Architekten und Ingenieure konnten bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 04.07.2019 ungeachtet der getroffenen Vereinbarung mit dem Auftraggeber auf der Basis der Mindestsätze der HOAI abrechnen.
Hierzu kam es regelmäßig bei Streitfällen zwischen Planer und Auftraggeber, im Regelfall nach Kündigung.
Am 04.07.2019 hat der EuGH entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland mit der Mindestsatzregelung der HOAI gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie, konkret Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt verstößt, soweit sie mit der Mindestsatzregelung verbindliche Honorare für Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren vorgibt.
Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass sich Architekten und Ingenieure auch im Streitfall einer für sie ungünstigen vertraglichen Regelung unterwarfen und keine Abrechnung nach Mindestsätzen mehr vornahmen.
Allerdings stellte sich in der Folge der Entscheidung des EuGH eine grundlegende und bis heute ungelöste Frage.
Bindet das Urteil des EuGH nur den jeweiligen Mitgliedstaat, der den europarechtswidrigen Zustand beseitigen muss mit der Folge, dass § 7 HOAI solange fort gilt, solange der Mitgliedstaat noch keine nationale Rechtsänderung vorgenommen hat oder aber gilt die Entscheidung des EuGH unmittelbar für das bestehende oder zukünftige Rechtsverhältnis von Planer und Auftraggeber?
Die Oberlandesgerichte waren in dieser Frage in der Vergangenheit unterschiedlicher Auffassung.
Die Auffassung, dass die Entscheidung unmittelbare Folgen für die Vertragsparteien hat, wurde beispielsweise durch das OLG Celle (17.07.2019 - 14 U 188/18), das OLG Düsseldorf (17.09.2019 - 23 U 155/18) oder das OLG Schleswig 25.10.2019 – 1 U 74/18) vertreten.
Andere Auffassung waren das OLG München (08.10.2019 20 U 94/19) und das Kammergericht (19.08.2019 - 21 U 20/19 und 12.05.2020 - 21 U 125/19).
Es wurde daher Zeit, dass Klärung durch den BGH erfolgt.
Dieser hat am 14.05.2020 ein Verfahren über die Vergütung eines Ingenieurs ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.
Der EuGH soll nunmehr zu der Frage Stellung nehmen, ob § 7 HOAI zwischen Privaten weitergilt, solange keine Verordnungsänderung erfolgt ist oder die Entscheidung unmittelbar durchschlägt.
Wie der EuGH entscheidet, ist derzeit nicht einschätzbar.
Allerdings ergibt sich aus dem Schwebezustand für Architekten und Ingenieure, die sich im Streit mit ihrem Auftraggeber befinden und die unterhalb der Mindestsätze abgerechnet haben, die Möglichkeit mit Blick auf die unklare Rechtslage Verhandlungsdruck aufzubauen.
RA Raber, 22.06.2020