Corona-Kurzarbeitergeld

Erst Corona, dann der Staatsanwalt

Vorbemerkung

Zwischenzeitlich wurde für über 10 Millionen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Kurzarbeit angemeldet.

Für die Mehrzahl der Betriebe, in denen diese Arbeitnehmer tätig sind, bedeutet dies eine beträchtliche Entlastung in der Krise.

Für viele dieser Betriebe gilt allerdings auch „nach der Krise, ist in der Krise“.

Angesichts der erheblichen Kostenbelastung der öffentlichen Hand im Zusammenhang mit dem Kurzarbeitergeld haben in einigen Bundesländern die Agenturen für Arbeit bereits Sonderprüfungsgruppen eingerichtet, die die Anträge kritisch prüfen und bei Vorliegen von Verdachtsmomenten das Hauptzollamt sowie die Staatsanwaltschaft informieren.

Jeder Betrieb, der sich entschließt Kurzarbeit anzumelden, sollte sich daher über die Voraussetzungen der Gewährung und die Folgen im Klaren sein, die entstehen, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass die Voraussetzungen nicht vorlagen.

Die Konsequenzen bestehen nicht nur in der Rückforderung von Kurzarbeitergeld, sondern auch in Geldbußen bis zur Höhe von 10 Millionen € und gewerberechtlichen Folgen, beispielsweise des Ausschlusses von Ausschreibungen infolge Unzuverlässigkeit.

Der folgende Artikel beschäftigt sich mit den Voraussetzungen für Kurzarbeit und des KuG sowie der nachgelagerten Kontrollen und typischen Fallgruppen, die zu Rückforderung, Schadensersatz und Strafbarkeit führen.

I Voraussetzungen der Kurzarbeit und des KuG

Die Einführung von Kurzarbeit einerseits um die Gewährung von Kurzarbeitergeld (KuG) andererseits unterliegt zwei Voraussetzungen, zum einen arbeitsrechtlichen, zum anderen sozialrechtlichen Voraussetzungen.

1. Arbeitsrechtliche Voraussetzungen

Weit verbreitet ist der Irrtum, der Arbeitgeber könne einseitig Kurzarbeit anordnen.

Dies kann der Arbeitgeber genauso wenig wie er einseitig Vertragsbedingungen abändern kann.

Es bedarf daher immer einer Regelung, entweder tariflicher, betrieblicher oder individueller Natur.

a)

In den Tarifverträgen wird die Entscheidung über Kurzarbeit regelmäßig auf die Betriebsparteien delegiert, sodass in Betrieben mit Betriebsrat schon in Folge des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine Betriebsvereinbarung getroffen wird.

Nicht in Betracht kommt hingegen eine sogenannte Regelungsabrede mit dem Betriebsrat, denn diese hat anders als die Betriebsvereinbarung keine unmittelbare und zwingende Geltung gegenüber den Arbeitnehmern.

b)

In Betrieben, in denen es keinen Betriebsrat gibt, bedarf es folglich zwingend einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Vielfach enthalten Arbeitsverträge Klauseln, wonach der Arbeitnehmer damit einverstanden ist, dass der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnet.

Dabei ist Vorsicht geboten.

Solche Klauseln sind nämlich nur dann wirksam, wenn darin Umfang und Dauer der Kurzarbeit definiert ist.

Der bloße Bezug auf die sozialrechtlichen Voraussetzungen des Kurzarbeitergeldes nach dem SGB III reicht nicht.

Des Weiteren müssen diese Klauseln eine Ankündigungsfrist für die Kurzarbeit enthalten, damit sich der Arbeitnehmer rechtzeitig auf die veränderten Umstände einstellen kann.

Arbeitgeber sollten daher auch dann, wenn die Arbeitsverträge eine Kurzarbeiterklausel enthalten, sicherheitshalber in Betrieben mit Betriebsräten eine Betriebsvereinbarung abschließen und in Betrieben ohne Betriebsrat eine individuelle Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, bezogen auf die konkret anstehende Kurzarbeit schließen.

Vielfach wird die Auffassung vertreten, es genüge, wenn der Arbeitgeber Kurzarbeit anordnet und die Arbeitnehmer dem Folge leisten, indem sie nur noch in dem vom Arbeitgeber verfügten Umfang zur Arbeit erscheinen.

