Corona-Kündigungsstopp bei Wohnraummiete?

Wer für zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils in Verzug gerät, riskiert die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages.

Gleiches gilt, wenn der Mieter über einen Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe zweier Monatsmieten in Verzug gerät.

Die Corona-Krise hat die Bundesregierung bewogen, eine Gesetzesinitiative in den Bundestag einzubringen, wonach dieses Kündigungsrecht des Vermieters für die Dauer der Krise ausgesetzt werden soll.

Die Entscheidung der Bundesregierung ist von Aktionismus getragen, ein sachliches und rechtliches Bedürfnis besteht nicht.

1. Ausgangslage

Infolge der Corona-Krise mussten zahlreiche Unternehmen Kurzarbeit anmelden.

Ebenso ist nicht auszuschließen, dass es gleichwohl in zahlreichen Betrieben zum Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen kommen wird.

Für den Mieter, der hiervon betroffen ist, bedeutet dies ohne Aufstockung durch den Arbeitgeber eine erhebliche finanzielle Einbuße.

Sein Einkommen begrenzt sich auf 60 % bzw. 67 % seines Netto-Vergütungsanspruchs.

Angesichts der Mietpreisentwicklung der letzten Jahre kann dies insbesondere in den Großstädten zu ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten des Mieters führen.

Zahlen Mieter vor diesem Hintergrund den Mietzins nicht oder nicht vollständig,

riskieren Sie zweifelsohne, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eintreten.

2. Handlungsbedarf

Trotzdem stellt sich die Frage, ob tatsächlich Handlungsbedarf besteht.

Das Risiko einer außerordentlichen Kündigung beschränkt sich bereits dadurch, weil Mieter im Regelfall bei Eintritt der geschilderten Situation Wohngeld beantragen können.

Hinzu kommt, dass ein redlicher Vermieter gegenüber einem vertragstreuen Mieter nicht vom Kündigungsrecht Gebrauch machen wird, wenn dieser bei einer nachgewiesenen plötzlichen Beschränkung auf Kurzarbeitergeld oder Arbeitslosengeld für die Dauer der Krise seinen Mietzinsverpflichtungen nicht vollständig nachkommen kann.

Vom außerordentlichen Kündigungsrecht macht der Vermieter dann Gebrauch, wenn andere Mittel nicht zum Erfolg führen.

Dies ist dann der Fall, wenn ein Zahlungstitel auf rückständige Miete gegen den Mieter nicht mit Erfolg vollstreckt werden kann.

Das Mittel der Kündigung setzt der Vermieter also nicht gegen vertragstreue Mieter ein, sondern als ultima ratio gegen solche Mieter, die über geraume Zeit nicht oder nicht vollständig bezahlen.

Bei einem vertragstreuen Mieter wird der Vermieter regelmäßig eine Stundungsvereinbarung treffen, denn auch ihm, nicht nur dem Mieter liegt daran, das Mietverhältnis zu erhalten.

3. Wem hilft eine Aussetzung des Kündigungsrechts?

Eine Aussetzung des Kündigungsrechts ist gegenüber vertragstreuen Mietern nicht erforderlich, weil der redliche Vermieter eine Notlage des vertragstreuen Mieters ohnehin nicht zum Anlass einer Kündigung nehmen wird.

Vorteil ziehen aus der Aussetzung lediglich jene Mieter, die sich schon vor Corona nicht vertragstreu verhalten haben.

Gegen diese Mieter verliert der Vermieter das einzig wirksame Mittel, Vertragstreue durchzusetzen.

Hinzu kommt Folgendes:

Stellt der vertragstreue Mieter fest, dass die Verletzung vertraglicher Hauptpflichten ohne Sanktion bleibt, wird auch er zukünftig seine Vertragspflichten verletzen.

Die Folge dieser Entwicklung kann die Insolvenz der Wohnungswirtschaft sein.

4. Was ist mit dem unredlichen Vermieter?

Damit bleibt ein Restrisiko, ausgehend vom unredlichen Vermieter, der die Notlage des Mieters ausnutzen möchte, um von seinem Kündigungsrecht Gebrauch machen zu können.

Diese Annahme ist jedoch reine Fiktion.

Zunächst ist festzuhalten, dass der unredliche Vermieter sein Ziel, den Notstand des Mieters auszunutzen, um die Wohnung räumen zu können, nicht erreichen kann.

Dies aus rein tatsächlichen Gründen.

Die Justiz hat ihre Tätigkeit nämlich de facto eingestellt.

Der unredliche Vermieter wird also nach Kündigung und Einreichung der Räumungsklage mittelfristig nicht zu einem Räumungstitel gelangen.

Für den redlichen Mieter ergibt sich damit die Möglichkeit der Abkehr der Kündigung durch rechtzeitige Schonfristzahlung.

Wenn danach überhaupt ein Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht, so allenfalls darin, dass rechtsmissbräuchliche Kündigungen ausgeschlossen werden.

Rechtsmissbräuchlich ist eine Kündigung des Vermieters dann, wenn nachweislich coronabedingte Zahlungsschwierigkeiten des bis dahin vertragstreuen Mieters zu einem Zahlungsrückstand führen, der den Vermieter formal zur Kündigung berechtigen würde und der Vermieter genau dies zum Anlass nimmt, die Wohnung leerzuräumen.

Streng genommen besteht auch insoweit jedoch kein Gesetzgebungsbedarf, denn Fälle dieser Art fallen unter Rechtsmissbrauch des Vermieters und werden einzelfallbezogen durch die Justiz unseres Landes weit besser erkannt, bewertet und entschieden, als vom Gesetzgeber, der ohne Berücksichtigung des Einzelfalles ein austariertes Wohnraummietrecht aus den Angeln hebt.

RA Raber, 24.03.2020

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