Krankfeiern in Coronazeiten

Wenn zu den möglichen Problemen im Gesundheitssystem nicht auch noch ein Zusammenbruch der Wirtschaft und damit der Versorgung der Bevölkerung kommen soll, müssen die Betriebe weiter funktionieren.

Das können sie nur, wenn ihnen die Mitarbeiter nicht abhandenkommen.

Genau dies droht nunmehr einzutreten.

Um die Praxen nicht über Gebühr zu belasten, müssen Patienten mit einer leichten Erkrankung der oberen Atemwege nicht in die Praxis kommen, um ihre Arbeitsunfähigkeit attestiert zu bekommen.

In diesen Fällen dürfen die Ärzte nach telefonischer Anamnese eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für bis zu sieben Tage ausstellen.

Auf diese Praxis haben sich die kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband am 09.03.2020 geeinigt.

Das Ergebnis war vorhersehbar.

Wer seine Kinder betreuen muss, wer Furcht vor Ansteckung hat oder wer schlicht und einfach keine Lust hat, meldet sich auf diese Weise krank.

Was dies für eine funktionstüchtige Wirtschaft bedeutet ist naheliegend.

Was bedeutet es für die Entgeltfortzahlungspflicht des Arbeitgebers?

Gemäß § 3 EFZG hat der Arbeitnehmer bei Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Entgeltfortzahlung bis zur Dauer von sechs Wochen.

Voraussetzung ist neben der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber die Vorlage der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

Dabei stellt sich die Frage, welcher Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung grundsätzlich und nach der Lockerung durch die KWV und dem GKV-Spitzenverband zukommt.

Grundsätzlich kommt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein hoher Beweiswert zu (BAG Urteil vom 26.03.2003 AP EntgeltFG § 5 Nr. 8).

Mit der Ausstellung einer ordnungsgemäßen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besteht eine tatsächliche Vermutung, dass der Arbeitnehmer infolge Krankheit zum Zeitpunkt der Ausstellung arbeitsunfähig war (BAG Urteil vom 15.07.1992 AP LohnFG § 1 Nr. 98).

Bereits die Praxis vor Corona hat jedoch gezeigt, dass dies fragwürdig ist.

Regelmäßig kommt es in der Praxis zu „passgenauen“ Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die der Arzt als Dienstleister seines Patienten ausstellt.

Hierfür spricht auch, dass oftmals die Arbeitsunfähigkeit punktgenau nach sechs Wochen endet bevor die Krankengeldzahlung einsetzt.

Zweifel ergeben sich schließlich vor dem Hintergrund einer Praxis, wonach rückwirkend Arbeitsunfähigkeit bescheinigt wird.

Handelt es sich bislang um Einzelfälle, ausgehend meist von unmotivierten Mitarbeitern, so stoßen nunmehr zwei wesentliche Komponenten zusammen, nämlich eine Bedarfslage einerseits (Kinderbetreuung, Angst vor Ansteckung) und die erleichterte Möglichkeit zuhause zu bleiben.

Man darf davon ausgehen, dass hiervon auch Gebrauch gemacht wird.

Vor diesem Hintergrund kann nicht allen Ernstes an dem Postulat festgehalten werden, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne vorangegangene ärztliche Untersuchung mit hohen Beweiswert verbunden ist und ihr eine tatsächliche Vermutung der Arbeitsunfähigkeit zukommt.

Eine AU-Bescheinigung, die nach telefonischer Behauptung von Symptomen für eine Atemwegserkrankung auf dem Postweg erteilt wird, hat keinen Beweiswert.

Von ihr kann keine tatsächliche Vermutungswirkung ausgehen.

Sie ist streng genommen das Papier nicht wert, auf dem sie steht.

Entscheidungen wird es hierzu geben, wenn die Gerichte nach Corona über unterbliebene Entgeltfortzahlung entscheiden müssen.

Arbeitgebern ist daher zu raten, sicherheitshalber Entgeltfortzahlung abzurechnen und die SV-Beiträge nebst Lohnsteuer abzuführen.

Vor Auszahlung des Nettolohns fragen Sie Ihren Rechtsanwalt.

RA Raber, 30.03.2020

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