Der Arbeitnehmer kündigte das Arbeitsverhältnis und legte zugleich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor, aus der sich passgenau die Arbeitsunfähigkeit für die folgenden Tage bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ergab. Der Arbeitgeber zahlte diesen Zeitraum nicht. Der Arbeitnehmer klagte.
2. Entschieden
Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht. Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat zwar einen hohen Beweiswert, stellt jedoch keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit dar. Dementsprechend kann der Arbeitgeber den Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt, die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers zum Inhalt haben. Dies ist der Fall, wenn der Arzt eine passgenaue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt, die den Zeitraum zwischen Kündigung und Ende des Arbeitsverhältnisses abdeckt. In einem solchen Fall bestehen ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit.
3. Kommentiert
Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist in den letzten Jahren zunehmend zum Freifahrschein geworden. Die Pandemie hat dies durch die Möglichkeit der Ferndiagnose beschleunigt. Hinzukommt, dass vielen Ärzten offensichtlich die Bedeutung dieses Testats nicht bewusst ist. Die Entscheidung des BAG ändert an dieser Entwicklung nichts, gibt dem Arbeitgeber im Einzelfall jedoch zumindest ein Mittel an die Hand, sich gegen allzu offensichtlichen Vertragsbruch zu wehren.
(BAG, Urteil vom 08.09.2021 - 5 AZR 149/21)