HOAI-Mindestsätze – Der EuGH hat entschieden!

1. Sachverhalt

Ein wesentlicher Kern der HOAI bis zur Neufassung 2021 war der verbindliche Preisrahmen.

Danach führten in der Praxis insbesondere Mindestsatzunterschreitungen zu einem Verstoß gegen das zwingende Preisrecht, mit der Folge, dass dem Planer die Differenz zwischen dem vereinbarten Honorar und dem, was sich bei Anwendung des Mindestsatzes ergab, zustand.

Dieser Zustand geriet ins Wackeln, als der EuGH am 14.07.2019 entschied, dass die Mindestsatz- und Höchstsatzregeln der HOAI gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Die Bundesregierung hat hierauf sehr schnell reagiert und die HOAI 2021 geschaffen, in der es keine Mindestsatz- und Höchstsatzregelungen mehr gibt. Die spannende Frage allerdings verblieb, ob Verträge, die unter Verstoß gegen die Mindestsatzregelung bis zum Inkrafttreten der neuen HOAI abgeschlossen wurden, weiterhin sogenannte Aufstockungsklagen zulassen oder nicht. Findet also die Entscheidung des EuGH vom 14.07.2019 unmittelbare Anwendung im Rechtsverhältnis zwischen den Parteien oder stellte sie nur eine Handlungsanweisung an die Bundesregierung dar?

Der BGH hat diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt.

2. Entschieden

Nach dem Votum des Generalanwalts ging die Fachwelt davon aus, dass der EuGH eine unmittelbare Ausstrahlung seines Urteils auf die Vertragspartner bestätigt.

Weit gefehlt!

Adressat der Richtlinie, auf die sich der EuGH in seiner Entscheidung vom 14.07.2019 bezieht,

ist der Mitgliedsstaat. Aus einer Richtlinie können dem Einzelnen keine Verpflichtungen auferlegt werden. Demzufolge galt die HOAI 2013 bis zum Inkrafttreten der HOAI 2021, ab 01.01.2021 fort, so dass darauf bezügliche Aufstockungsklagen begründet sind. Ein Schlupfloch ließ der EuGH allerdings offen, denn die nationalen Gerichte könnten die Anwendung des mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie kollidierenden nationalen Rechts „aufgrund innerstaatlichen Rechts“ ausschließen. Würden diese sodann gleichwohl zu einer Entscheidung zu Gunsten des Planers kommen, so könne die geschädigte Partei, wohl der Auftraggeber, von der Bundesrepublik Deutschland den Ersatz des unmittelbar hierauf beruhenden Schadens verlangen.

3. Kommentiert

Zunächst ist zu begrüßen, dass der EuGH klarstellt, dass eine Richtlinie keine unmittelbaren Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründet. Es liegt am Mitgliedstaat Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Konsequenterweise ist dementsprechend hinzunehmen, dass Aufstockungsklagen nach der Altregelung zu Gunsten des klagenden Planers zu entscheiden sein werden. Da die Mehrzahl der aktuellen Verträge ohnehin nach dem 01.01.2021 abgeschlossen wurde, handelt es sich bei der Aufstockungsklage auch nach der Entscheidung des EuGH vom 18.01.2022 nicht mehr um ein Geschäftsmodell für die Zukunft, sondern ein Auslaufmodell.

RA Raber, 07.02.2022

(EuGH, Urteil vom 18.01.2022 - Rs. C-261/20)

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