Vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung-Projektbefristung

BAG Urteil vom 21.08.2019 - 7 AZR 572/17 (LAG Thüringen, Urteil vom 18.10.2017-6 Sa 287/16)

Sachverhalt

Der Kläger war in der Zeit vom 01.01.2014 bis 31.12.2014 und sodann dreimal verlängert bis 31.12.2015 beim beklagten Freistaat Thüringen beschäftigt und beim Thüringer Landesverwaltungsamt mit Verwaltungsaufgaben im Zusammenhang mit Fördermaßnahmen befasst.

Die Förderperiode begann am 01.01.2007 und endete am 31.12.2013 eine Übergangsregelung sah vor, dass Restmittel danach noch ausgereicht werden konnten.

Am 01.07.2015 entschied der Freistaat, dass die neue Förderperiode ab 01.07.2015 auf die Thüringer Aufbaubank übergeht, das Thüringer Landesverwaltungsamt für die vor dem 01.07.2015 bewilligten Vorhaben zuständig bleibt.

Am 21.12.2015 erhob der Kläger Entfristungsklage zum Arbeitsgericht Erfurt.

Der beklagte Freistaat vertrat die Auffassung, dass bis zum 31.12.2015 ein vorübergehender Beschäftigungsbedarf prognostiziert wurde.

Dieser vorübergehende Beschäftigungsbedarf war durch die Fördermaßnahme projektbezogen und endete mit Abwicklung der Fördermaßnahmen aus der vorangegangenen Förderperiode und dem Wechsel der Zuständigkeit für entsprechende Fördermaßnahmen zur Thüringer Aufbaubank.

Das Arbeitsgericht Erfurt gab der Klage statt, das LAG Thüringen hob die Entscheidung auf und wies die Klage ab.

Die Revision des Klägers hatte Erfolg.

Der Rechtsstreit wurde zur weiteren Verhandlung an das LAG Thüringen zurückverwiesen.

Entschieden

Maßgeblich für die Wirksamkeit der Befristung ist der letzte Arbeitsvertrag.

Eine wirksame Befristung setzt einen Sachgrund, vorliegend den des vorübergehenden Bedarfs gemäß § 14 Abs. 1, 2 Nr. 1 TzBfG voraus, der zum 31.12.2015 entfallen sein soll.

Ein sachlicher Grund gemäß § 14 Abs. 1, 2 Nr. 1 TzBfG liegt nur dann vor, wenn ein vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung besteht.

Ein vorübergehender Bedarf ist denkbar, wenn

- das Arbeitsvolumen im Bereich der Daueraufgaben vorübergehend ansteigt

- der Arbeitgeber neue Projekte übernimmt

oder

- der Arbeitgeber eine Zusatzaufgabe übernimmt und dabei jeweils das Stammpersonal nicht ausreicht.

Im Rahmen seiner Prognoseentscheidung muss der Arbeitgeber mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen können, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende kein dauerhafter Bedarf mehr besteht.

Eine bloße Unsicherheit über zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeiten reicht nicht, denn diese gehört zum unternehmerischen Risiko.

Wird ein Arbeitnehmer für die Mitwirkung an einem Projekt befristet eingestellt, muss im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu erwarten sein, dass die im Rahmen des Projekts durchgeführten Aufgaben nicht dauerhaft anfallen.

Ein dauerhafter Anfall ist regelmäßig gegeben, wenn der Arbeitnehmer nicht Zusatzaufgaben, sondern Daueraufgaben des Arbeitgebers erledigt, also solche Aufgaben, die im Rahmen der unternehmerischen Ausrichtung ständig und im Wesentlichen unverändert anfallen.

Im Bereich der Daueraufgaben kann sich der Arbeitgeber nicht dadurch Befristungsmöglichkeiten schaffen, dass er diese Aufgaben künstlich in „Projekte“ zergliedert, um auf diese Weise befristete Arbeitsverhältnisse zu schaffen, die notwendig werden, weil das Stammpersonal wegen unzureichender Personalausstattung die Daueraufgaben nicht bewältigt.

Fallen Verwaltungsaufgaben im Rahmen von Förderprogrammen ständig und im Wesentlichen unverändert an und bringt dies einen auf längere Zeit planbaren Personalbedarf für Angestellte mit sich, so spricht dies für eine Daueraufgabe, nicht eine Zusatzaufgabe.

Das BAG wies den Rechtsstreit insoweit zur weiteren Sachverhaltsfeststellung an das LAG Thüringen zurück.

Kommentiert

§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TzBfG spricht von einem vorübergehenden betrieblichen Bedarf an der Arbeitsleistung.

Demzufolge unterscheidet das BAG korrekt zwischen Daueraufgaben einerseits und Zusatzaufgaben andererseits.

Die Erledigung von Daueraufgaben kann schon begrifflich keinen vorübergehenden betrieblichen Bedarf begründen.

Daher kann eine Daueraufgabe auch nicht in Projekte zergliedert werden, um künstlich einen zusätzlichen Bedarf zu schaffen.

Problematisch ist hingegen die Begründung des BAG insoweit, als auch zeitlich begrenzte Vorhaben zu Daueraufgaben werden können, wenn diese im Rahmen des verfolgten betrieblichen Zwecks unverändert und kontinuierlich anfallen und einen planbaren Beschäftigungsbedarf verursachen.

Die Vergabe von Fördermitteln gehört regelmäßig zu den Daueraufgaben eines Ministeriums, einer Förderbank oder eines hierzu beliehenen Unternehmens.

Damit kommt es für zukünftige Streitigkeiten darauf an, ob ein planbarer Beschäftigungsbedarf aufgrund dieser Tätigkeit bezogen auf den Befristungsgrund bestand oder nicht.

Dieses Unterscheidungskriterium ist unscharf und ist geeignet die Anzahl der Entfristungsklagen im Fördermittelbereich zu erhöhen, ohne den Arbeitsvertragsparteien klare Unterscheidungskriterien an die Hand zu geben.

RA Raber, 06.01.2019

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