Die Bedeutung der Kalkulation bei Nachträgen, Bauzeitverzögerungen und bei Kündigung des Bauvertrages

A Die Kalkulation

Wer detailliert kalkuliert, zwingt sich zu einer sachgerechten Auseinandersetzung mit den Besonderheiten der Ausschreibung und Ausführung und ist hierdurch in der Lage, auch während und nach der Bauausführung zu prüfen und zu bewerten, wie sich kalkulierte Kosten zu den tatsächlichen Kosten verhalten, wie also das Ergebnis der Baustelle ausgefallen ist und welche Schlüsse sich hieraus für weitere Angebotskalkulationen stellen.

Durchgesetzt hat sich in der Bauwirtschaft die Zuschlagskalkulation, die nach Einzel- und Gemeinkosten unterscheidet.

Einzelkosten sind die Kosten der Teilleistungen (EKdT), Gemeinkosten die Baustellengemeinkosten (BGK), die allgemeinen Geschäftskosten (AGK) und schließlich Wagnis/Gewinn.

  1. Einzelkosten der Teilleistungen (EKdT)

Einzelkosten der Teilleistung sind die Kosten, die zur Herstellung der Bauleistung notwendig sind und dieser unmittelbar zugeordnet werden können.

Dazu gehören die Lohnkosten, die Kosten für Baustoffe, Rüst- und Schalkosten, Gerätekosten, Nachunternehmerkosten und sonstige Einzelkosten.

Wie hoch die Einzelkosten der Teilleistungen sind, hängt von der Ausschreibung ab, also beispielsweise Ausführungszeitpunkt (Witterung), Bauzeit, einzusetzende Materialien, Mengen und Massen, einsetzbares Baugerät, Lage der Baustelle und vielen anderen Faktoren, die unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der  EKdT haben.

  • Baustellengemeinkosten (BGK)

Auch die Baustellengemeinkosten können der konkreten Baustelle zugeordnet werden.

Dabei handelt es sich zum einen um die Kosten der Baustelleneinrichtung, also die Einrichtung selbst, aber auch der Vorhaltung der Baustelleneinrichtung, gegebenenfalls Bewachung der Baustelle und der Räumung nach Beendigung.

Wesentlicher Faktor der Baustellengemeinkosten ist die örtliche Bauleitung, also die Vergütungsansprüche nebst Lohnzusatzkosten und Lohnnebenkosten, betreffend den Bauleiter.

Eine brauchbare Definition der Baustellengemeinkosten enthält die DIN 18299 Abschnitt 4.1.

Üblicherweise werden die Baustellengemeinkosten für ein bestimmtes Projekt gesondert ermittelt und entweder konkret oder mit vorberechneten Zuschlägen den EKdT zugerechnet.

  • Allgemeine Geschäftskosten (AGK)

Bei den AGK handelt es sich um die Kosten, die dem Unternehmen insgesamt entstehen und nicht einer konkreten Baustelle zugeordnet werden können.

Dies sind zum einen die Kosten der Geschäftsführung selbst, die Kosten der Mitarbeiter die nicht unmittelbar in Folge Erbringung einer Bauleistung in die EKdT einkalkuliert werden können, schließlich der Fuhrpark, soweit es sich nicht um Gerätekosten als Bestandteil der EKdT handelt, Kosten für die Anmietung oder Pacht der Geschäftsräume, aber auch Steuern, Abgaben, Versicherungen, Verbandsbeiträge, Rechts- und Steuerberatungskosten etc.

Da diese Kosten nicht baustellenbezogen berechnet werden können, werden sie als umsatzabhängiger Anteil kalkuliert.

Das Unternehmen ermittelt nach den Grundsätzen der Finanz- oder Betriebsbuchhaltung einen einheitlichen Zuschlagssatz für das laufende Geschäftsjahr, der regelmäßig darauf überprüft wird, ob er noch zutreffend ist.

  • Wagnis/Gewinn

Nicht alleine die Kalkulation eines Gewinns entscheidet darüber, ob sich der Auftrag letztlich lohnt, sondern auch die Verlustgefahr (Wagnis) muss bezogen auf das Unternehmen im Allgeneinen und das Projekt im Besonderen mit einem entsprechenden Zuschlag bedacht werden.

Grundlage sind dabei freilich regelmäßig Erfahrungswerte oder Risikoanalysen.

