Die Bundesregierung hat ihre Arbeit aufgenommen, die Umsetzung des Koalitionsvertrages hat begonnen.
1. Befristung
Ein wesentliches Anliegen der SPD war es, sachgrundlose Befristungen einzuschränken, da diese die sachgrundlose Befristung nicht als Einstiegshilfe in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse sieht, sondern als Ursache für prekäre Beschäftigungen.
a)
Dementsprechend sieht der Koalitionsvertrag eine sehr komplizierte und in der Praxis kaum handhabbare Regelung vor, wonach in Betrieben mit mehr als 75 Beschäftigten in Zukunft nur noch max. 2,5 % der Belegschaft sachgrundlos befristet werden dürfen.
Will der Arbeitgeber darüber hinaus befristete Verträge abschließen, so bedarf es hierfür eines Sachgrundes.
Fehlt es am Sachgrund, gelten die über die Quote hinaus abgeschlossenen befristeten Arbeitsverhältnisse als unbefristet zustande gekommen.
Der Gesetzgeber erhofft sich hiervon eine zahlenmäßige Eingrenzung der sachgrundlos befristeten Arbeitnehmer und geht davon aus, dass der Arbeitgeber nach Erreichung der Quote unbefristet einstellt.
Entweder wird der Arbeitgeber gänzlich auf die Einstellung weiterer Arbeitnehmer verzichten oder, was wahrscheinlicher ist, er wird mit Sachgrund befristen, weshalb die Arbeitsgerichte mehr Entfristungsklagen auf den Tisch bekommen werden.
b)
Eine weitere Beschränkung der sachgrundlosen Befristung erfolgt dadurch, dass die Gesamtdauer der erlaubten Befristung von bisher 24 Monaten auf 18 Monate beschränkt wird.
Konnte bislang innerhalb eines Zeitraums von 24 Monaten dreimal verlängert werden, so ist dies zukünftig unzulässig.
Zweck der Regelung ist es, Arbeitnehmern in sachgrundlos befristeten Beschäftigungsverhältnissen eine gewisse Planbarkeit zumindest für 18 Monate zu geben.
Bringen wird auch diese Regelung wenig, denn auch in befristeten Verträgen wurde den Vertragsparteien regelmäßig das Recht vorbehalten, sich durch Kündigung unter Beachtung der Kündigungsfristen vom Arbeitsvertrag zu lösen.
Wenn die Möglichkeit der Verlängerung innerhalb des Gesamtbefristungszeitraums nicht mehr gegeben ist, wird es zukünftig verstärkt zu Kündigungen innerhalb der 18 Monate kommen.
c)
Ein wichtiges Anliegen der Großen Koalition war die Abschaffung der Kettenbefristungen.
Einer Gesetzesänderung bedarf es hierzu allerdings nicht, denn in der Privatwirtschaft wird von diesem Missbrauch des Befristungsrechts nur sehr selten Gebrauch gemacht.
Die Kettenbefristung findet regelmäßig dort statt, wo die Zuteilung von Haushaltsmitteln über die Beschäftigungsmöglichkeit entscheidet, also bei Arbeitgebern, die von öffentlichen Haushaltsmitteln abhängig sind.
Der Gesetzgeber wird mit der Änderung des TzBfG daher vorwiegend öffentliche Arbeitgeber treffen.
Bislang sah das TzBfG keine Höchstdauer für Sachgrundbefristungen vor.
Die Arbeitsgerichte entschieden im Rahmen einer komplizierten Missbrauchskontrolle darüber, wann bei einem Arbeitsverhältnis aufgrund der Länge und der Anzahl der Kettenbefristungen ein Rechtsmissbrauch vorlag.
Nunmehr erfolgt eine Klarstellung.
Nach fünf Jahren ist auch mit Sachgrund Schluss.
d)
Sehr erfreulich ist die bevorstehende klare Regelung zur „Zuvorbeschäftigung“.
Nach der bisherigen Rechtslage war jegliche Zuvorbeschäftigung für ein befristetes Arbeitsverhältnis schädlich.
Mit dem neuen TzBfG darf ein Arbeitnehmer nach drei Jahren wieder bei demselben Arbeitgeber ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis abschließen.
Dies schafft Klarheit und ist zu begrüßen.
2. Befristete Teilzeit
Es war der SPD ein besonderes Anliegen Arbeitnehmer aus einer Familienphase wieder ins Berufsleben zurückzuführen, was durch einen befristeten Teilzeitanspruch realisiert werden soll.
Bislang hatte ein Arbeitnehmer nach § 8 TzBfG lediglich einen Anspruch auf dauerhafte Verringerung seiner Arbeitszeit.
Ein Rückkehrrecht in die bisherige Arbeitszeit gab nicht.
In Unternehmen ab 45 Mitarbeitern hat ein Arbeitnehmer pro angefangene 15 Mitarbeiter einen Anspruch auf eine befristete Teilzeit, sodass er nach Ablauf der Befristung in die Vollzeit zurückkehrt.
Ablehnen kann dies der Arbeitgeber nur, wenn die befristete Teilzeit ein Jahr unter- oder fünf Jahre überschreitet.
Hat der Arbeitnehmer auf diese Weise eine befristete Teilzeit in Anspruch genommen, kann er frühestens nach einem Jahr erneut die Verringerung der Arbeitszeit verlangen.