Es wird die Auffassung vertreten, dass darin eine konkludente Einwilligung der Arbeitnehmer liege.

Vielfach wird dies auch so sein.

In zahlreichen Fällen bleibt der Arbeitnehmer allerdings nur deshalb zuhause, weil der Arbeitgeber es angeordnet hat.

Es besteht dementsprechend das Annahmeverzugsrisiko fort, weshalb sich kein Arbeitgeber auf eine konkludente Vereinbarung verlassen sollte, sondern schriftliche Einverständniserklärungen der Arbeitnehmer einholen muss.

2. Sozialrechtliche Voraussetzungen

Die sozialrechtlichen Voraussetzungen regelt § 95 SGB III.

Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld steht dem Arbeitnehmer zu, nicht dem Arbeitgeber.

Dieser Anspruch hängt davon ab, dass

- ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt

- die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind

- die persönlichen Voraussetzungen beim Arbeitnehmer erfüllt sind

- der Arbeitsausfall der Bundesagentur angezeigt wurde

a)

Dabei ist die Anzeige zum einen Anspruchsvoraussetzung, zum anderen beginnt mit ihr der frühestmögliche Zeitpunkt für den Bezug von Kurzarbeitergeld.

Zugleich bestätigt der Arbeitgeber mit der Anzeige vom Merkblatt der Bundesagentur für Arbeit Kenntnis genommen zu haben.

Liegt die Anzeige vor, so erfolgt seitens der Bundesagentur nur eine Prüfung auf Plausibilität und Vollständigkeit. Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber hinsichtlich des Arbeitsausfalls sowie der betrieblichen und persönlichen Voraussetzungen die vorzulegenden Nachweise glaubhaft macht.

Infolge dieser bloßen Plausibilitätsprüfung ergeht der Anerkennungsbescheid der Bundesagentur als Vorbehaltsbescheid. Die Bundesagentur kann den Arbeitgeber jederzeit zur Nachweisführung verpflichten.

Stellt sich anschließend heraus, dass die Voraussetzungen eines erheblichen Arbeitsausfalls oder die betrieblichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, so ist der Bescheid rechtswidrig.

Hätte der Bescheid also bereits nicht ergehen dürfen, so kann ihn die Bundesagentur nicht nur nach §§ 45, 48 SGB X zurücknehmen und den Rückforderungsanspruch nach § 50 SGB X eröffnen, sondern sie kann in Fällen vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Arbeitgeberhandelns einen Schadensersatzanspruch durch Bescheid geltend machen, wenn zu Unrecht KuG bewilligt wurde.

Dafür reicht bereits jeder formelle oder materielle Mangel der Bewilligungsentscheidung aus.

Auch wird regelmäßig Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegen, denn der Arbeitgeber hat mit der Anzeige bestätigt vom Merkblatt der Bundesagentur Kenntnis genommen zu haben.

Die Bundesagentur wird daher bei Fehlern im Anerkennungsbescheid nicht den langen Weg der Rücknahme gehen, sondern den schnellen Weg des Schadensersatzbescheides.

b)

War der Anerkennungsbescheid zwar rechtmäßig, so kann gleichwohl die Leistungsbewilligung selbst rechtswidrig sein.

Hat der Arbeitgeber Benachrichtigungs- sowie Aufzeichnungspflichten verletzt, so haftet er auf Schadensersatz und zwar schon bei leichter Fahrlässigkeit.

Fälle diese Art treten z. B. auf, wenn der Arbeitgeber nach KuG-Bewilligung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag beendet und bis zum Beendigungszeitpunkt weiterhin KuG bezahlt wird.

Zweck der Kurzarbeitergeldgewährung ist den Arbeitsplatz im Interesse von Arbeitgeber und Arbeitnehmer während der Krise zu erhalten.

Ist das Arbeitsverhältnis beendet worden, so fällt der Zweck von Kurzarbeitergeld weg.

Der Arbeitgeber ist folglich verpflichtet, im Falle der Kündigung oder eines Aufhebungsvertrages die Bundesagentur sofort zu benachrichtigen.

Geschieht dies nicht und zahlt die Bundesagentur weiter aus, so haftet der Arbeitgeber auf Schadensersatz.

Darüber hinaus kann ein Bußgeld verhängt werden.