Die korrekte Kalkulation wird erleichtert durch Verwendung der Formblätter nach VHB Bund, nämlich Aufgliederung der Einheitspreise (Formblatt 223) und Formblatt 221 (Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation), die jedermann aus öffentlichen Ausschreibungen kennt, als Hilfsmittel jedoch generell für die Angebotskalkulation verwendet werden sollten.

B Nachträge

  1. Was ist überhaupt ein Nachtrag?

Ob überhaupt eine Leistung einen Nachtrag darstellt, hängt davon ab, was vertraglich vereinbart wurde.

Stellt sich während der Bauausführung ohne Zutun des Bestellers heraus, dass die tatsächliche Menge höher oder niedriger ist, als bei Kalkulation des Angebotes angenommen, so stellt sich nicht die Frage eines Nachtrages, sondern die Abrechnung erfolgt im Einheitspreisvertrag auf der Grundlage der tatsächlichen Massen, wie sie im Aufmaß festgehalten sind.

Beispiel:           Ausgeschrieben sind 150 m² Fliesen verlegen, es stellt sich heraus, dass die tatsächliche Fläche bei 187 m² liegt. Die Mehrmenge von 37 m² ist nicht Nachtrag, sondern schlicht Mengenmehrung, der vereinbarte Einheitspreis wird nach Aufmaß abgerechnet.

Von Nachträgen kann daher im Wesentlichen nur dann die Rede sein, wenn der Besteller entweder das vertraglich vereinbarte Leistungssoll ändert (Änderungsanordnung) oder die Erbringung von Leistungen verlangt, die vertraglich nicht vereinbart sind (Zusatzleistungen).

Ausgangspunkt ist also immer eine Anordnung des Bestellers.

Das Recht, Anordnungen dieser Art zu treffen, war schon immer wesentlicher Bestandteil der VOB/B.

Nach § 1 Abs. 3 VOB/B bleibt dem Auftraggeber vorbehalten, Änderungen des Bauentwurfs anzuordnen, nach § 1 Abs. 4 VOB/B hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, auszuführen, soweit sein Betrieb auf derartige Leistungen eingerichtet ist.

Der BGB-Vertrag regelte bis zum 31.12.2017 hierzu nichts.

Streng genommen, ergab sich daraus, dass es außerhalb von VOB-Verträgen kein Anordnungsrecht des Bestellers gab.

Wollte der Besteller eine Änderung, so war er darauf angewiesen, dass der Auftragnehmer mit dieser Änderung einverstanden war, es also zu einer einvernehmlichen Vertragsänderung kam.

Dies hat sich mit dem neuen gesetzlichen Bauvertragsrecht geändert, das seit 01.01.2018 gilt.

Nunmehr kann der Besteller sowohl im VOB-Vertrag, als auch im BGB-Vertrag Anordnungen treffen, die zu Nachträgen führen.

Damit haben es auch diejenigen Besteller in der Hand, Änderungs- oder Zusatzleistungen zu fordern, die ein solches Recht mangels Geltung der VOB/B bislang nicht hatten.

Grundsätzlich ist dagegen nichts zu sagen, denn Nachträge sind durchaus wünschenswert.

Infolge der derzeit starken Auslastung der Baubetriebe sind diese jedoch oftmals gar nicht in der Lage, Änderungsanordnungen des Bestellers nachzukommen, weil die Kapazitäten nicht ausreichen.

Damit stellt sich zunehmend die Frage, wie mit Nachträgen, insbesondere nach BGB aus Auftragnehmersicht umzugehen ist.

  • Nachtragsanordnung nach BGB und VOB

Der Gesetzgeber hat es sich nicht einfach gemacht.

Einerseits wollte er erstmals, das Anordnungsrecht des Bestellers im Gesetz verankern, andererseits wollte er dem Auftragnehmer Möglichkeiten der Abwehr von Nachträgen und im Falle der zwingenden Anordnung ausreichend Kompensation gewähren, ohne zugleich wiederum den Besteller zu benachteiligen.

Das Ergebnis ist ein nicht ganz unkompliziertes Prozedere.

a)

Zunächst unterscheidet das Gesetz zwischen der Änderung des vereinbarten Werkerfolges einerseits und einer Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist.

Im ersten Fall ändert sich das Ziel, im zweiten Fall bleibt das Ziel das gleiche, es ändert sich lediglich der Weg, der gegangen werden muss, um das Ziel zu erreichen.

Beispiel:           Der Trockenbauer schuldet nach dem Vertrag einen erhöhten Schallschutz, der mit der von ihm angebotenen GK-Platte nicht zu erreichen ist.