Auch diese Regelung ist überflüssig.
Nahezu jedem Arbeitgeber war bislang bereits daran gelegen, dass der Arbeitnehmer nach einer Phase der Teilzeit wieder in die Vollzeit zurückgekehrt. Einer gesetzlichen Regelung bedurfte es hierzu nicht.
Konnte der Arbeitgeber ausnahmsweise den Arbeitnehmer nicht mehr in Vollzeit beschäftigten, so blieb es bislang bei einem Teilzeitbeschäftigungsverhältnis bis der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Vollzeit wieder beschäftigen konnte oder der Arbeitnehmer etwas anderes gefunden hatte.
Mit dem Anspruch des Arbeitnehmers auf sofortige Einrichtung eines Vollzeitarbeitsplatzes bleibt dem Arbeitgeber zukünftig nur, dass er entweder vom Mittel der betriebsbedingten Änderungskündigung oder gar der Beendigungskündigung Gebrauch macht.
Ein Vorteil ist darin also weder für den Arbeitgeber noch den Arbeitnehmer erkennbar.
3. Risk Taker
Arbeitnehmer mit einer jährlichen Grundvergütung, die das dreifache der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung überschreitet, werden zukünftig leitenden Angestellten gleichgestellt. Folgen hat dies für ihren Kündigungsschutz.
Gemäß §§ 14 Abs. 2 S. 2, 9 Abs. 1 S. 2 Kündigungsschutzgesetz genießen sie nämlich nur Abfindungsschutz, keinen Bestandsschutz.
Es wird angenommen, dass die Koalitionäre mit dieser vorgesehenen Änderung des Kündigungsschutzgesetzes, den Standort Deutschland für Brexit-flüchtige Banken attraktiver machen wollen.
II Was kommt nicht?
Sieht man von den Bemühungen des Gesetzgebers zum Befristungsrecht, der Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit, Änderungen bei der Arbeit auf Abruf und diversen Kleinigkeiten, wie dem Kündigungsschutz von Risk Takern ab, so ist nichts Spannendes zu erkennen.
Die eigentlichen Probleme erkennt die Große Koalition entweder nicht oder sie will sie nicht erkennen.
Insbesondere eines der grundlegenden Probleme nimmt der Gesetzgeber nicht in Angriff, obschon die Zeiten hierzu nicht besser sein könnten.
Selten waren die Chancen auch Langzeitarbeitslose in SV-pflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu bringen größer, als sie es heute sind.
Dass dies gleichwohl nicht gelingt, liegt daran, weil Langzeitarbeitslose sich mit der Aufnahme eines SV-pflichtigen Beschäftigungsverhältnisses schlechter stellen, als sie als Hartz IV-Empfänger stehen.
Dies gilt selbst für Arbeitnehmer die sich täglich die Frage stellen müssen, ob die Aufrechterhaltung eines Arbeitsverhältnisses für sie überhaupt Sinn macht.
Ein eindrückliches Beispiel schildert die FAZ vom 24.03.2016.
Erzielt eine allein erziehende Mutter mit zwei Kindern einen Bruttolohn von 1.700,00 €, so werden ihr hiervon ca. 440,00 € Steuern und Sozialabgaben abgezogen, sodass ihr 1.260,00 € verbleiben.
Mit diesem Nettolohn hat sie Anspruch auf Wohngeld und Kinderzuschlag, zusammen 546,00 €, sodass ihr unter dem Strich 2.187,00 € bleiben.
Erhält dieselbe alleinerziehende Mutter eine Lohnerhöhung i. H. v. 800,00 € brutto, sodass sie folglich fortan 2.500,00 € verdient, so werden ihr 822,00 € an Abgaben und Steuern abgezogen.
Zudem verliert sie ihren Anspruch auf Wohngeld und Kinderzuschlag, sodass sie nunmehr unter dem Strich noch ca. 2.070,00 € erhält, weniger also als vor der Lohnerhöhung.
Das Beispiel zeigt, wie der Sozialstaat in Konkurrenz mit dem Arbeitsmarkt tritt und deutlich signalisiert, dass sich Leistung gerade nicht lohnt.
Entscheidet sich die alleinerziehende Mutter, angesichts der geschilderten Situation gänzlich auf ihr sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu verzichten und anstelle dessen einen 450,00 € Minijob anzunehmen, erhält sie dazu 1.900,00 € Hartz IV-Leistungen, sodass sie insgesamt 2.300,00 € erhält, freilich nunmehr abzüglich Kindergeld.
Wer sich auf diese Weise, bei rationaler Betrachtung vernünftig für Arbeitslosigkeit statt Arbeit entscheidet, wird zwangsläufig in eine Situation geraten, in der er nicht mehr in ein SV-pflichtiges Beschäftigungsverhältnis gelangt, welches mit einem Bruttolohn verbunden ist, bei dem sich nach Abzug der SV-Beiträge und Lohnsteuer ein Nettolohn ergibt, der über den Hartz IV-Sätzen liegt, ungeachtet aller weiteren sozialen Leistungen, die der Hartz IV-Empfänger erhält und die dem SV-pflichtig Beschäftigten vorenthalten bleiben.
Der Sozialstaat schafft die Arbeit ab.
Der Krug geht so lange zum Brunnen bis er bricht.
Hierzu findet man im Koalitionsvertrag leider nichts.
RA Raber, 27.03.2018