Fremdgeschäftsführer und Kündigungsschutz

Der Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft ist zum einen deren Organ, zum anderen im Rahmen eines Dienstvertrages gebunden.

Will die Gesellschaft ihre Zusammenarbeit mit dem Fremdgeschäftsführer beenden, so wird sie zum einen die Organstellung durch Abberufung beenden, zum anderen das Dienstverhältnis kündigen, außerordentlich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes, im Übrigen ordentlich unter Einhaltung der vertraglich vereinbarten oder gesetzlichen Kündigungsfrist.

Für den Fremdgeschäftsführer stellt sich spätestens mit Zugang einer Kündigung die Frage, ob er bei den Arbeitsgerichten Kündigungsschutz in Anspruch nehmen kann.

Bedeutsam ist diese Frage aus vielfältigen Gründen, denn die Anrufung des Arbeitsgerichts erfolgt ohne Gerichtskostenvorschuss, ein Anwaltszwang besteht nicht, das Arbeitsgericht ordnet frühzeitig einen Gütetermin an, Arbeitnehmer vor den Arbeitsgerichten können in Bestandsstreitigkeiten den Weiterbeschäftigungsanspruch im Falle erstinstanzlichen Obsiegens durchsetzen und Urteile der Arbeitsgerichte sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Verliert der Kläger schließlich den Kündigungsschutzprozess, so ist er einem Kostenerstattungsanspruch hinsichtlich der gegnerischen Anwaltskosten nicht ausgesetzt.

Es spricht also viel für die Einleitung eines Kündigungsschutzverfahrens aus Sicht des gekündigten Fremdgeschäftsführers, weshalb schon zur Vermeidung von Haftungsrisiken des rechtlichen Beraters die korrekte Entscheidung innerhalb der Dreiwochenfrist gemäß § 4 S. 1 KSchG zu treffen ist.

Zu unterscheiden ist dabei, ob der Fremdgeschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits abberufen war oder nicht.

Maßgeblich ist mithin die Frage, ob sich der Fremdgeschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch in einer Organstellung befunden hat oder nicht.

1. Fortbestehen der Organstellung nach Kündigungszugang

a) Rechtsprechung des BAG

War der Fremdgeschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch nicht abberufen, folglich noch Organ der juristischen Person, so stellt sich die Frage, ob ein Geschäftsführer als Organ überhaupt Arbeitnehmer oder arbeitnehmerähnlich im Sinne von § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG sein kann.

Das BAG hat dies, zuletzt mit Beschluss vom 21.01.2019 verneint (9 AZB 23/18, NZA 2019, 490).

Der GmbH-Geschäftsführer ist kein Arbeitnehmer.

Zwar stehe er durchaus in wirtschaftlicher Abhängigkeit, weil er zur Sicherung seiner Existenzgrundlage auf die Bezüge aus dem Dienstvertrag angewiesen ist, es fehlt ihm aber die, einem Arbeitnehmer vergleichbare soziale Schutzbedürftigkeit.

Dies folge aus der Organstellung, den Vertretungsbefugnissen aus § 35 GmbHG und der Ausübung der Arbeitgeberfunktion.

Der Geschäftsführer ist daher nach Auffassung des BAG eine “arbeitgeberähnliche Person“.

Der Umstand, dass der GmbH-Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegt, ändert daran nichts.

Aus den gleichen Gründen verneint das BAG eine Stellung des Fremdgeschäftsführers als „arbeitnehmerähnliche Person“ im Sinne von § 5 Abs. 3 S. 2 ArbGG.

Damit ist dem Fremdgeschäftsführer nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG (Beschluss vom 03.12.2014 – 10 AZB 98/14) und nach der jüngsten Entscheidung des BAG vom Januar 2019, solange er nicht abberufen wurde oder er das Amt nicht selbst niederlegte, der Weg zu den Arbeitsgerichten verschlossen.

Es bleibt ihm folglich nur der Weg der Feststellungsklage zu den ordentlichen Gerichten.

b) Rechtsprechung des EuGH

Das BAG betont in seinem Beschluss vom 21.01.2019, dass seine vorgenannte Rechtsprechung auf § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG beruht, der den nationalen Arbeitnehmerbegriff definiert, weil das Arbeitsgerichtsgesetz nicht in Umsetzung von Unionsrecht ergangen ist.

Dies erklärt, weshalb BAG und EuGH zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen.

Der EuGH hatte in seiner „Danosa-Entscheidung“ vom 11.11.2010 entschieden, dass ein Fremdgeschäftsführer regelmäßig als Arbeitnehmer im unionsrechtlichen Sinne einzustufen ist (EuGH

11.11.2010 - C-232/09, Danosa, ECLI: EU: 2010: 674).

Diese Rechtsauffassung hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 09.07.2015 bestätigt (EuGH 09.07.2015 - C-229/14, Balkaya, ECLI: EU: C: 2015: 455).

Das Organ einer Kapitalgesellschaft, das gegen Entgelt Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt und Weisungen eines anderen Organs der Gesellschaft unterliegt, ist als Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts zu behandeln, wenn er jederzeit ohne Einschränkung von seinem Amt abberufen werden kann.

