Im Mittelpunkt der Berichterstattung steht heute eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13.09.2022.
Obschon bislang nicht einmal die Entscheidungsgründe vorliegen, überschlagen sich bereits die Pressekommentare.
Von einem „Paukenschlag“ ist gar die Rede.
Was ist bislang bekannt?
1. Sachverhalt
Ein Betriebsrat in Minden machte gegenüber dem Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte gemäß § 87 BetrVG geltend.
Es ging um die Einführung einer elektronischen Arbeitszeiterfassung.
Eine Einigung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber kam nicht zu Stande, auch das Einigungsstellungsverfahren führte nicht zum Erfolg.
Hierauf leitete der Betriebsrat ein Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Minden ein.
Das Arbeitsgericht Minden gab dem Arbeitgeber recht.
Bei der Einführung von technischen Überwachungseinrichtungen steht dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zu.
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Minden wurde auf die Beschwerde des Betriebsrats durch das Landesarbeitsgericht aufgehoben.
Der Arbeitgeber rief hierauf das Bundesarbeitsgericht an.
2. Entscheidung
Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass es kein Initiativrecht des Betriebsrats nach § 87 I BetrVG gibt, denn der Arbeitgeber ist schon in Folge von § 3 II Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet, zur Sicherung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereit zu stellen.
Das BAG entschied also gegen den Betriebsrat und für den Arbeitgeber.
3. Kommentiert
Aus der Aussage des BAG in der Presseveröffentlichung, dass der Arbeitgeber zur Sicherung des Gesundheitsschutzes für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereit zu stellen hat, wird nunmehr in der Presse der Schluss gezogen, dass der Arbeitgeber die Arbeitszeit zukünftig erfassen müsse.
Ob dies tatsächlich so ist, sollte man dann beurteilen, wenn die Urteilsgründe vorliegen.
Das BAG hatte nämlich erst am 04.05.2022, also vor wenigen Monaten, über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Auslieferungsfahrer Überstunden eingeklagt hat.
Der Arbeitgeber bestritt die Überstunden und verweigerte die Zahlung.
Der Arbeitnehmer berief sich hierauf auf die Entscheidung des EuGH zur Zeiterfassung aus dem Jahre 2019.
Er war der Auffassung, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, ein ausdifferenziertes System zur Kontrolle der Arbeitszeit einzuführen, also nachweisen muss, dass keine Überstunden angefallen sind.
Dieser Auffassung des Arbeitnehmers folgte das Bundesarbeitsgericht nicht.
Es verwies darauf, dass die Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2019 lediglich das Thema Gesundheit – und Arbeitsschutz betrifft. Es ging also nicht um die Bezahlung.
Damit stellte das BAG in seiner Entscheidung vom 04.05.2022 klar, dass die Entscheidung des EuGH, wonach die Mitgliedsstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen ein objektives System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen ausschließlich vor dem Hintergrund des Gesundheits – und Arbeitsschutzes erfolgte.
Eine Übertragung dieser Entscheidung auf die Darlegungs- und Beweislast für die Geltendmachung von Vergütungsansprüchen kommt dem nicht zu.
Schlussfolgernd ergibt sich daraus, dass der Entscheidung des BAG vom 13.09.2022 im Rahmen eines Mitbestimmungsverfahrens keine Bedeutung zukommt, die über jene vom 04.05.2022 hinausgeht.
BAG-Urteil vom 13.09.2022 – 1 ABR 22/21
BAG-Urteil vom 04.05.2029 – 5 AZR 359/21
Rechtsanwalt Raber