Rente mit 63

Wer bislang die Wartezeit von 45 Jahren erfüllte, konnte mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine abschlagsfreie Rente beziehen.
Seit 01.07.2014 gilt dies bereits mit Vollendung des 63. Lebensjahres.

Nach einer Sonderauswertung der Deutschen Rentenversicherung auf der Grundlage der Rentenzugangsdaten des Jahres 2011 erfüllte fast jeder zweite männliche Neurentner der 2011 im Alter von 63 bis 65 Jahren in den Ruhestand getreten war, die Voraussetzungen für die Rente mit 63.

Bei den Frauen lag die Quote bei nur ca. 14 %.

Bei näherer Betrachtung ergibt sich jedoch, dass die Deutsche Rentenversicherung Anrechnungszeiten berücksichtigt hat, die nicht berücksichtigungsfähig sind, sodass die tatsächlichen Zahlen weit niedriger sind.

Der folgende Artikel beschäftigt sich daher mit den Voraussetzungen, insbesondere die Änderung der Wartezeit, die Anrechnung von Zeiten, die Frühverrentung und die Frage, ob es Sinn macht, die Rente bei Vorliegen der Voraussetzungen durch Weiterarbeit zu erhöhen.

1. Voraussetzungen

Die abschlagsfreie Rente ab 63 kommt nur für Personen in Betracht, die ihr Arbeitsleben bereits in jungen Jahren begonnen haben und durch abhängige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit sowie Pflege oder Kindererziehung einen erheblichen Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet haben.

Die Wartezeit beträgt 45 Jahre, wobei Berücksichtigung finden, Zeiten

-    mit Beiträgen aus sozialverischerungspflichtiger Beschäftigung
-    mit Pflichtbeiträgen aus selbstständiger Tätigkeit
-    des Wehr- oder Zivildienstes
-    der nicht erwerbsmäßigen Pflege von Angehörigen
-    der Kindererziehung bis zum 10. Lebensjahr des Kindes
-    des Bezuges von Arbeitslosengeld I
-    des Bezuges von Krankengeld
-    des Bezuges von Übergangsgeld
-    des Bezuges von Leistungen bei beruflicher Weiterbildung
-    des Bezuges von Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld und  Winterausfallgeld
-    des Bezuges von Insolvenzgeld
-    Ersatzzeiten.

Besonders umstritten war die Berücksichtigung von Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld.

Berücksichtigungsfähig sind allerdings nur Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld I, da dieses aus dem eigenen Beitrag des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung finanziert wurde.

Nicht berücksichtigungsfähig sind dementsprechend alle Leistungen, die Fürsorgecharakter haben und aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden.

Zeiten in denen der Arbeitnehmer Arbeitslosenhilfe oder Arbeitslosengeld II erhalten hat, finden daher keine Berücksichtigung.

Anerkannt werden zusätzliche Kindererziehungszeiten (Mütterrente). Kindererziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes - auch als Adoptiv- oder Pflegekind – in dessen ersten drei Lebensjahren, sofern es nach 1991 geboren wurde.

Für Kinder die vor 1992 geboren wurden, werden pauschal 24 Monate Kindererziehungszeit anerkannt.

Um Nachteile für Eltern zu vermeiden, die in den ersten drei Jahren nach der Geburt ihres Kindes arbeiten und dementsprechend Rentenversicherungsbeiträge zahlen, wird auch dort eine fiktive Erziehungszeit bis zur Beitragsbemessungsgrenze anerkannt.

Die Erziehungszeit wird nicht für beide Elternteile anerkannt, sondern es findet eine Zuordnung der Erziehungszeit zu einem Elternteil aufgrund übereinstimmender Erklärung der Eltern statt.

Können sich die Eltern nicht einigen, wird die Erziehungszeit der Mutter zugeordnet.

2. Schrittweise Anhebung der Altersgrenze von 63 auf 65 Jahren

Der Gesetzgeber hat, um der demographischen Entwicklung Rechnung zu tragen, eine Altersgrenze aufgenommen, mit der das Lebensjahr bei der Ermittlung des abschlagsfreien Rentenzugangs Berücksichtigung findet.

Diese stufenweise Regelung sieht vor, dass nur die Geburtsjahre bis einschließlich 1952 mit 63 Jahren bei Erfüllung der Wartezeit die abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen können.

Bei den folgenden Jahrgängen erhöht sich das Eintrittsalter jeweils um zwei Monate, sodass die Jahrgänge ab 1964 erst mit Erfüllung des 65. Lebensjahres abschlagsfreie Rente in Anspruch nehmen können.

Konkret sieht dies wie folgt aus:

1952    63 Jahre
1953    63 Jahre     +     2 Monate
1954    63 Jahre     +     4 Monate
1955    63 Jahre     +     6 Monate
1956    63 Jahre     +     8 Monate
1957    63 Jahre     +     10 Monate
1958    64 Jahre
1959    64 Jahre     +     2 Monate
1960    64 Jahre     +     4 Monate
1961    64 Jahre     +     6 Monate
1962    64 Jahre     +     8 Monate
1963    64 Jahre     +     10 Monate
1964    65 Jahre

Damit erscheint die Rente mit 63 als Mogelpackung, trifft sie bei Erfüllung der Wartezeiten doch nur auf die Geburtsjahrgänge bis einschließlich 1952 zu.

Diese Kritik greift jedoch zu kurz.

