Am 16.12.2015 hat der 12. Senat des BSG über die Klage eines Zeitarbeitsunternehmens gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund entschieden.
Bisher lag über den wesentlichen Inhalt der Entscheidung nur eine Presseerklärung vor, nunmehr kann die Entscheidung im Volltext auf der Seite des BSG eingesehen werden.
Zahlreiche Zeitarbeitsunternehmen haben auf diese Entscheidung gewartet, hängt von ihr doch das eigene Widerspruchsverfahren ab, vielleicht beim einen oder anderen Unternehmen sogar die Existenz.
Was sind die wesentlichen Aussagen des Urteils?
1.
Es gibt keinen Vertrauensschutz in die Tariffähigkeit einer Gewerkschaft.
2.
Es ist der DRV Bund nicht verwehrt, auch für Zeiten vor dem Beschluss des BAG über die Tarifunfähigkeit der CGZP vom 14.12.2010 Sozialversicherungsbeiträge nachzuerheben
3.
Die DRV Bund muss die Nachverbeitragung konkret feststellen, d. h. arbeitnehmerbezogen und darf sich auf Schätzungen nur dann beziehen, wenn der Arbeitgeber seinen Aufzeichnungspflichten nicht nachgekommen ist, die Schätzgrundlagen nachvollziehbar sind und weitere Recherchen der DRV Bund auf einen unverhältnismäßigen Aufwand hinausliefen.
4.
Bei der Ermittlung des der Beitragsnachforderung zugrunde liegenden Entgeltanspruchs sind Zulagen zu berücksichtigen, die den im Entleiherbetrieb eingesetzten Zeitarbeitnehmern gezahlt wurden.
Diese mindern die Beitragsnachforderung.
5.
Die Gerichte müssen feststellen, ob im Einzelfall Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt.
Im letzteren Fall beträgt die Verjährungsfrist vier Jahre.
6.
Das Schreiben der DRV Bund vom 23.12.2010 führte nicht zu einer Vorsatzhaftung, noch wurde durch dieses Schreiben die Verjährung gehemmt.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass sich jeder Betroffene gewünscht hätte, dass das BSG, wie zuvor einige Instanzgerichte, wenn auch in den einstweiligen Verfahren die Unwirksamkeit der Nachfestsetzungsbescheide mit Rücksicht auf den im GG verankerten Vertrauensschutz bejaht hätte.
Dafür spricht, dass nicht nur die Verleihbetriebe, sondern die DRV Bund selbst auf die Wirksamkeit des CGZP-Tarifvertrages vertraut und dessen Einhaltung bei Prüfungen sogar ausdrücklich angemahnt hat.
Indes war nicht damit zu rechnen, dass das BSG der Vertrauensschutz-Argumentation folgen würde.
Vertrauensschutz besteht, wenn eine Rechtslage, beispielsweise aufgrund einer höchstrichterlichen Rechtsprechung durch eine Änderung dieser Rechtsprechung rückwirkend zum Nachteil des Betroffenen abgeändert wird.
Davon konnte vorliegend nicht die Rede sein.
Weder die Rechtsprechung des BAG, noch die des BSG haben sich geändert.
Das BAG hat zulässigerweise mit seinem Beschluss vom 14.12.2010 die Tarifunfähigkeit der CGZP und damit die Unwirksamkeit ihrer Tarifverträge festgestellt.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das BAG niemals positiv die Tariffähigkeit und die Wirksamkeit der geschlossenen Tarifverträge festgestellt.
Die Tarifvertragsparteien und alle, die darauf bezügliche Tarifverträge anwenden, müssen damit rechnen, dass die Unwirksamkeit des Tarifvertrages festgestellt wird, verbunden mit allen Folgen für die Vergangenheit.
Entscheidend für die betroffenen Unternehmen sind daher die übrigen Feststellungen, die das BSG getroffen hat.
1.