II Fallgruppen

Bereits nach Auswertungen der Finanzkrise haben sich bestimmte Fallgruppen ergeben, auf die die Bundesagentur und damit Zoll und Staatsanwaltschaft ihr Augenmerk in den nächsten Monaten richten werden.

1. Ausstempeln, Kurzarbeit anzeigen und voll weiterarbeiten

Bei dieser Fallgruppe, die außerhalb von Kurzarbeit 0 anzutreffen ist, stempeln die Arbeitnehmer nach der, der Bundesagentur angezeigten Arbeit aus, damit die Beendigung der Arbeit für die Bundesagentur dokumentiert ist.

Anschließend also nach dem Ausstempeln wird die Arbeit fortgesetzt.

In diesen Fällen wird nicht nur das gewährte Kurzarbeitergeld zurückgefordert, sondern der Arbeitgeber hat eine Strafanzeige wegen Betruges zu erwarten.

Auch die Arbeitnehmer müssen mit einer Strafanzeige wegen Beihilfe zum Subventionsbetrug rechnen.

2. Überstunden und Homeoffice

Vielfach wurden die Arbeitnehmer, soweit es die Art der Arbeitsleistung ermöglichte, infolge der Pandemie in Homeoffice geschickt, um dort eine verkürzte Arbeitszeit in Folge Arbeitsausfalls im Betrieb zu erbringen.

De facto kann der Arbeitgeber bei Homeoffice jedoch gar nicht beurteilen, ob sich der Arbeitnehmer an die, der Bundesagentur angezeigten Arbeitszeiten hält oder nicht.

Noch gravierender sind diejenigen Fälle, in denen Kurzarbeit 0 angeordnet wurde, sich der Arbeitgeber jedoch dann dafür entscheidet, den Arbeitnehmer im Homeoffice zu beschäftigen.

Bereits Tätigkeiten, wie die Teilnahme an Videokonferenzen, die Versendung und Entgegennahme von dienstlichen Mails widersprechen Kurzarbeit 0 und führen zwangsläufig zur Rückerstattung des Kurzarbeitergeldes und zur Strafanzeige wegen Betrugs.

3. Arbeitsrechtlich unwirksame Einführung von Kurzarbeit

Treffen die vorgenannten Fälle den unredlichen Arbeitgeber, so kann die Rückforderung bei unwirksamer Einführung von Kurzarbeit jeden Arbeitgeber treffen.

Fehlt es an den arbeitsrechtlichen Voraussetzungen durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Individualvereinbarung, etwa weil sich der Arbeitgeber auf die Wirksamkeit einer Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag verlässt oder einer vermeintlich konkludenten Individualvereinbarung mit den Arbeitnehmern und gelangt die Bundesagentur nach Prüfung zu der Feststellung, dass eine wirksame arbeitsrechtliche Vereinbarung nicht vorlag, so wird der Arbeitgeber das vom Arbeitnehmer bezogene Kurzarbeitergeld (netto) und die Sozialversicherungsbeiträge und zwar sowohl Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberanteil an die Bundesagentur zurückzahlen.

Der Anspruch der Bundesagentur verjährt bei Fahrlässigkeit in vier Jahren, sonst in 30 Jahren.

Der Regress des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer ist wegen § 28 g S. 3 SGB IV regelmäßig ausgeschlossen.

4. Kein erheblicher Arbeitsausfall

Viele Arbeitgeber haben zu Beginn der Pandemie recht schnell von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Arbeitnehmer ganz oder teilweise in Kurzarbeit zu schicken.

Vielfach wurde versäumt zu prüfen, ob nicht doch noch Beschäftigungsmöglichkeiten oder andere Möglichkeiten der Kompensation bestanden.

Voraussetzung der Kurzarbeit ist ein erheblicher Arbeitsausfall gemäß § 96 Abs. 1 SGB III.

Ein solcher liegt nicht vor, wenn tatsächlich noch Aufgaben vorhanden sind, welche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Vermeidung eines Arbeitsausfalles zuweisen kann.

Hinzukommt ein weiterer Aspekt.

Vielen Arbeitgebern kam die Corona-Pandemie gerade rechtzeitig.

Der Betrieb befand sich ohnehin in der Krise, die gelockerte Bewilligungspraxis der Bundesagentur versprach Linderung.

