Tarifliche Ausschlussfristen-Haftmine entschärft!

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG macht der Arbeitnehmer mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage (Kündigungsschutz-oder Befristungskontrollklage) zugleich seine Vergütungsansprüche gerichtlich geltend ohne zugleich einen entsprechenden Leistungsantrag stellen oder ständig erweitern zu müssen.
Folgen hat dies für die Einhaltung vertraglicher Ausschlussfristen, die mit der Einreichung der Bestandsschutzklage gewahrt werden.

Was für arbeitsvertragliche Ausschlussfristen galt, galt nicht für tarifliche Ausschlussfristen.

War eine tarifliche Ausschlussfrist vereinbart, so wurde die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung im Wege eines Zahlungsantrages mit dem Zugang des Klageabweisungsantrags des Arbeitgebers in Gang gesetzt, ohne dass es einer ausdrücklichen Ablehnungserklärung bedurfte (BAG 17.11.2009- 9 AZR 745/08).

Auf dieser Rechtsprechung ergab sich ein beachtliches Haftungsrisiko des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers, zumal nicht immer auf Anhieb ersichtlich ist, ob und welcher Tarifvertrag gilt.

In der Folge wurden daher neben dem Bestandschutzantrag Zahlungsanträge gestellt und Monat für Monat erweitert, um dem Haftungsrisiko zu entgehen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits 2010 an der durch nichts gerechtfertigten und sich widersprechenden Rechtsprechung zweier Senate des BAG Anstoß genommen.

Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass der Arbeitnehmer in seinem Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtschutzes verletzt wird, wenn das tarifliche Erfordernis einer gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen, die vom Ausgang eines Bestandsstreits abhängen nach den bisherigen Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts ausgelegt und angewandt werden.

Dem Arbeitnehmer wird eine übersteigerte Obliegenheit zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche auferlegt. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, zunächst die Bestandsstreitigkeiten rechtskräftig abzuschließen, da er anderenfalls einem ihm nicht zuzumutenden Kostenrisiko ausgesetzt ist.

Dementsprechend sind tarifliche Ausschlussfristen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die vom Erfolg einer Bestandsschutzstreitigkeit abhängigen Ansprüche bereits mit der Kündigungsschutz- oder Befristungskontrollklage gerichtlich geltend gemacht sind.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vermeidet die unnötige Aufblähung des Bestandsschutzstreits um Annahmeverzugslohnansprüche, vermeidet Haftungsrisiken der Prozessbevollmächtigten der Arbeitnehmer und sie verhindert unbillige Ergebnisse.

Das BAG hatte nunmehr endlich Gelegenheit auf der Grundlage dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zu korrigieren (BVerfG 21.12.2010- 1 BvR 2760/08 und BAG 19.09.2012 –5 AZR 627/11).

RA Raber, 23.01.2013

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