(KG Urteil vom 20.08.2019 - 21 W 17/19)
Sachverhalt
Die Parteien hatten einen Bauträgervertrag abgeschlossen, wonach der Kläger einen Miteigentumsanteil, verbunden mit dem Sondereigentum an einer ca. 60 m² großen Wohnung in Berlin erwarb.
Der Vertrag enthielt eine Regelung, wonach die Fertigstellungsrate Zug um Zug gegen Besitzübergabe des Sondereigentums auf ein Notaranderkonto einzuzahlen war.
Des Weiteren enthielt der Vertrag eine Regelung, wonach dem Käufer bei Fertigstellungsverzug ein pauschalierter Schadensersatzanspruch zusteht.
Als die Wohnung bezugsfertig war, verlangte der Kläger deren Herausgabe, um die Wohnung vermieten zu können.
Zur Abnahme des Sondereigentums unter Vorbehalt von Mängeleinreden war er bereit.
Infolge Fertigstellungsverzugs rechnete der Kläger mit einem pauschalierten Schadensersatzanspruch teilweise auf.
Die Fertigstellungsrate hatte der Kläger weder an den Bauträger gezahlt, noch auf einem Notaranderkonto hinterlegt.
Des Weiteren hatte er auch den Sicherheitseinbehalt gem. § 632 a Abs. 3 BGB i. H. v. 5 % des Kaufpreises (heute § 650 u Abs. 2 i. V. m. § 650 m Abs. 2 BGB) nicht gezahlt.
Der Bauträger hatte insoweit allerdings auch keine Sicherheit gestellt.
Der Bauträger lehnte die Besitzübergabe ab.
Er vertrat den Standpunkt, dass ein Verfügungsanspruch nicht vorlag, weil insbesondere die Schlussrate nicht vertragsgemäß auf Notaranderkonto gezahlt worden war.
Ein Verfügungsgrund liege nicht vor, denn es bestehe keine Eilbedürftigkeit.
Der Kläger wolle die Wohnung lediglich vermieten, nicht selbst nutzen, weshalb auch nicht die Gefahr bestehe, dass er in ein Hotel ziehen müsse.
Außerdem würde
eine Entscheidung
zugunsten des
Klägers eine
Vorwegnahme der
Hauptsache darstellen
und zu
einem Verlust einer
Rechtsposition zulasten
des Bauträgers
führen.
Entschieden
Das Landgericht Berlin wies den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ab.
Die Beschwerde des Klägers zum Kammergericht hatte Erfolg.
Der Kläger hat einen Verfügungsanspruch auf Besitzübergabe.
1.
Dem steht ein Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 320 Abs. 1 BGB nicht entgegen.
Der Sicherheitseinbehalt gem. § 632 a BGB a. F. war nicht fällig, weil der Bauträger keine Sicherheitsbürgschaft gem. § 632 a Abs. 4 BGB a. F. gestellt hatte.
Ohne diese Sicherheit war der Kaufpreis insoweit nicht fällig, weil nach den Tatsachenfeststellungen eine Gesamtfertigstellung noch nicht vorlag.
Ebenfalls stand vorliegend fest, dass der vereinbarte Fertigstellungstermin überschritten war, sodass dem Kläger der vertraglich vereinbarte pauschalierte Schadensersatzanspruch zustand, mit dem er folglich aufrechnen konnte.
Die Fertigstellungsrate war unstreitig noch nicht fällig, sodass das Gericht über die Frage zu entscheiden hatte, ob der Kläger verpflichtet war, diese, so wie vertraglich vereinbart, auf ein einzurichtendes Notaranderkonto zu bezahlen.
Dies verneint das Kammergericht.
Die entsprechende Klausel im Vertrag sei wirksam, weil sie den Kläger unbillig benachteiligt.
Nach dieser Regelung müsse er im Streitfall zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen auf Freigabe des hinterlegten Betrages klagen.
Dies sei ihm nicht zumutbar.
Damit verneint das Kammergericht ein Leistungsverweigerungsrecht des Bauträgers.
2.
Den Feststellungen stand nicht das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache entgegen, denn eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache liegt nicht vor, wenn die im einstweiligen Verfügungsverfahren eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten gleichwohl eine zuverlässige Feststellung ermöglichen, dass nach materiellem Recht der geltend gemachte Anspruch einredefrei besteht.
Dies war vorliegend der Fall.
Auch sah das Gericht nicht die Gefahr des endgültigen Verlustes einer Rechtsposition seitens des Bauträgers, denn mit der Besitzübergabe geht seine Stellung als Eigentümer nicht verloren.
Die Eigentumsübertragung an den Kläger erfolgt erst mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises.
3.
Das Kammergericht bejahte auch den Verfügungsgrund.
Nach Auffassung des Gerichts kommt es nicht darauf an, ob der Käufer die Wohnung selbst benutzen möchte und ihm damit Kosten für Hotel oder Pension entstehen oder ob er sie vermieten möchte.
Selbst bei zügiger Verfahrensdauer im Hauptsacheverfahren droht dem Käufer einer Eigentumswohnung in diesem Fall ein erheblicher Mietausfallschaden, insbesondere angesichts der hohen Nachfrage in Ballungszentren.
Kommentiert
Immobilienerwerb in Großstädten, sei es zur Eigennutzung, sei es als Kapitalanlage ist aufgrund der Knappheit an Grundstücken und den städtebaulichen Vorgaben im Wesentlichen nur durch Abschluss eines Bauträgervertrages möglich.
Dies ist für den Käufer mit einem wesentlichen Nachteil verbunden.
Eigentümer von Grund und Boden bleibt bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises der Bauträger.
Damit geht zum einen ein Insolvenzrisiko einher, zum anderen die Verweigerung der Übergabe durch den Bauträger als Eigentümer.
Letztere stellt ein erhebliches Druckmittel zulasten des Käufers dar, der zum Preis des Einzuges zum Verzicht auf berechtigte Ansprüche gezwungen wird.
Den Käufern die versuchen, die Übergabe mit dem Mittel der einstweiligen Verfügung zu erreichen, begegnet die obergerichtliche Rechtsprechung regelmäßig mit großer Zurückhaltung.
Hintergrund ist, dass die vom Bauträger verweigerte Übergabe regelmäßig auf Zahlungsrückständen des Käufers beruht, deren Berechtigung aufzuklären, die Möglichkeiten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens überspannt.
Entsprechende Anträge wurden daher regelmäßig mit der Begründung zurückgewiesen, es bestehe die Gefahr einer Vorwegnahme der Hauptsache.
Mit dieser Begründung wurde der jeweilige Kläger auf das langwierige Klageverfahren verwiesen.
Das Kammergericht hat in zwei Entscheidungen, einmal betreffend einen Käufer einer Wohnung zur eigenen Nutzung, nunmehr betreffend einen Käufer einer Wohnung zur Kapitalanlage dem jeweiligen Kläger Recht gegeben.
Das Kammergericht hat aber auch klargestellt, dass im vorliegenden Fall über den Verfügungsanspruch ohne Beweiserhebung entschieden werden konnte.
Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung nicht generalisiert werden.
Überzeugend ist das Urteil insbesondere auch im Hinblick auf zwei weitere Punkte.
Zum einen kann es für den Verfügungsgrund nicht darauf ankommen, ob der Kläger die Wohnung selbst zu Wohnzwecken nutzt oder ob er sie vermieten möchte.
Zum anderen räumt das Gericht mit der Behauptung auf, der Bauträger erleide durch eine Entscheidung im einstweiligen Verfügungsverfahren einen endgültigen Verlust einer Rechtsposition.
Der Bauträger ist auch nach Besitzübergabe ausreichend dadurch besichert, dass er nach wie vor Eigentümer ist.
Die Entscheidung ist hilfreich in den Fällen, in denen dem Käufer aus sachfremden Motiven der Besitzübergang verweigert wird.
In den Fällen, in denen der Käufer die Abnahme verweigert und/oder streitige Gegenansprüche im Raum stehen, wird sich der Käufer auch zukünftig auf das Hauptsacheverfahren verweisen lassen müssen.
Rechtsanwalt Raber
04.11.2019