Sachverhalt:
Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (Soka-Bau) nahm die Beklagte auf Zahlung von Sozialkassenbeiträgen in fünfstelliger Höhe in Anspruch.
Bei der Beklagten handelt es sich um einen Fachbetrieb, der Photovoltaikanlagen auf Dachflächen plant und ausführt.
Die Beklagte hat ausgeführt, dass es sich bei der Planung und Errichtung einer Photovoltaikanlage auf Dächern bereits nicht um eine Bauleistung im Sinne der bauvertraglichen Definition handele.
Selbst dann, wenn dies jedoch der Fall ist, wäre der Betrieb nicht durch baugewerbliche Tätigkeiten geprägt, da mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit auf Elektroinstallationen entfällt.
Dies hat die Beklagte in zweierlei Hinsicht dargestellt, zum einen nämlich anhand einer Referenzanlage mit 1000 m² Dachfläche mit durchschnittlichen Anforderungen unter exakter Aufgliederung der Prozesse von der Planung bis zur Übergabe an den Kunden und desweiteren anhand sämtlicher Projekte im streitgegenständlichen Zeitraum, aufgegliedert in eigene Leistungen und Nachunternehmerleistungen.
Entschieden:
Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage von Soka statt, die Berufung zum LAG Berlin-Brandenburg war erfolgreich.
Das LAG Berlin-Brandenburg hob das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin auf, wies die Klage ab und ließ die Revision der Klägerin nicht zu.
Das LAG Berlin-Brandenburg hatte über zwei Fragen zu entscheiden, nämlich
1.
Handelt es sich bei der Errichtung einer PV-Anlage auf Dächern um eine bauliche Leistung im Sinne des VTV?
2.
Wenn ja, liegt die Ausnahme des Abschnitts VII Ziffer 12 vor, handelt es sich also um einen Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes, was der Fall ist, wenn dort zu mehr als 50 % der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer Elektroinstallationen verrichtet werden?
1.
Sowohl das LAG Hessen, als auch das LAG Berlin-Brandenburg, letzteres in einer Entscheidung vom 23.05.2018, hatten mit wenig überzeugender Begründung eine bauliche Tätigkeit in Form der Erstellung oder Änderung von Bauwerken gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV-Bau bejaht.
Ob die Errichtung einer PV Anlage auf einem Gebäudedach eines Bestandsgebäudes allerdings tatsächlich eine Bauleistung darstellt, wurde durch die ordentlichen Gerichte in der Vergangenheit durchaus unterschiedlich entschieden.
So wurde dies durch den BGH beispielsweise verneint, soweit die Arbeiten für Konstruktion und Bestand des Gebäudes nicht von wesentlicher Bedeutung sind (BGH NZ Bau 2004, 326; BGH NZ Bau
2014, 558).
Allerdings hat auch der BGH nunmehr die nachträgliche Errichtung einer PV Anlage auf einer vorhandenen Tennishalle als Bauleistung qualifiziert (BGH NZ Bau 2016, 340/345).
Das LAG Berlin-Brandenburg bejahte daher im Ergebnis korrekt eine bauliche Leistung.
2.
Damit kam es auf die Frage an, ob die Planung und Montage von PV-Anlagen, ungeachtet, ob Dächer oder Freifeldanlagen unter die Ausnahme des Abschnitts VII Ziffer 12 des VTV fällt, also, ob es sich um einen Betrieb des Elektroinstallationsgewerbes handelt.
Dies ist der Fall, wenn dort zu mehr als 50 % der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer Elektroinstallationsarbeiten verrichtet werden.
Dabei stützte sich das LAG Berlin-Brandenburg auf die Darstellung eines Referenzobjektes seitens der Beklagten, anhand dessen diese die einzelnen Arbeitsschritte darstellte,, den dafür jeweils anfallenden Zeitaufwand bezifferte und im Anschluss bewertete, welche Leistungen in welchem zeitlichen Aufwand auf reine Montagearbeit und auf Elektroinstallationsarbeit entfällt.
Typischerweise steht bei der Montage von PV-Anlagen im Streit, ob die Arbeiten an der Unterkonstruktion, Trassen, Kanälen und Leitern bauliche Leistungen oder Elektroleistungen darstellen.
Hierüber erhob das LAG Berlin-Brandenburg Beweis durch Einvernahme von Mitarbeitern der Beklagten.
Die Beweisaufnahme ergab, dass die elektrotechnischen Leistungen eindeutig im Vordergrund standen, so dass die Klage der Soka-Bau abzuweisen war.
Kommentiert:
Bei der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg zur Planung und Errichtung von PV-Anlagen handelt es sich um eine der wenigen Entscheidungen, in denen der Anlagenbauer obsiegte.
Dies mag in einigen der vorangegangenen Fälle daran gelegen haben, weil es sich tatsächlich nicht um Betriebe des Elektroinstallationsgewerbes gehandelt haben mag.
Vielfach verloren PV-Anlagenbetreiber den Rechtsstreit mit Soka jedoch nur deshalb, weil sie es versäumten, ausreichend substantiiert und unter Beweisantritt vorzutragen, dass die Tätigkeit vom Elektroinstallationsgewerbe geprägt und die Elektroinstallationsarbeiten mehr als 50 % der Gesamtarbeitszeit ausmachen.
Eine solche Darstellung kann sich nicht in ihrer bloßen Behauptung erschöpfen, sondern es empfiehlt sich, so wie vorliegend geschehen, anhand eines Referenzobjektes, gewissermaßen modellartig die einzelnen Schritte für das Gericht darzustellen, zeitlich einzuordnen und sodann in reiner Montagetätigkeit und Elektrotätigkeit zu differenzieren, wobei all dies selbstverständlich unter Beweis, gegebenenfalls auch Sachverständigenbeweis zu stellen ist.
Sodann empfiehlt es sich desweiteren, sämtliche Projekte des streitgegenständlichen Zeitraumes gegebenenfalls tabellarisch, ebenfalls unter Beweisantritt, beispielsweise Nachunternehmerrechnungen darzustellen.
Der Aufwand ist nicht gering, lohnt sich allerdings angesichts des mit Soka-Bau drohenden Existenzrisikos.
RA Raber, 05.08.2020
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.05.2020 – 10 Sa 303/19