Das BSG hat die Entscheidung der Vorgängerinstanz, des LSG Niedersachsen-Bremen aufgehoben.
Die DRV Bund hatte im entschiedenen Fall nicht nachvollziehbar konkrete Entgeltansprüche berechnet, so dass offen blieb, ob es sich um Entgeltschätzungen handelt.
Das SG Hannover und das LSG Niedersachsen-Bremen hatten dies nicht beanstandet und zudem nicht erkennen lassen, ob Zulagen, die an die im Entleiherbetrieb eingesetzten Arbeitnehmer gezahlt wurden, auch bei der Beitragsnachforderung differenzmindernd berücksichtigt wurden.
Die Entscheidung des BSG darf jedoch nicht zu der Annahme veranlassen, dass es günstiger sei, sich bei Prüfungen zu verweigern, denn in diesem Fall darf die DRV Bund ebenso schätzen, wie bei der Verletzung von Aufzeichnungspflichten
2.
Diejenigen Unternehmen, die von Nachfestsetzungen für weit zurückliegende Zeiträume betroffen sind, haben sicherlich bereits im Rahmen ihrer Widerspruchsbegründung die Verjährungseinrede erhoben.
In den Widerspruchsbescheiden konnte man regelmäßig lesen, dass die DRV davon ausgeht, dass die 30jährige Verjährungsfrist gilt, was allerdings zumindest bedingten Vorsatz voraussetzt.
Fehlt es am Vorsatz und liegt allenfalls sog. bewusste Fahrlässigkeit vor, gilt die vierjährige Verjährungsfrist, die zumindest einen Teil der Beitragsforderung in Nichts auflöst.
Das BSG hat in seiner Entscheidung Mut gemacht.
Bedingter Vorsatz liegt nur dann vor, wenn der Verleihbetrieb das sichere Wissen darum hat, rechtlich und tatsächlich zur Beitragszahlung verpflichtet zu sein.
Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Arbeitgeber überhaupt keine Beiträge abführt, wie beispielsweise bei Schwarzarbeit.
Erkennt der Verleihbetrieb die Möglichkeit, dass er eine Pflichtverletzung begeht, vertraut jedoch darauf, dass er seine Pflicht schon nicht verletzen werde, so liegt bewusste Fahrlässigkeit vor und eben kein Vorsatz.
Vielfach wurde von der DRV argumentiert, dass spätestens mit dem Vorliegen des CGZP-Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 klar war, dass der Tarifvertrag unwirksam ist, so dass die weitere Anwendung dieses Tarifvertrages in positiver Kenntnis der Unwirksamkeit erfolgte und damit eine vorsätzliche Nichtabführung von Beiträgen vorliegt.
Das BSG hat dies verneint, denn auch nach diesem Beschluss war rechtlich unsicher, auf welche Zeiträume Beiträge nachzuentrichten waren.
Dies gilt auch für das Rundschreiben der DRV Bund vom 23.12.2010.
Dieses Schreiben war nach Feststellung des BSG auch nicht geeignet, die laufende Verjährung zu hemmen, weil durch dieses Schreiben weder ein Prüf-, noch ein Beitragsverfahren eingeleitet wurden.
Nach der Entscheidung des BSG steht zunächst einmal fest, dass noch einige Zeit ins Land gehen wird, da infolge der Zurückverweisung an das LSG Niedersachsen-Bremen dieses zunächst Versäumtes nachholen muss.
All diejenigen Verleihbetriebe, die vom CGZP-Verfahren des BSG betroffen sind, sollten ihre Strategie im Hinblick auf die Richtigkeit der Beitragsermittlung unter Beachtung von Zulagen einerseits und die mögliche Verjährung von Teilansprüchen andererseits ausrichten.
Vielleicht reduziert sich dadurch die ein- oder andere Rückstellung.
RA Raber, 04.04.2016
BSG-Urteil vom 16.12.2015, AZ: B 12 R 11/14 R