Zu beachten ist nämlich, dass sich auch für die übrigen Jahrgänge bis 1964 die Möglichkeit eines früheren Eintritts ins Rentenalter anbietet, als dies bisher der Fall war.

Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass bei den Wartezeiten, anders als bisher, bestimmte Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung berücksichtigt werden.

3. Frühverrentungspraxis

Die große Koalition sah sich der Kritik ausgesetzt, dass beim Bezug von Sozialleistungen vor Renteneintritt eine noch frühere Beendigung des Erwerbslebens folgt, verbunden mit entsprechenden Belastungen der Sozialsysteme.

Abwegig war diese Kritik nicht, denn die Frühverrentungspraxis war zu Zeiten der Regierung Kohl weit verbreitet und arbeitsmarktpolitisch durchaus gewünscht.

Davon kann heute nicht mehr die Rede sein, da vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung immer mehr ältere Erwerbstätige dringend benötigt werden, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Bereits bisher galt, dass, wer Arbeitslosengeld I vor dem Rentenbezug in Anspruch nimmt, nicht frei von Risiken ist.

Zum einen sind damit deutliche finanzielle Einbußen verbunden, zum anderen besteht die Gefahr, dass bei vorwerfbar herbeigeführter Arbeitslosigkeit eine Sperrzeit von regelmäßig zwölf Wochen verhängt wird, die überdies die Dauer des Anspruchs um ¼ verkürzt.

Auszuschließen ist damit allerdings nicht, dass Arbeitgeber in  Absprache mit Arbeitnehmern betriebsbedingte Kündigungen aussprechen, die der Arbeitnehmer hinnimmt, ohne dass ihm hierdurch eine Sperrzeit drohen würde.

Zwar wurde vielfach die Frage gestellt, ob mit solchen betriebsbedingten Kündigungen zu rechnen ist, angesichts eines beachtlichen Arbeitskräftebedarfs, jedoch darf nicht vergessen werden, dass einem Arbeitgeber regelmäßig nichts anderes übrig bleibt, wenn der Arbeitnehmer seinen Willen zum Ausdruck bringt, nicht mehr arbeiten zu wollen.

Der Gesetzgeber hat daher Regelungen aufgenommen, die der Frühverrentungspraxis entgegenwirken sollen.

So werden gem. § 51 Abs. 3 a SBG VI auf die Wartezeit von 45 Jahren Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, also insbesondere Arbeitslosengeld I in den letzten zwei Jahren vor Renteneintritt nicht berücksichtigt.

Dieser klaren Regelung wurde entgegnet, dass dies zu einer nicht hinnehmbaren Härte für Arbeitnehmer führen würde, die unverschuldet zwei Jahre vor Rentenbeginn arbeitslos werden.

Der Gesetzgeber hat dem insoweit Rechnung getragen, als Anrechnung auch Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld I zwei Jahre vor Renteneintritt finden, wenn die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist.

Ob die Regelung einer verfassungsgerichtlichen Prüfung standhält, ist zu bezweifeln. Was ist, wenn der Arbeitgeber keine Insolvenz anmeldet, sondern Insolvenzveschleppung begeht und er das Geschäft weiterführt?

Was ist, wenn der Arbeitgeber nicht einen Betrieb oder Teilbetrieb schließt, sondern einfach nur Arbeitsplätze abbaut?

Es wird nicht lange dauern, bis die Regelung auf dem Prüfstand des Bundesverfassungsgerichts stehen wird.

4. Rente plus Arbeit

Wer in Folge Erwerbsminderung eine Rente bezieht oder eine vorzeitige Altersrente, kann nur beschränkt hinzuverdienen.

Die Grenze liegt bei 450,00 €.

Erst mit dem Beginn der Regelaltersrente ist ein Hinzuverdienst in unbeschränkter Höhe möglich.

Damit stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, nach dem Eintritt in die abzugsfreie Rente mit 63 weiter zu arbeiten.

Der Gesetzgeber hat dem mit § 15 Abs. 3 TzBfG Rechnung getragen, der eine kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von fünf Jahren zulässt, wenn der Arbeitnehmer das 52. Lebensjahr vollendet hat und unmittelbar vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate beschäftigungslos gewesen ist.

Ganz unabhängig von dieser Regelung können sich freilich Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer dahingehend einigen, einen Anschlussarbeitsvertag abzuschließen.

Dies ist für den Arbeitgeber auch durchaus attraktiv, behält er doch einen erfahrenen Arbeitnehmer der im Rahmen der Befristung keinen Kündigungsschutz hat, in Folge Rentenbezugsrechts von den Sozialabgaben befreit ist und bei ausbleibender Weiterbeschäftigung nicht in die Arbeitslosigkeit, sondernin die Rente fällt.

So schön dies aus Arbeitgebersicht ist, so wenig bringt es dem Arbeitnehmer.

Ein Arbeitnehmer der über die Regelaltersrente hinaus arbeitet, wird mit einer Erhöhung des Zugangsfaktors 1 um 0,005 je Kalendermonat, also 0,06 für ein Jahr belohnt.

Das Rentenplus eines Durchschnittsverdieners beträgt bei drei Jahren weiterer Arbeit 5,07 € im Westen und 4,63 € im Osten, bei zehn Jahren 16,90 € im Westen und 15,40 € im Osten.

Will man dafür wirklich seinen Lebensabend verkürzen?

RA Raber, 07.01.2015

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben