Die Dachlawine

Gemeint sind natürlich richtige, nämlich Berglawinen, nicht Dachlawinen.

In der Tat nimmt sich die Dachlawine im Vergleich zu ihrem großen Bruder, der Berglawine am Piz Palü eher bescheiden aus. Und doch straft sie den, der sie ignoriert.

Bei genauerer Betrachtung ist es sogar die Dachlawine, die, wenn auch keine Schneise der Verwüstung, so doch weit mehr Opfer fordert, als die urgewaltige Berglawine.

Ungezählt sind die Passanten, Kinderwägen und Gassi gehenden Hunde, die unter Dachschneelawinen begraben wurden.

Wäre all dies noch zu verschmerzen, so gibt es auch Tabus, die kein Zeitgenosse hinnehmen kann, nämlich die Beschädigung des eigenen Fahrzeuges.

Exakt dies spielt sich derzeit landauf, landab in unseren Straßen ab und der betroffene Bürger, Hauseigentümer ebenso, wie Fahrzeughalter, stellt aufgeregt die Frage nach der Rechtslage.

Diese ist in der Tat nicht einfach.

Es gibt zwei grundlegende Entscheidungen, die sich der parkende KFZ-Halter ebenso vor dem Schadensfall zu Gemüte führen sollte, wie der Hauseigentümer.

Zum einen nämlich des Thüringer Oberlandesgerichts in einer Entscheidung vom 18.06.2008 (2 U 202/08) und des OLG Hamm in einer grundlegenden Entscheidung vom 23.07.2003 (13 U 49/03).

Danach gilt Folgendes:

1.

Besteht eine bauordnungsrechtliche Verpflichtung Schneefanggitter anzubringen und fehlen diese, so liegt regelmäßig eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten vor, wenn infolge des Fehlens von Schneefanggittern eine Schneelawine zu Schäden führt.

Fehlt eine bauordnungsrechtliche Verpflichtung zur Anbringung von Schneefanggittern, dann stellt es auch grundsätzlich keine Pflichtverletzung dar, wenn entsprechende Schutzmaßnahmen fehlen.

2.

Eine Pflicht, etwa durch Schilder vor der Gefahr zu warnen, besteht nicht.

3.

Eine Haftung kann jedoch dann bestehen, wenn die Besonderheiten des Einzelfalls dazu führen, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung zu bejahen ist. Dies ist dann der Fall, wenn sonstige erforderliche und ortsübliche Maßnahmen zur Verhinderung des Abgangs von Schneelawinen schuldhaft nicht bzw. nicht in ausreichendem Maße ergriffen wurden.

Grundsätzlich besteht zwar eine Pflicht zur Räumung des Hausdaches von Schnee und Eis nur in eng umgrenzten Ausnahmefällen, weil diese Maßnahmen selbst mit erheblichen Gefahren verbunden sind.

Einem Hauseigentümer kann jedoch gerade dann, wenn es an seinem Haus keine Schneefangeinrichtungen gibt die Pflicht obliegen, bei besonderen Wetterlagen das Dach und den darauf befindlichen Schnee, insbesondere auch überhängenden Schnee und überhängendes Eis im Auge zu behalten, um eventuell notwendige Schutzmaßnahmen, gegebenenfalls auch durch Einschaltung von Fachleuten ergreifen zu können.

Was sagt uns dies?

Besteht eine bauordnungsrechtliche Verpflichtung zur Anbringung von Schneefanggittern, so führt deren Fehlen zu einer Pflichtverletzung.

Besteht eine solche Pflicht nicht, muss der Eigentümer gleichwohl bei einer besonderen Gefahrensituation, wenn also Schnee- und Eismengen auf den öffentlichen Verkehrsraum herabzustürzen drohen, entsprechende Schutzmaßnahmen einleiten.

In dem vom OLG Thüringen entschiedenen Fall war es ortsüblich, dass mittels einer Stange das überstehende Eis heruntergezogen und damit kontrolliert zum Absturz gebracht wurde.

Bleibt noch die Frage was gilt, wenn ein Fahrzeug beschädigt wird, das verbotswidrig abgestellt ist. In diesem Fall wird man ein Mitverschulden des Fahrers des Fahrzeuges bejahen müssen, das sich der anspruchstellende Halter zurechnen lassen muss.

Hauseigentümer und potentiell Geschädigter sind mithin wohl gut beraten, wenn sie regelmäßig, insbesondere bei Tauwetter, einen Blick nach oben werfen, so wie im richtigen Bergfilm.

RA Raber, 14.12.2010

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