Fazit:

Geht man mit dem Arbeitnehmerbegriff gemäß § 5 Abs. 1 ArbGG mit dem BAG davon aus, dass der Geschäftsführer vor dem Verlust der Organstellung nicht Arbeitnehmer und ebenso wenig arbeitnehmerähnlich, sondern arbeitgeberähnlich zu betrachten ist, so ist ihm der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht eröffnet.

Daran ändert auch die Rechtsprechung des EuGH nichts, solange das Arbeitsgerichtsgesetz nicht in Umsetzung anders lautenden Unionsrechts geändert wird.

2. Zugang der Kündigung nach Ende der Organstellung

Regelmäßig findet die Abberufung vor oder gleichzeitig mit dem Zugang der Kündigung des Dienstverhältnisses statt.

Solange das Organverhältnis besteht, ergibt sich aus der negativen Vermutung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG unzweifelhaft, dass ein Arbeitsverhältnis nicht besteht.

Umstritten ist demgegenüber die Behandlung von Rechtsstreitigkeiten über das Anstellungsverhältnis nach Beendigung der Organstellung.

a) alte Rechtsprechung des BAG

Ursprünglich ging das BAG davon aus, dass die Vermutungswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG für sämtliche Ansprüche greift, die ihren Rechts- und Entstehungsgrund im Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers haben.

Der Fremdgeschäftsführer war also kein Arbeitnehmer, egal ob die Organstellung zum Zeitpunkt der Kündigung beendet war oder nicht (BAG, NZA 1998, 1247; BAG, NZA 2003, 1108).

b) jüngere Rechtsprechung des BAG

In seiner neueren Rechtsprechung hat das BAG darauf abgestellt, ob der Geschäftsführer zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung noch Organmitglied war.

Solange die Organmitgliedschaft besteht, kann der Geschäftsführer mangels Arbeitnehmereigenschaft nicht vor den Arbeitsgerichten klagen.

Dem gegenüber seien die Arbeitsgerichte für die Entscheidung über Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis des ehemaligen Organmitglieds nach dessen Abberufung ebenso zuständig, wie nach seiner Amtsniederlegung (BAG, NZA 2013, 54), soweit freilich das Dienstverhältnis tatsächlich als Arbeitsverhältnis oder arbeitnehmerähnliches Verhältnis qualifiziert werden kann.

Nach dieser Rechtsprechung stand der Kündigungsschutzklage des Fremdgeschäftsführers auch § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht entgegen.

c) neue Rechtsprechung des BAG

Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 21.01.2019 eine Kehrtwende vollzogen.

In dem vom BAG entschiedenen Fall hatte die Gesellschaft die Fremdgeschäftsführerin abberufen und zugleich eine fristlose Kündigung ausgesprochen.

Diese erhob Kündigungsschutzklage, die sie damit begründete, dass die Gesellschaft ihr gegenüber arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen konnte, weshalb es sich aus ihrer Sicht um einen Arbeitsvertrag gehandelt habe.

Die beklagte Gesellschaft rügte die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts, das BAG verwies den Rechtsstreit an die ordentliche Gerichtsbarkeit.

Nach der bisherigen Rechtsprechung hätte das BAG die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit bejahen müssen.

Die Abberufung erfolgte eine juristische Sekunde vor der Kündigung, die Klägerin trug Tatsachen vor, welche möglicherweise ein Arbeitsverhältnis begründeten.

Nach Auffassung des BAG ist das Organverhältnis auch dann bedeutsam, wenn der Fremdgeschäftsführer zwischenzeitlich abberufen wurde.

Die von einem Fremdgeschäftsführer geleisteten Dienste sind nach ihrer sozialen Typik nicht mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar.

Die Reichweite der negativen Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ist in Abänderung der jüngeren Rechtsprechung des BAG nicht anhand des Fortbestehens der Organstellung, sondern materiell anhand des Streitgegenstands zu bestimmen.

Hierzu reicht es nicht aus, wenn in der Kündigungsschutzklage auf allgemeine Weisungsabhängigkeit oder soziale Schutzbedürftigkeit verwiesen wird.

Entscheidend ist letztlich die besondere Qualität des Weisungsrechts in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht.

Hierzu ist auf die etablierten, in § 611 a BGB zum Ausdruck kommenden Grundsätze zur Abgrenzung von Arbeitnehmern und Selbständigen abzustellen.

Die bloße Weisungsgebundenheit gegenüber der Gesellschafterversammlung wird hierzu nicht ausreichen.

Dass diese so intensiv ist, dass sie auf einen Status als Arbeitnehmer schließen lässt, wird nach der neuen Rechtsprechung des BAG nur noch in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Fazit:

Bei Zugang der Kündigung vor Ende der Organstellung war dem Fremdgeschäftsführer bereits bisher mangels Arbeitnehmereigenschaft der Weg zu den Arbeitsgerichten versperrt.

Die aktuelle Entscheidung des BAG hat auch für die Fälle der Kündigung nach Abberufung die Tür zu den Arbeitsgerichten bis auf einen schmalen Spalt geschlossen.

RA Raber, 05.06.2019

BAG, Beschluss vom 21.01.2019 - 9 AZB 23/18 (LAG Baden-Württemberg - Kammern Freiburg, Beschluss vom 15.05.2018 – 9 Ta 16/17)

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