Vor diesem Hintergrund wird die Bundesagentur daher prüfen, ob zum Beispiel Aufträge tatsächlich aufgrund der Corona-Pandemie ausgeblieben sind oder ob der Auftragsausfall bereits vor der Pandemie begründet oder sogar eingetreten war.

Der Arbeitgeber wird daher im Nachprüfungsverfahren nachweisen müssen, dass der Arbeitsausfall ausschließlich durch die Pandemie bedingt war, nicht durch andere Faktoren, die zum endgültigen Wegfall des Arbeitsplatzes geführt haben, denn dann fehlt es am nur „vorübergehenden erheblichen Arbeitsausfall“.

5. Arbeitnehmer verletzt Mitteilungspflicht über den Nebenverdienst

Die Kürzung des Nettoentgelts auf 60 % bzw. 67 % bedeutet für den Arbeitnehmer eine erhebliche Gehaltseinbuße.

Viele Arbeitnehmer machen daher von der Möglichkeit Gebrauch, das ihnen verlorengehende Nettoentgelt durch einen Nebenverdienst aufzustocken.

Handelt es sich dabei nicht um eine fortgesetzte Nebentätigkeit oder eine Beschäftigung in einem systemrelevanten Bereich, so ist der Hinzuverdienst bei der Berechnung des Kurzarbeitergeldes zu berücksichtigen.

Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, den Arbeitgeber über den Nebenverdienst zu informieren, denn der Arbeitgeber berechnet die Höhe des Kurzarbeitergelds, auf die ein etwaiger Nebenverdienst Einfluss hat.

Wird das Kurzarbeitergeld seitens des Arbeitgebers fehlerhaft berechnet, weil ein Nebenverdienst unberücksichtigt bleibt, so führt dies zur Rückforderung in Höhe des anzurechnenden Anteils des Nebenverdienstes.

Dabei haften Arbeitgeber und Arbeitnehmer als Gesamtschuldner, wobei es der Bundesagentur freisteht, wen sie in Anspruch nimmt.

Im Zweifel wird dies der Arbeitgeber sein, ohne dass dieser hinsichtlich der SV-Beiträge beim Arbeitnehmer Regress nehmen kann (§ 28 g S. 3 SGB IV).

6. Aufstockungsbetrag „schwarz“ ausgezahlt

Stockt der Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld i. H. v. 60 % bzw. 67 % ganz oder teilweise auf, so ist dagegen nichts zu sagen.

Anders verhält es sich, wenn diese Aufstockung „schwarz“ erfolgt.

In diesem Fall muss der Arbeitgeber nicht nur die ordnungsgemäße Lohnversteuerung nachholen und die Sozialversicherungsbeiträge nachträglich abführen, sondern es droht ihm Strafanzeige wegen Beitragshinterziehung gemäß § 266 a StGB und natürlich gewerberechtliche Konsequenzen.

III Fazit

Der Umstand, dass die Bundesagentur schnell über Anträge entschieden hat, um Arbeitsplätze zu retten, darf nicht zu der Annahme verleiten, dass es bei den begünstigenden Anerkennungsbescheiden bleiben wird.

Die Prüfung wird folgen.

Jeder Arbeitgeber sollte daher genau prüfen, ob die arbeitsrechtlichen und sozialrechtlichen Voraussetzungen tatsächlich gegeben waren und sind.

Naiv ist es jedenfalls anzunehmen, eine Aufdeckung eines unrechtmäßigen Bezuges werde schon nicht erfolgen.

Diese Auffassung geht davon aus, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer dauerhaft freundschaftlich miteinander verbunden sind und schweigen.

Diese Freundschaft hat allerdings spätestens im Falle einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ihr Ende gefunden, verbunden damit, dass der unzufriedene Arbeitnehmer sein Schweigen bricht und die Bundesagentur informiert.

Vielleicht kommt ihm aber schon der Wettbewerber des Arbeitgebers zuvor, der die unzulässige Gewährung von Kurzarbeitergeld als nicht hinnehmbaren Wettbewerbsvorteil des Konkurrenten ansieht.

Dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Corona geht und der Staatsanwalt kommt.

(siehe hierzu auch Dr. Zieglmeier und Steffan Rittweger NZA 11/2020 S. 685 ff.)

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