In der Anordnung der Verwendung der geeigneten GK-Platte liegt keine Änderungsanordnung, sondern lediglich eine Änderung der Ausführung der Bauleistung, um das unveränderte Ziel zu erreichen.

Da die Zielerreichung (werkvertraglicher Erfolg) unverändert geblieben ist, stellt sich das Thema Nachtragsvergütung nicht.

Anders verhält es sich mit der Änderung des Werkerfolges, also des Zieles selbst.

Um beim Beispiel zu bleiben:

Der Trockenbauer schuldet den Einbau einer einfachen GK-Platte, während der Bauausführung ordnet der Besteller an, dass er nun einen erhöhten Schallschutz wünscht.

Das Ziel hat sich geändert, dementsprechend Material- und Bauausführung, es liegt eine Änderung des Werkerfolges vor, folglich ein Nachtrag.

Der Gesetzgeber sieht in diesen Fällen zunächst vor, dass die Parteien im Rahmen der ohnehin bestehenden bauvertraglichen Kooperationspflichten zur Verhandlung verpflichtet sind.

Vielfach kommt es zu Änderungen auf Anraten des Auftragnehmers, sodass eine vertragliche Vereinbarung über den Nachtrag nicht das Problem darstellt.

Auch dann, wenn der Besteller einseitig Änderungen im geschuldeten Erfolg wünscht, wird der Auftragnehmer diesen Wünschen regelmäßig Rechnung tragen und einen Nachtrag vorlegen.

Relevant sind demzufolge diejenigen Fälle, in denen der Auftragnehmer aufgrund seiner Kapazitäten nicht in der Lage ist, dem Änderungswunsch nachzukommen und die Fälle, in denen das Verhältnis zwischen den Parteien ohnehin bereits belastet ist, der Auftragnehmer keine Lust hat, den Nachtrag auszuführen, weil er fürchtet, dass er seiner Vergütung hinterläuft.

Für diese Fälle sieht der Gesetzgeber vor, dass der Besteller ebenso wie im VOB-Vertrag berechtigt ist, eine Änderung der Leistung einseitig anzuordnen, sobald Verhandlungen gescheitert sind.

Der Auftragnehmer kann die Erbringung der Änderung dann verweigern, wenn sie ihm nicht zumutbar ist.

Beispiel:           Der auf Holzfenster spezialisierte Fensterbaubetrieb ist nicht verpflichtet, plötzlich Kunststofffenster herzustellen.

Ist dem Auftragnehmer die Änderung zuzumuten, muss er ein Nachtragsangebot vorlegen, das Auskunft über die Mehr- oder Mindervergütung gibt.

Schuldet jedoch der Besteller die Planung des Bauwerks, kann sich der Auftragnehmer wiederum zurücklehnen und erst eine Planung der Änderung verlangen, bevor er zur Kalkulation seines Nachtrages schreitet.

b)

Die Höhe des Nachtrages regelt § 650 c BGB.

Darauf wird im Folgenden noch einzugehen sein.

Wichtig für den Auftragnehmer ist, dass er mit der Abrechnung seines von ihm kalkulierten Nachtrages nicht bis zur Schlussrechnung warten muss.

Er darf gem. § 650 c Abs. 3 BGB in seinen Abschlägen 80 % der aus seinem Nachtrag resultierenden Mehrvergütung ansetzen.

Die vom Gesetzgeber vorgesehene gerichtliche Klärung im Streitfall wird in der Praxis keine Bedeutung haben, denn der Besteller wird im Interesse des Gesamtbaufortschritts gar nicht umhinkommen, die Kalkulation des Auftragnehmers und dessen Abschläge zu akzeptieren, will er einen Baustopp verhindern.

c)

Die VOB/B stellt sich im Vergleich zur beschriebenen gesetzlichen Regelung als weitaus weniger sperrig dar.

Sie unterscheidet zwischen Anordnungsrechten bezüglich geänderter Leistungen einerseits und der Anordnung nicht vereinbarter Leistungen (Zusatzleistungen) andererseits.

Soweit § 1 Abs. 3 VOB/B von der Änderung des Bauentwurfs spricht, ist dieser Begriff sehr weit gefasst.

Gemeint ist jegliche Änderung des vertraglich vereinbarten Erfolgs, keineswegs lediglich zeichnerische Darstellungen.

In der täglichen Praxis ist immer wieder festzustellen, dass nachtragsfähige Leistungen, sei es Änderungen oder Zusatzleistungen, ausgeführt werden und der Besteller erstmals in der Schlussrechnung Kenntnis vom Nachtrag nehmen kann.

Hier ist äußerste Vorsicht geboten.

