirkungen des § 153 a StPO ein, also kein beschränkter Strafklageverbrauch.

Rechtfolge der Verschärfung wird daher zwangsläufig sein, dass die Anzahl der Selbstanzeigen zurückgehen und Steuerpflichtige auf einen günstigen Ausgang des Strafverfahrens im Hinblick auf § 153 a StPO spekulieren.

Ob damit dem rechts- und finanzpolitischen Zweck der Selbstanzeige gedient ist, wird die Zukunft beantworten.

RA Raber, 27.01.2015

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