Die Bundesregierung hat beschlossen, zum 01.07.2020 für sechs Monate den Verbrauchern eine Mehrwertsteuersenkung zu Gute kommen zu lassen.
Auch wenn mittlerweile sehr viele Branchen und auch Verbrauchervertreter darauf hinweisen, dass diese Maßnahme wahrscheinlich mehr kosten, als bringen wird, ist sie beschlossene Sache.
Die wesentliche Intention dieser Maßnahme besteht darin, dem Verbraucher durch eine allgemeine Preissenkung finanzielle Erleichterung zu verschaffen.
Die Umsetzungskontrolle – also, dass die Steuersenkung nicht zu einer verdeckten Preiserhöhung genutzt wird, indem die Endpreise gleich bleiben - soll insbesondere durch aufmerksame Verbraucher erfolgen.
Nachfolgend werden die häufigsten Fragen im Vertragsverhältnis zwischen Bauleistenden und Verbraucher beantwortet.
Dabei stehen alle nachfolgenden Antworten unter dem Vorbehalt, dass es nicht noch gesonderte Erlasse der Finanzverwaltung für den Baubereich gibt.
- Welcher Zeitpunkt ist entscheidend für die Anwendung des jeweiligen Mehrwertsteuersatzes?
Es ist der Mehrwertsteuersatz anzuwenden, der zum Zeitpunkt des Abschlusses der Leistungserbringung gesetzlich gilt.
Eine Leistung, die vor dem 30.06.2020 vereinbart, aber erst am 10.07.2020 fertig erbracht wurde, ist mit 16 % Mehrwertsteuer zu berechnen.
Eine Leistung, die am 30.11.2020 in Auftrag gegeben und erst am 15.03.2021 erbracht wurde, ist wieder mit 19 % zu verrechnen.
- Welche Bedeutung hat das Rechnungsdatum für den anzuwendenden Mehrwertsteuersatz?
Das Rechnungsdatum ist irrelevant.
Zur Festlegung, welcher Mehrwertsteuersatz gilt, ist der Zeitpunkt des Abschlusses der Leistungserbringung entscheidend.
Dies bedeutet, dass der Mehrwertsteuersatz von 16 % auch dann anzuwenden ist, wenn die Rechnung für eine Leistung im 2. Halbjahr 2020 erst in 2021 gestellt wird.
- Gilt auch bei einem Verbraucherbauvertrag (Schlüsselfertig-Haus Bauvertrag) die Abgrenzung nach dem Zeitpunkt der Leistungserbringung?
Grundsätzlich gilt auch hier der Zeitpunkt der Leistungserbringung.
Der Zeitpunkt des Abschlusses der Leistungserbringung ist jedoch bei einem Werkvertrag, zu dem auch der Verbraucherbauvertrag gehört, der Zeitpunkt der Abnahme der vollständigen Bauleistung.
Ist ein Vertrag z. B. am 01.02.2020 mit 19 % Mehrwertsteuer abgeschlossen worden und die Abnahme hat am 25.10.2020 stattgefunden, gilt für das gesamte Bauvorhaben der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 16 %.
Etwaige Abschläge, die mit 19 % gezahlt wurden, muss der Unternehmer mit seiner Schlussrechnung ausgleichen.
In dieser Konstellation wird das Bauvorhaben für den Bauherren also billiger.
Schließt der Bauherr einen Vertrag zwischen dem 01.07.2020 und dem 31.12.2020 mit 16 % Mehrwertsteuer ab und findet die Abnahme im Februar 2021 statt, gilt für das gesamte Bauvorhaben 19 % Mehrwertsteuer.
Hat in diesem Fall der Bauherr Abschläge inkl. 16 % MwSt bezahlt, erfolgt mit der Schlussrechnung eine Nachberechnung, das Bauvorhaben wird also teurer.
Für den Bauherrn bedeutet dies, dass er die absehbaren zusätzlichen 3 % Mehrwertsteuer von Beginn an mit einkalkulieren muss.