Gem. § 2 Abs. 6 VOB/B muss bei Zusatzleistungen der Anspruch dem Besteller vor Ausführung der Leistung angekündigt werden.

Dabei handelt es sich um eine echte Tatbestandsvoraussetzung, nicht um eine Förmelei.

Freilich ist es nicht zwingend erforderlich bereits die genauen Kosten anzukündigen, zumal diese oftmals erst nach Ausführung der Leistung korrekt beurteilt werden können.

Die Kalkulation sollte jedoch sehr frühzeitig erfolgen, weil Sie sich sonst der Möglichkeit begeben, rechtzeitig Abschläge in Höhe von 80 % geltend zu machen.

Bei Änderungen soll hinsichtlich Mehr- oder Minderkosten vor Ausführung eine Vereinbarung getroffen werden (§ 2 Abs. 5 S. 2 VOB/B).

Auch wenn bei Änderungen die Ankündigung folglich nicht Tatbestandsvoraussetzung ist, sollte Ankündigung des Nachtrages erfolgen, zum einen um genau jene Klarheit herbeizuführen, die spätere kosten- und zeitintensive Rechtstreitigkeiten verhindert, zum anderen damit Sie rechtzeitig Abschläge in Höhe von bis zu 80 % berechnen können.

d)

Regelmäßig stellt sich die Frage, ob auch Bauzeitänderungen unter Nachträge fallen. Dies ist weder nach BGB, noch VOB der Fall.

Zu einseitigen Änderungen betreffend die Bauzeit ist der Besteller daher weder nach dem Gesetz, noch nach der VOB/B berechtigt, es sei denn, die Parteien haben dem Besteller ein solches Recht im Vertrag ausdrücklich eingeräumt.

C Vergütungsanpassung im BGB- und VOB-Vertrag

  1. Vergütungsanpassung nach BGB

Die Vergütungsanpassung nach BGB regelt § 650 c BGB.

a)

Liegt eine Änderung des vertraglich vereinbarten Leistungserfolges vor, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf Vergütung der dafür entstehenden tatsächlich erforderlichen Kosten, also der Einzelkosten der Teilleistungen, Lohnkosten, Kosten für Baustoffe, Rüst- und Schalkosten, Kosten für Baumaterialien, Gerätekosten, Nachunternehmerkosten, Fremdarbeitskosten und sonstige Einzelkosten.

Maßgeblich ist das Gebot der Wirtschaftlichkeit.

Streiten sich die Parteien nach Korrektur der Schlussrechnung über die Angemessenheit des Nachtrags, wird ein Sachverständiger darüber entscheiden, ob die vom Auftragnehmer in Ansatz gebrachten Kosten tatsächlich erforderlich waren.

Zu den Einzelkosten der Teilleistungen sind die Baustellengemeinkosten hinzuzurechnen, die infolge des Nachtrages entstehen.

Dies kann vermehrter oder verminderter Aufwand sein, beispielsweise, wenn der Nachtrag zu einer Bauzeitverzögerung führt und damit zu Mehrkosten bei der Baustelleneinrichtung oder der Beistellung eines Bauleiters.

Die Summe der Einzelkosten der Teilleistungen einerseits und die Baustellengemeinkosten andererseits ergeben die tatsächlich erforderlichen Kosten nach der gesetzlichen Regelung.

Dazu kommen angemessene Zuschläge für AGK, Wagnis und Gewinn.

Hier wird der Auftragnehmer regelmäßig diejenigen Zuschläge fortschreiben, die er bereits bei der Angebotskalkulation vor Vertragsabschluss ermittelt hat.

Denkbar ist allerdings auch eine Erhöhung der AGK, wenn sich beispielsweise durch den Nachtrag eine Bauzeitverlängerung ergibt, verbunden mit Tariflohnsteigerungen betreffend das Personal insgesamt.

b)

Der Auftragnehmer muss allerdings nicht den Nachtrag auf der Grundlage der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge berechnen, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss vereinbart haben, dass die Urkalkulation des Auftragnehmers hinterlegt wird.

Beruht das Angebot des Auftragnehmers vor Vertragsabschluss auf einer für ihn besonders vorteilhaften Urkalkulation, so sollte er darauf achten, dass diese Urkalkulation hinterlegt und darauf im Vertrag Bezug genommen wird.

Kommt es dann zum Nachtrag, kann er frei entscheiden zwischen einer Nachtragskalkulation auf der Grundlage der tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich Zuschläge oder seiner Urkalkulation und damit der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung.

Entscheiden muss er sich allerdings, vermischen kann er nicht. Die Rosinentheorie gilt auch hier nicht.

Im Ergebnis ist die gesetzliche Regelung für den Auftragnehmer daher durchaus vorteilhaft.

  • Vergütungsanpassung nach VOB/B

Erfolgt eine Änderung des Vertragsinhalts, so ist gemäß § 2 Abs. 5 VOB/B ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren.

Die Parteien sollen vor der Ausführung eine diesbezügliche Vereinbarung treffen.

Geht es hingegen um Zusatzleistungen, also um Leistungen, die bislang nicht Vertragsinhalt sind, so bestimmt § 2 Abs. 6 VOB/B, dass sich die Vergütung nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung bestimmt.

Obschon der Wortlaut bei Leistungsänderungen (§ 2 Abs. 5 VOB/B) sowie bei Zusatzleistungen (§ 2 Abs. 6 VOB/B) voneinander abweicht, hat die Rechtsprechung des BGH keinen wesentlichen Unterschied gemacht.

In beiden Fällen hatte die Vergütungsanpassung nach der Methode der vorkalkulatorischen Preisfortschreibung zu erfolgen.

Wer also ein Hauptangebot gut kalkuliert hatte, konnte mit dieser guten Kalkulation im Nachtrag fortfahren.

Wer einmal schlecht kalkuliert hatte, blieb dieser schlechten Kalkulation ebenfalls verhaftet.

Dies änderte sich mit der Entscheidung des BGH vom 08.08.2019.

Der Fall, der dem BGH zur Entscheidung vorlag, betraf nicht Nachträge, mithin weder Leistungsänderungen, noch Zusatzleistungen, sondern Mengenmehrungen.

Es ging also um die Frage der Abrechnung gemäß § 2 Abs. 3 VOB/B.

Danach ist für die über 10 % hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren.

Bei einer über 10 % hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes ist auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht anderweitig Ausgleich erhält.

Bislang galt auch für Mengenerhöhung oder Mengenminderung unter Beachtung der 10 %- Regel die vorkalkulatorische Preisfortschreibung.

Davon verabschiedete sich der BGH und entschied, dass die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zugrunde zu legen sind.

Etwas anders gilt nur dann, wenn die Parteien Abweichendes vereinbart haben (BGH, Urteil vom 08.08.2019, VII ZR 34/18).

Es ist davon auszugehen, dass der BGH diese Rechtsprechung auch auf Leistungsänderungen und Zusatzleistungen übertragen wird.

Das Kammergericht hat diese Rechtsprechung bereits übertragen (KG, Urteil vom 27.08.2019 - 21 U 160/18).

Dementsprechend sind nunmehr nicht nur nach der gesetzlichen Regelung, sondern auch im VOB-Vertrag die tatsächlich erforderlichen Kosten, also Einzelkosten der Teilleistungen einerseits und Baustellengemeinkosten andererseits zugrunde zu legen und dies unter Berücksichtigung angemessener Zuschläge auf AGK, Wagnis und Gewinn.

Dies gilt für Mengenänderungen und für Nachträge, es sei denn die Parteien haben etwas anderes vereinbart.

In der Praxis bedeutet dies, dass Sie für die Nachtragskalkulation natürlich auf Ihre Urkalkulation zurückgreifen, denn dort haben Sie im Streitfall ohne weiteres nachweisbar die Einzelkosten der Teilleistung (EKdT) kalkuliert.

Ist die Kalkulation ortsüblich, verbunden mit entsprechenden Spannen, wird diese Kalkulation einer Nachprüfung durch einen Sachverständigen im Streitfall standhalten.

Damit stellt sich die Frage nach den Zuschlägen, insbesondere auch dann, wenn der Nachtrag wie häufig zu einer Bauzeitverlängerung führt.

Der BGH legt im Streitfall die Bestimmung der Höhe des angemessenen Zuschlags in die Hände des Gerichts, das im Streitfall eine Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO vornehmen wird.

Offen lässt der BGH allerdings, was dem Richter als Schätzgrundlage dienen soll und kann.

Was wird der Richter im Streitfall also tun?

Wenn Sie eine nachvollziehbare Urkalkulation haben, in der Sie unter Verwendung der Formblätter Zuschläge auf BGK, AGK und Wagnis und Gewinn transparent abgebildet haben und wenn Sie außerdem klargestellt haben, dass diese Zuschläge bauzeitabhängig kalkuliert wurden, wird Ihnen das Gericht dankbar sein, weil es damit über eine Schätzgrundlage verfügt.

