Müssen Klingelschilder mit Namen entfernt werden?

Im Spätsommer letzten Jahres sorgte folgende Meldung für Unruhe:

 

Der Mieter einer Wohnung einer Wohnungsbaugesellschaft beanstandete beim Vermieter, dass auf dem Klingelschild sein Name ersichtlich sei.

 

Die Wohnungsbaugesellschaft, deren Gesellschafter die Stadt Wien ist, ließ prüfen, ob diese Beanstandung rechtlich zutreffend sei.

 

Sie kam zu dem Ergebnis, dass tatsächlich alle Namensschilder zu entfernen seien, weil keine wirksamen Einwilligungen der Mieter vorlagen.

 

Betroffen hiervon waren 220.000 Wohnungen in rund 2000 Wohnanlagen.

 

Wer sich in Thüringen darüber belustigte und von einer Wiener Posse ausging, wurde am 16.10.2018 eines Besseren belehrt.

 

An diesem Tag verkündete der Landesdatenschutzbeauftragte Thüringens, Dr. Lutz Hasse, im MDR,

dass Vermieter die Namen ihrer Mieter nicht ohne Einwilligung an den Klingelschildern anbringen dürften.

 

Die Frage des Reporters des MDR, ob denn Namen auf einem Klingelschild tatsächlich von der

DS-GVO erfasst werden, bejahte Dr. Hasse.

 

Dies führte dazu, dass die größten Wohnungsgesellschaften Thüringens eine rechtliche Prüfung ankündigten.

 

Bevor größerer Schaden entstehen konnte, schaltete sich glücklicherweise die Bundesbeauftragte für den Datenschutz am 18.10.2018 ein und stellte klar, dass die Entfernung der Klingelschilder nicht nötig sei.

 

Am 19.10.2018 ruderte auch der Datenschutzbeauftragte Thüringens zurück.

 

1.

Es stellt sich bereits die Frage, ob die DS-GVO überhaupt anzuwenden ist, denn diese bezieht sich auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten, meint allerdings damit nicht nur die automatisierte Verarbeitung, sondern auch die nichtautomatisierte Verarbeitung.

 

Stellt die Anbringung eines Namensschildes einen Fall der nichtautomatisierten Datenverarbeitung dar?

 

Bereits daran sind Zweifel erlaubt.

 

Dass der Vermieter freilich überdies die Namen der Mieter regelmäßig in einem EDV-System speichert und verarbeitet, vermag nicht, zu einer anderen Bewertung zu führen.

 

2.

Wesentlich dürfte jedoch sein, dass die Anbringung von Namensschildern durch den Vermieter von den gesetzlichen Erlaubnistatbeständen des Art. 6 DS-GVO gedeckt sind.

 

a)

Einfach ist es freilich, wenn eine vertragliche Vereinbarung vorliegt, beispielsweise im Mietvertrag selbst, z. B. in der Hausordnung.

 

In der Mehrzahl der Fälle dürfte dies nicht zutreffen, da die Verwender von Formularmietverträgen, regelmäßig die Vermieter, bislang überhaupt kein Problem in der Anbringung von Namensschildern gesehen haben, das einer Regelung bedurft hätte.

 

b)

Allerdings haben beide Vertragsparteien ungeachtet der Regelungen im Mietvertrag Nebenpflichten.

 

So muss der Vermieter einrichten, dass postalische Zustellungen an den Mieter möglich sind, der Mieter muss dies gegenüber dem Vermieter regelmäßig auch gewährleisten.

 

Mit einer Nebenpflicht zur Anbringung von Namensschildern ergibt sich folglich bereits, dass Klingelschilder von Art. 6 Abs. 1 b DS-GVO gedeckt sind.

 

c)

Ungeachtet dessen, erfolgt die Anbringung im berechtigten Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 f DS-GVO.

 

Dabei handelt es sich zum einen um das berechtigte Interesse des Vermieters, dass Briefe, die namentlich adressiert sind, an den richtigen Empfänger gelangen.

 

Desweiteren besteht das berechtigte Interesse Dritter, dass postalische Schreiben auch ordnungsgemäß zugestellt werden können.

 

Ungeachtet der berechtigten Interessen privater Dritter ist hier insbesondere der Staat selbst zu nennen, beispielsweise Gerichte, Staatsanwaltschaft oder Finanzamt, die bei einem pseudonymisierten System nicht mehr wirksam zustellen könnten.

 

Ein, dem entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse eines Mieters, dass der eigene Name am Klingelschild nicht identifizierbar ist, ist nicht einmal ansatzweise erkennbar.

 

Ersichtlich kann ein solches Mieterinteresse, bestünde es, immer nur darauf gerichtet sein, Zustellungen zu verhindern, um sich auf diese Weise der Rechtsordnung zu entziehen.

 

Ein solches Interesse ist nicht schutzwürdig.

 

Weil sich die Duldungspflicht bereits aus einer Nebenpflicht sowohl des Vermieters, als auch des Mieters ergibt und weil überdies ein berechtigtes Interesse zum einen des Vermieters, zum anderen Dritter an der postalischen Zustellung besteht, kommt es nicht darauf an, ob der Mieter im Sinne von Art. 6 Abs. 1 a DS-GVO einwilligt.

 

Es spielt also auch keine Rolle, wenn der Mieter meint, eine konkludent erteilte Einwilligung widerrufen zu können.

 

Da es auf eine Einwilligung nicht ankommt, geht auch ein Widerruf ins Leere.

 

 

 

RA Raber, 07.01.2019

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