- Welche Folgen hat das Ende der Mehrwertsteuersenkung voraussichtlich zum 31.12.2020 für den Bauherrn?
Sollte die Bundesregierung trotz des Wahljahres 2021 dabei bleiben, dass die Absenkung der Mehrwertsteuer bis 31.12.2020 befristet ist, so wird eine Verschiebung der Abnahme in das Jahr 2021 nachteilige finanzielle Folgen für den Bauherrn haben.
Dies gibt zum einen dem Unternehmer die Möglichkeit, bei zögerlichen Bauherrn auf Abnahme zu drängen, zum anderen birgt es allerdings im Bauverzug auch das Risiko, dass der Unternehmer für die Mehrwertsteuermehrbelastung haftet.
- Was bringen Teilabnahmen?
Mit der Teilabnahme bestätigt der Bauherr, dass der abgenommene Teil der Leistung erbracht ist, mit der Folge, dass der Unternehmer eine Teilschlussrechnung stellen kann.
Geschieht dies vor dem 30.06.2020, ist insoweit der Mehrwertsteuersatz von 19 % relevant, geschieht dies im 2. Halbjahr, so ist der Satz von 16 % relevant.
Teilabnahmen sind für den Unternehmer grundsätzlich vorteilhaft, zumal damit auch im teilabgenommenen Umfang der Gefahrübergang verbunden ist und die Beweislast für Mängel insoweit auf den Bauherrn übergeht.
Aus genau diesen Gründen ist die Teilabnahme für den Bauherrn nachteilig.
Ob sich gleichwohl eine Teilabnahme vor dem 31.12.2020 anbietet, muss im Einzelfall entschieden werden.
- Welcher Mehrwertsteuersatz gilt für Abschlagsrechnungen?
Der abgesenkte Steuersatz ist auf Abschlagszahlungen, die im 2. Halbjahr 2020 gezahlt werden, anzuwenden, wenn der Abschluss der Leistungserbringung auch im 2. Halbjahr 2020 liegt.
Sind die Abschlagszahlungen vor Bekanntwerden der Steueränderung vereinbart worden und betragen sie deshalb noch 19 %, hat der Unternehmer diese Mehrzahlung mit der Schlussrechnung zu korrigieren.
Die Schlussrechnung muss detailliert aufführen, wann welche Abschläge mit welchem Mehrwertsteuersatz geleistet wurden.
Bei Abschlagszahlungen, die noch vor dem 01.07.2020 vereinbart wurden und sich auf eine Leistung beziehen, die sicher erst in 2021 fertiggestellt sein wird, ist eine Mehrwertsteuer von 19 % zu zahlen.
Bei Abschlagszahlungen, die zwischen dem 01.07.2020 und 31.12.2020 vereinbart werden und sich auf eine Leistung beziehen, die sicher erst in 2021 fertiggestellt wird, ist eine Mehrwertsteuer von 16 % zu zahlen.
Der Unternehmer hat die Minderzahlung mit der Schlussrechnung zu korrigieren.
Die Schlussrechnung muss auch hier detailliert aufführen, wann welche Abschläge mit welchem Mehrwertsteuersatz geleistet wurden.
- Welche Auswirkungen hat die Mehrwertsteuersenkung auf Bauträgerverträge?
Der Bauträger erbringt die Bauleistung auf einem, in seinem Eigentum befindlichen Grundstück und veräußert dieses mit der darauf errichteten Bauleistung im Anschluss an den Käufer.
Gemäß § 4 Nr. 9 a UStG werden diese Geschäfte steuerlich als Grundstücksgeschäfte bewertet, sind also mehrwertsteuerfrei.
Die Mehrwertsteuerabsenkung spielt also hierfür keine Rolle.
Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass die vorstehenden Ausführungen unter Vorbehalt möglicher noch folgender Erlasse der Finanzverwaltung für den Baubereich stehen und keine Steuerberatung ersetzen.
RA Raber, 26.06.2020