Wer hingegen nicht auf eine Kalkulation verweisen kann, sondern lediglich auf Erfahrungswerte, kann dem Gericht keine Hilfestellung geben, der Sachverständige wird letztlich entscheiden, verbunden mit ungewissem Ausgang und Kostenrisiko.

D Bauzeitverzögerungen

Jede Preisermittlung beruht auf Annahmen, hinsichtlich der Bauzeit.

Dies betrifft Einzelkosten, bei denen die Lohnkosten auf der Grundlage der Tarife bei Angebotskalkulation ermittelt wurden, dies betrifft die Kosten für Baustoffe zum EK bei Angebotskalkulation und natürlich alle anderen Bestandteile der EKdT, wie beispielsweise Gerätekosten, NU-Kosten etc.

Der Auftragnehmer geht, ausgehend von der in der Ausschreibung genannten Bauzeit davon aus, dass seine Annahmen richtig sind und bleiben.

Er geht also ein zeitlich begrenztes Prognoserisiko ein.

In dem Moment, in dem sich die Bauzeit wesentlich verzögert, erhöht sich dieses Prognoserisiko regelmäßig zu seinen Lasten.

Damit stellt sich zwangsläufig die Frage, wie mit Preissteigerungen bei Einzelkosten der Teilleistung umzugehen ist und wie mit den Zuschlägen, die der Auftragnehmer zumindest insoweit bauzeitabhängig kalkuliert hat, als sie in Relation zur Bauzeit stehen, wie beispielsweise der Bauleiter als Bestandteil der BGK.

Das Gesetz gibt mit § 642 BGB eine Antwort, die VOB/B hält für den Auftragnehmer überdies einen Schadensersatzanspruch gem. § 6 Abs. 6 VOB/B bereit.

  1. Schadensersatzanspruch gem. § 6 Abs. 6 VOB/B, § 280 Abs. 1 S. 1 BGB

Vorab sei vor Illusionen gewarnt.

Die Hürden, um Schadensersatzansprüche wegen verzögerten Bauablaufs durchzusetzen, sind hoch.

a)

Zunächst bedarf es einer Pflichtverletzung des Bestellers, beispielsweise durch Verletzung von Mitwirkungshandlungen, wie der Übergabe der Ausführungsunterlagen oder öffentlich-rechtlicher Genehmigungen und Erlaubnisse.

Schließlich muss diese Pflichtverletzung eine Behinderung des Auftragnehmers zur Folge haben.

Die Pflichtverletzung muss also ursächlich für die Behinderung sein, was bereits dann ausscheidet, wenn andere Ursachen hinzukommen, die nicht eindeutig dem Besteller zugeordnet werden können.

Um dies zu gewährleisten, verlangen die Gerichte vom Auftragnehmer eine bauablaufbezogene Darstellung, wann der Auftragnehmer ohne die Behinderung die Arbeiten vollendet hätte, wann er sie tatsächlich vollendet hat, dass er bei Einhaltung des vorgesehenen hypothetischen Bauablaufs mit dem von ihm bereitgestellten Betriebsmitteln auch tatsächlich die Bauleistung in der vorgesehenen Zeit realisiert hätte und in welcher Weise und in welchem Umfang die ihm hindernden Umstände vom Besteller zu vertreten sind.

Dies darzulegen kann nur, wer den gesamten tatsächlichen Bauablauf ausreichend dokumentiert hat.

Den damit verbundenen Aufwand kann sich der Auftragnehmer ersparen, wenn er bereits die zwingend erforderliche Behinderungsanzeige vergessen hat.

Darin muss der Auftragnehmer schriftlich und unverzüglich alle Tatsachen vortragen, aus denen der Besteller die Behinderung und ihre Gründe erkennen kann.

Geschieht gleichwohl nichts, gerät der Besteller in Verzug.

  • Berechnung des Schadens

Sind bereits die haftungsbegründenden Voraussetzungen für einen Schadensersatz in Folge bauablaufbezogener Störung beträchtlich, so setzt sich dies bei der Berechnung des Schadens selbst fort.

Egal, ob der Schaden abstrakt oder konkret berechnet wird, in jedem Fall zeigt sich jetzt wieder die Bedeutung der Kalkulation.

Nur wer die Einzelkosten der Teilleistung und die Zuschläge für Gemeinkosten transparent kalkuliert hat, ist überhaupt in der Lage, einen Schaden konkret oder abstrakt mit der Möglichkeit der richterlichen Schätzung darzustellen.

a)

Die Erhöhung der Einzelkosten bedingt durch

  • vermehrten oder verlängerten Einsatz von Arbeitskräften
  • längere Vorhaltung der Baustelleneinrichtung und von Geräten sowie die Lagerung von Bauteilen und Baustoffen
  • Preissteigerungen durch die Verschiebung der notwendigen Beschaffungszeitpunkte

lassen sich unter Offenlegung der Kalkulation ohne weiteres darstellen.

Schwieriger wird es allenfalls bei Eigenleistungen, sowohl betreffend die Arbeitsleistung, als auch Geräten, die im Eigentum des Bestellers stehen.

Auch hier hilft jedoch eine transparente Kalkulation, die es dem Richter ermöglicht, eine Schätzung vorzunehmen.

b)

Differenzierter wird es bei den Gemeinkosten.

Soweit sich die Baustellengemeinkosten erhöht haben, muss der sich daraus ergebende Schaden konkret dargelegt und nachgewiesen werden.

Soweit nicht bereits in die EKdT einkalkuliert, kämen hier bauzeitabhängige Kosten wie die für den Bauleiter oder die Vorhaltung der Baustelleneinrichtung in Betracht.

Bei den BGK hilft dem Besteller die Rentabilitäts- bzw. Beschäftigungsvermutung der Rechtsprechung des BGH.

Anders ist dies bei den allgemeinen Geschäftskosten (AGK).

Hier muss der Auftragnehmer darlegen, dass er aufgrund des verzögerungsbedingten Mehreinsatzes seiner Betriebsmittel bestimmte Deckungsbeiträge für das Unternehmen nicht erwirtschaften konnte, weil diese Betriebsmittel während der Verzögerung auf der betroffenen Baustelle unproduktiv gebunden waren.

Denkbar wäre dies, wenn der Auftragnehmer aufgrund der Behinderung einen Anschlussauftrag ablehnen musste, mit dem er die betreffenden Deckungsbeiträge in der kalkulierten Höhe erwirtschaftet hätte.

Schließlich muss die Vermögensverschlechterung endgültig eingetreten sein, was darzustellen fast unmöglich ist.

  • Entschädigungsanspruch gem. § 642 BGB

Der Gesetzgeber stellt dem Auftragnehmer im Falle von Bauverzögerungen noch einen anderen Weg zur Verfügung, der zum einen eine wesentliche Erleichterung beinhaltet, zum anderen allerdings auch hinsichtlich der Höhe dessen, was der Auftragnehmer erhält eingeschränkt ist.

a)

Der Entschädigungsanspruch nach § 642 BGB setzt, ebenso wie der Schadensersatzanspruch voraus, dass der Besteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen und hierdurch in Annahmeverzug geraten ist, was wiederum eine Behinderungsanzeige des Auftragnehmers voraussetzt.

Insoweit kann auf die vorangegangenen Ausführungen zum Schadensersatz verwiesen werden.

In der Vergangenheit verlangte die Rechtsprechung vom Auftragnehmer allerdings, dass er ebenso wie bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eine bauablaufbezogene Darstellung zu den Behinderungen und deren Auswirkungen vorlegt.

Nach der Entscheidung des Bausenats des BGH vom 26.10.2017 (VII ZR 16/17) ist eine solche bauablaufbezogene Darstellung nicht mehr Voraussetzung dafür, dass dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch eintritt.

b)

Ist der Besteller seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen, hat der Auftragnehmer die Behinderung schriftlich angezeigt und stellte sich hierdurch Annahmeverzug ein, so stellt sich die Frage, welche Ansprüche auf Entschädigung der Auftragnehmer für die folgende Zeit hat.

Nach der gesetzlichen Regelung bestimmt sich der Entschädigungsanspruch nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, wobei sich der Auftragnehmer allerdings anzurechnen hat, was er an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben konnte.

Die Höhe der Entschädigung kann das Gericht gem. § 287 ZPO schätzen.

Um schätzen zu können, bedarf es Schätzgrundlagen. Hier spielt wieder die Kalkulation des Auftragnehmers eine wesentliche Rolle.

Nur wer über eine transparente Urkalkulation verfügt ist in der Lage, dem Gericht darzustellen, wie sich während der Zeit des Verzuges die Einzelkosten der Teilleistungen erhöht haben, wie sich die verzugsbedingt stillstehenden Produktionsfaktoren den Baustellengemeinkosten zuordnen lassen und in welcher Höhe Anteile für AGK, Wagnis und Gewinn zur Vergütung für die unproduktiv bereitgestellten Produktionsmittel gehören.

  • Kündigung in Folge Bauverzögerung

Sowohl für den Schadensersatzanspruch, als auch für den Entschädigungsanspruch gilt das Gleiche. Der Auftragnehmer nimmt die Situation hin und läuft anschließend seinem Geld hinterher.

Dabei muss er sich zahlreichen Hürden stellen und sicherlich Geld und Zeit investieren, dies mit ungewissem Ausgang.


Wer es nicht bei der Behinderungsanzeige belässt, sondern einen Schritt weitergeht, ist strategisch besser gestellt.

Gem. § 643 BGB ist der Auftragnehmer im Falle des Annahmeverzuges des Bestellers gem. § 642 BGB berechtigt, diesem zur Nachholung seiner Mitwirkungshandlung eine angemessene Frist mit der Erklärung zu bestimmen, dass er den Vertrag kündige, wenn die Mitwirkungshandlung nicht bis zum Ablauf der Frist vorgenommen wird.

Verbindet der Auftragnehmer diese Kündigungsandrohung damit, dass er die Preise neu verhandelt möchte, sitzt er oft längeren Hebel.

Ist die Behinderung nur vorübergehend, so wird es der Besteller nicht riskieren wollen, dass es zur Kündigung und zu weiteren hierdurch bedingten Verzögerungen kommt.

Eine Kündigung kann allerdings auch das genaue Gegenteil bewirken, weshalb vor schnellen Schüssen zu warnen ist.

Anwaltlicher Rat vor Kündigung ist zwingend.

E Freie Kündigung

Kündigt der Besteller gem. § 8 Abs. 1 VOB/B oder § 648 BGB ohne, dass ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, so steht dem Auftragnehmer nicht nur Vergütung für die bis dahin erbrachte Leistung zu, sondern darüber hinaus Vergütung für die nicht erbrachte Leistung.

Der Auftragnehmer muss sich allerdings anrechnen lassen, was er in Folge der Kündigung an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt.

Kommt es also zur Kündigung des Vertrages, so rechnet der Auftragnehmer die bis dahin erbrachten Leistungen regelmäßig nach Aufmaß ab.

Da die Abrechnung nach den Einheitspreisen erfolgt, sind darin wiederum die EKdT enthalten, ebenso wie die in die Einheitspreise einkalkulierten Zuschläge.

Interessant ist die Abrechnung der zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht erbrachten Leistungen.

Im Rahmen der Einzelkosten ist nicht erspart beispielsweise der Nachunternehmer, der bereits zum Zeitpunkt der Kündigung beauftragt war und demzufolge Ansprüche gegen den Auftragnehmer hat.

Diese Kosten hat sich der Auftragnehmer nicht erspart.

Ebenso verhält es sich mit Material, das bereits bestellt, allerdings noch nicht verbaut wurde.

Hinzukommen allerdings die Gemeinkosten.

Bei den Baustellengemeinkosten muss differenziert werden nach einmaligen, zeit-, umsatz- oder mengenabhängigen Baustellengemeinkosten.


Regelmäßig sind sie ebensowenig erspart, wie die allgemeinen Geschäftskosten.

Hinzukommt Wagnis/Gewinn.

Wurden die EKdT, BGK, AGK sowie Wagnis/Gewinn transparent kalkuliert, so können Sie nach Kündigung konkret dargelegt und die Ansprüche des Auftragnehmers durchgesetzt werden ohne von dem Hilfsanker des § 648 S. 3 BGB Gebrauch machen zu müssen, wonach dem Unternehmer 5 % der noch nicht erbrachten Werkleistung als Vergütung zusteht.

Fazit:

Eine transparente Kalkulation nach Einzelkosten der Teilleistungen, Lohnkosten, Kosten für Baustoffe, Rüst- und Schalkosten, Kosten für Baumaterialien, Gerätekosten, Nachunternehmerkosten, Fremdarbeitskosten und sonstigen Einzelkosten einerseits und angemessenen Zuschlägen für Baustellengemeinkosten, allgemeinen Geschäftskosten sowie Wagnis und Gewinn ist zwingende Voraussetzung nicht nur für die Erstellung wirtschaftlich tragfähiger Angebote, sondern für das eigene Nachtragsmanagement, die Durchsetzung von Mehrvergütungsansprüchen bei bauablaufbedingten Verzögerungen und schließlich bei der Kündigung des Vertrages und dessen Abrechnung.

Noch keine Kommentare bis jetzt

Einen Kommentar schreiben